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Einblick in bisher geheime Zahlen
Unia legt Vermögen von 836 Millionen offen – doch eigentlich ist es noch viel höher

Unia-Präsidentin Vania Alleva vor dem Hauptsitz der Gewerkschaft in Bern.
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Die Unia verfügt über ein Vermögen von 836 Millionen Franken. Das zeigt die Jahresrechnung 2020, welche die mächtigste Schweizer Gewerkschaft am Freitagmorgen zusammen mit den Rechnungen für die Jahre 2016 bis 2019 veröffentlicht hat.

Allein der Wert des Liegenschaftenportfolios ist Ende Jahr auf 444 Millionen Franken gestiegen. Der Unia gehören 2861 Wohnungen, aber auch Geschäftsliegenschaften, Hotels und Landreserven. Insgesamt sind es 151 Liegenschaften.

Ausserdem besitzt sie Aktien und Obligationen im Wert von 329 Millionen Franken. Abzüglich Hypothekarschulden und Abschreibungen beträgt das Reinvermögen 457 Millionen.

Doch in Wahrheit liegt das Vermögen noch viel höher, denn die Unia bilanziert die Immobilien im Gegensatz zu den Wertschriften nicht in Marktwerten, sondern zu Anschaffungskosten. Da sie nach eigener Aussage viele Immobilien von ihren Vorgängerorganisationen übernommen hat und seither die Wertsteigerung von Liegenschaften beträchtlich ist, dürfte die Unia – wenn man Marktwerte nehmen würde – weit über eine Milliarde Franken besitzen.

Die Gewerkschaft ist wie ein Konzern aufgebaut

Bemerkenswert: Die Unia, die immer wieder gegen die Grosskonzerne schiesst, sieht sich selbst als Konzern. Dieser besteht einerseits aus der eigentlichen Gewerkschaft Unia, anderseits aus verschiedenen Tochtergesellschaften, über welche die Unia ihren riesigen Immobilienbesitz verwaltet.

Entsprechend führt die Unia zwei Rechnungen: eine für die als Verein organisierte Gewerkschaft und eine umfassendere für den Konzern – und diese offenbart, wie gross das Vermögen der Unia wirklich ist. Denn der Unia-Konzern besitzt drei Immobilienfirmen in Bern, Lausanne und Genf und ist an zwei weiteren in Bern und La-Chaux-de-Fonds als Mehrheitsaktionär beteiligt. Ausserdem besitzt er Mehrheitsbeteiligungen an zwei Hotels in Bern und Thun sowie an einer Druckereifirma in Canobbio TI.

Am wichtigsten ist die Zivag Verwaltungen AG mit Sitz in Bern, Zürich und Lausanne, die zu 100 Prozent der Unia gehört und schweizweit mehr als 6500 Wohnobjekte verwaltet. Doch längst nicht alle gehören der Unia selber. Die Zivag AG verwaltet auch Immobilien, die Wohnbaugenossenschaften, Nichtregierungsorganisationen und institutionellen Anlegern gehören.

Zum Unia-Konzern gehört ausserdem die Stiftung Unia mit Sitz in Zürich. Sie bietet Rechtshilfe, Weiterbildungen, Ferienvergünstigungen und Hilfe in Härte- und Notfällen an und fördert den sozialen Wohnungsbau.

Hoher Überschuss dank Aktien und Immobilien

Spannend ist ein Blick auf die Erfolgsrechnung: Der Unia-Konzern weist für das vergangene Jahr Einnahmen von 225 Millionen Franken und Ausgaben von 205 Millionen aus. Das ergibt einen Reingewinn von 20 Millionen Franken. Der hohe Überschuss ist ein Resultat der Aktienhausse und des Immobilienbooms.

Die Rechnung des Vereins Unia zeigt: Einnahmen von 145,2 Millionen Franken stehen Ausgaben von 145,1 Millionen Franken gegenüber. Das ergibt einen kleinen Reingewinn von 67’333 Franken. Die Finanz- und Liegenschaftserträge haben mehr als 20 Millionen Franken zum Jahresergebnis beigetragen.

