Wahlkampf in den USAJoe Biden hat ein Zigaretten-Problem
Afroamerikaner rauchen bevorzugt die gefährlichen Menthol-Zigaretten. Nun zögert Joe Biden, den Tabak mit Minzgeschmack im Wahljahr zu verbieten.
Joe Biden hat ein Problem mit dem Rauchen. Nicht das Gängige: Der 81-Jährige konsumiert weder Tabak noch Alkohol. Doch er steht vor einer schwierigen Entscheidung. Soll er Menthol-Zigaretten verbieten?
So klar der Fall aus gesundheitspolitischer Sicht sein mag, Biden steckt deswegen im Dilemma. Kühlendes Menthol, gewonnen aus Pfefferminze, überdeckt den Tabakgeschmack und lindert den Hustenreiz. Das macht Menthol-Zigaretten zur gefährlichen Einstiegsdroge für Kinder und Jugendliche. Zudem verstärkt die Substanz die Wirkung von Nikotin im Hirn, die Entwöhnung ist schwieriger als bei herkömmlichem Tabak. In weiten Teilen Europas sind Menthol-Zigaretten seit 2020 verboten – mit Ausnahme der Schweiz, welche die Tabakindustrie freier gewähren lässt als die EU; im vergangenen März versenkte der Ständerat einen Bann von Menthol-Zigaretten. In den USA sprach sich die US-Arzneimittelbehörde FDA schon vor zwei Jahren für ein Verbot aus.
Nur setzt sich Biden dem Vorwurf aus, Afroamerikaner zu diskriminieren, wenn er Menthol-Tabak verbannt. Ganze 80 Prozent der schwarzen Raucher greifen zu den Zigaretten mit Minzgeschmack, bei den Weissen sind es 34 Prozent. Nun zögert Biden, die Afroamerikaner im Wahljahr gegen sich aufzubringen. Seine Zustimmungswerte sind ohnehin auf ein Rekordtief gefallen; in Umfragen liegen Biden und sein Gegenspieler Donald Trump gleichauf, obwohl sich der Republikaner als Diktator aufspielt und Angeklagter in vier Strafverfahren ist.
Pläne versandeten im Kongress
Mehr noch als vor vier Jahren braucht Biden in diesem Jahr die Unterstützung der Afroamerikaner. Doch die sind alles andere als begeistert von dem alten weissen Mann. Dieser hat nur wenige seiner Wahlversprechen an die wichtige Wählergruppe umgesetzt. Einige Pläne trieb er selbst nicht voran, einige versandeten im Kongress, andere scheiterten vor dem Obersten Gericht. Dafür engagierte sich Biden in der Ukraine mit Milliardenbeträgen, die nach Meinung vieler Afroamerikaner nun in der Heimat fehlen. Auch seine Unterstützung für Israel im Krieg in Gaza geht der Mehrheit der Schwarzen entschieden zu weit.
Verzichtet Biden jedoch auf das Verbot von Menthol-Zigaretten, muss er sich vorhalten lassen, sich zu wenig für das Wohlergehen der Afroamerikaner einzusetzen und sie zu wenig gegen die aggressive Tabakindustrie zu schützen. Die Afroamerikaner rauchen häufiger Menthol-Zigaretten als Weisse, weil die Hersteller sie gezielt als Kunden bewarben.
Drogenprohibition wirkt oft rassistisch
Ab den 1960er-Jahren traten Zigarettenfabrikanten als Sponsoren der Bürgerrechtsbewegung auf, sie finanzierten die Wahlkämpfe afroamerikanischer Politiker, sie machten Werbung in schwarzen Quartieren und Heften wie «Ebony». Zuwendungen erhielt laut «Washington Post» etwa der einflussreiche New Yorker Bürgerrechtler Reverend Al Sharpton. Er argumentiert nun, wenn es um den Gesundheitsschutz ginge, müssten alle Zigaretten verboten werden, nicht nur die mit Menthol. Auch wirkt Drogenprohibition in den USA oft rassistisch: Millionen Afroamerikaner landeten etwa wegen des Marihuana-Verbots im Gefängnis.
Wenn Biden noch in seiner ersten Amtszeit einen Bann auf Menthol-Zigaretten in Kraft setzen will, müsste er ihn in den nächsten Tagen verhängen. Doch spricht einiges dafür, dass er das Problem hinausschieben wird, wie er das im vergangenen Sommer schon einmal gemacht hat. Damit befindet er sich in bester Gesellschaft. Als er Vizepräsident unter Barack Obama war, wurde der erste schwarze Präsident von Medizinern bekniet, Menthol-Zigaretten aus dem Verkehr zu ziehen. Obama, der rote Marlboros vorzog, tat es nicht.
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