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Nach Unterschriften-Bschiss
Parlament setzt den zöger­lichen Bundes­rat unter Druck

Eine Person wartet im Regen mit eine Schachtel mit Unterschriften, waehrend der Uebergabe der Inklusions-Initiative an die Bundeskanzlei, am Donnerstag, 5. September 2024 vor der Bundeskanzlei, in Bern. Die Initiative verlangt die Gleichstellung von Menschen mit und ohne Behinderungen in allen Lebensbereichen. (KEYSTONE/Anthony Anex)
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Bisher sah es danach aus, als würde der Verdacht der massiven Fälschung bei Volksinitiativen, den diese Redaktion vor drei Wochen publik machte, keine einschneidenden Massnahmen nach sich ziehen. Abwarten und ja nichts überstürzen – so lautete die Devise im Bundeshaus.

Doch nun könnte es plötzlich schnell gehen. Einzelne Parlamentarierinnen und Parlamentarier haben sich in den vergangenen Tagen parteiübergreifend intensiv ausgetauscht. Viele von ihnen gehören der Parlamentarischen Gruppe Digitale Nachhaltigkeit, kurz Parldigi, an. Nun präsentieren sie eine Lösung, mit der das missbrauchsanfällige System auf einen Schlag sicher gemacht werden könnte. Und dies schon bald. 

Aus allen Fraktionen ausser jener der SVP werden am Mittwoch im Parlament gleich- oder ähnlich lautende Motionen eingereicht. Die koordinierten Vorstösse bringen den bislang in der Thematik zurückhaltenden Bundesrat in Zugzwang, denn sie verlangen die versuchsweise Einführung von E-Collecting, also vom elektronischen Unterschriftensammeln.

Handschriftliche Unterschriften wenig fälschungssicher

Bis jetzt mussten die 100’000 Unterschriften für Initiativen und 50’000 für Referenden handschriftlich eingereicht werden, was sich nun als wenig fälschungssicher herausgestellt hat. Es lässt sich nur schwer verhindern, dass Angaben massenhaft und gegen den Willen der Unterzeichnerinnen und Unterzeichner von einem Initiativbogen auf einen anderen kopiert werden. 

Mit E-Collecting scheint dieses Problem gelöst: Neu könnte man per Handy seine Zustimmung zu einem Volksbegehren signalisieren. Die Grundlage dafür, dass dies ohne Missbrauch möglich wird, liefert die sogenannte E-ID: Der Bund plant die Einführung dieser elektronischen Identifikation für 2026. Für Testzwecke soll die E-ID bereits 2025 zur Verfügung stehen. 

An diesem Punkt haken die Parldigi-Mitglieder ein: Sie verlangen, dass gleich ein Pilotversuch für E-Collecting durchgeführt wird. Erkenntnisse daraus sollen dazu beitragen, dass künftig auf einer soliden rechtlichen Grundlage elektronisch für Volksbegehren gesammelt werden kann. 

E-Collecting breit unterstützt

Der Versuchsbetrieb könnte relativ schnell gestartet werden – aufgrund einer fast in Vergessenheit geratenen Bestimmung: In der Verordnung über die politischen Rechte gibt es einen Artikel, der es dem Bundesrat erlaubt, E-Collecting zu Testzwecken einzuführen, sofern systematischer Missbrauch ausgeschlossen ist.

Frühere Vorstösse für E-Collecting wurden im Parlament breit unterstützt, aber es gab keine ähnliche Dringlichkeit wie nun mit dem Unterschriftenskandal. Der Bundesrat wurde bereits vor vier Jahren vom Nationalrat beauftragt, einen Bericht zum Thema zu erstellen. Er hat diesen noch nicht geliefert. 

Abgelehnt wird E-Collecting von der SVP – vorab werden Sicherheitsargumente vorgebracht. Die Informatik-affinen Parldigi-Mitglieder – darunter auch SVP-IT-Spezialist Franz Grüter – zeigen sich hingegen überzeugt, dass das zu testende System sicherer wäre als das herkömmliche Sammeln auf der Strasse.

«E-Collecting kann das Vertrauen in die Wahrnehmung der politischen Rechte wiederherstellen.»

Aus der Motion

«Die jüngsten Enthüllungen über die Fälschung und die missbräuchliche Erschleichung von Unterschriften für Volksinitiativen und Referenden durch fragwürdige kommerzielle Anbieter sind alarmierend und beeinträchtigen die Glaubwürdigkeit der direkten Demokratie», heisst es in der nun eingereichten Motion. «E-Collecting kann die Sicherheit bei der Unterschriftabgabe substanziell erhöhen und damit das Vertrauen in die Wahrnehmung der politischen Rechte wiederherstellen.» Gleichzeitig könne die derzeit äusserst aufwendige Beglaubigung der Unterschriften in den Gemeinden vereinfacht werden.

Initianten wollen Verlängerung der Sammelfrist

Als Problem hat sich erwiesen, dass Unterschriften zunehmend kommerziell gesammelt werden. Die gestiegenen Preise – bis zu 7.50 Franken pro Unterschrift – haben auch einen Anreiz zum Tricksen und Fälschen geschaffen. E-Collecting entzöge Sammelfirmen, von denen sich einzelne aus der Westschweiz als problematisch erwiesen haben, die Geschäftsgrundlage. 

Initiantinnen und Initianten, die momentan sammeln, berichten von Misstrauen, das ihnen seit den Berichten über den Unterschriften-Bschiss auf der Strasse entgegenschlägt – selbst wenn sie ohne kommerzielle Anbieter aktiv sind. Das Komitee der Vierviertel-Initiative, die sich für weniger Einbürgungshürden einsetzt, ist nun bei der Bundeskanzlei vorstellig geworden – mit einer Bitte, die Sammelfrist von eineinhalb Jahren um drei Monate zu verlängern.