Den grössten Teil seiner Einnahmen erzielt der Verein mit dem Betrieb von Arbeitslosenkassen und mit Zwangsabgaben von Arbeitgebern und Arbeitnehmern an paritätische Kommissionen, welche die Einhaltung von Gesamtarbeitsverträgen überwachen. Mit diesen beiden Bereichen nahm die Unia im vergangenen Jahr gut 80 Millionen Franken ein. Das ist mehr als die Mitgliederbeiträge von 58 Millionen.

Ihren Mitgliedern verschwieg die Unia ihr hohes Vermögen

Bisher hatte die Unia ihren Mitgliedern und der Öffentlichkeit verschwiegen, wie hoch ihr Vermögen und wie hoch ihre Einnahmen und Ausgaben sind.

Ihren 182’700 Mitgliedern, von denen sie erkleckliche Jahresbeiträge verlangt, liess sie bislang nur eine äusserst spärliche Erfolgsrechnung des Vereins Unia zukommen, die auf einem A4-Blatt Platz hat und nur einige Eckwerte enthält. Die vollständigen Jahresberichte des Vereins und des Konzerns wurden nur an die 129 Delegierten versandt.

Seit ihrer Gründung schloss die Unia kein einziges Jahr mit schwarzen Zahlen ab – mit Ausnahme des kleinen Gewinns im vergangenen Jahr. Doch das gilt nur für den Verein, nicht aber für den Konzern.

Hätten die Mitglieder gewusst, wie gut die finanzielle Lage tatsächlich ist, wenn man den ganzen Konzern betrachtet, hätten sie sich womöglich gegen die hohen Jahresbeiträge gewehrt. Die Unia-Mitglieder zahlen einkommensabhängige Mitgliederbeiträge. Ein Bauarbeiter oder eine Verkäuferin mit einem Monatslohn von 4000 Franken muss der Unia beispielsweise 40 Franken abliefern – pro Monat.

Höchster Lohn beträgt 163’020 Franken

Die Vereinsrechnung offenbart auch, wie gross der Apparat ist, den die Unia aufgebaut hat. Den mit Abstand grössten Ausgabeposten bildet der Personalaufwand. 115 Millionen Franken zahlt die Unia ihren 1213 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Davon arbeitet ein Drittel in der Zentrale in Bern und zwei Drittel in den Regionen.

Die sieben Geschäftsleitungsmitglieder bezogen im vergangenen Jahr im Schnitt 150’930 Franken. Der höchste Lohn betrug 163’020 Franken. Es ist nicht ausgewiesen, ob das Präsidentin Vania Alleva betrifft.

Journalistische Recherchen zwingen die Unia zu Transparenz

Dass die Unia erstmals ihre Bücher offenlegt, ist eine direkte Folge eines Berichts dieser Zeitung. Dieser hatte vor einem Monat enthüllt, dass die Unia im Jahr 2015 Liegenschaften, Wertschriften und Bankkonti im Wert von über 567 Millionen Franken besass.

Damit wurde klar: Die Unia ist mit hoher Wahrscheinlichkeit die finanzkräftigste politische Organisation der Schweiz – ihr Vermögen ist grösser als das aller Parteien, Wirtschaftsverbände und Nichtregierungsorganisationen.

Wenig später doppelte der «Blick» mit einer eigenen Recherche nach: Er beschaffte sich die vollständigen Jahresberichte der vergangenen Jahre.

In der Folge prasselte einige Kritik auf die Gewerkschaft ein. Diese wehrte sich umgehend: Für die Geheimhaltung gebe es «gute Gründe», sagte Unia-Sprecher Serge Gnos. «Denn das Vermögen der Unia ist gleichzeitig auch die Streikkasse.» Deshalb habe man «aus strategischen Gründen kein Interesse, dass alle Akteure genau wissen, wie die Gewerkschaft Unia finanziell aufgestellt ist».

Grosser Druck der politischen Gegner

Dass sie nun plötzlich doch Transparenz schafft, begründete die Unia in einer Einladung an die Medien mit dem «medialen Interesse».

Doch es geht ihr wohl auch darum, ihren politischen Gegnern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Diese werfen der Unia seit langem vor, mit der Führung von Arbeitslosenkassen und mit Zwangsabgaben für die Umsetzung von Gesamtarbeitsverträgen hohe Gewinne zu erzielen. Und sie stören sich daran, dass die Unia als einzige grosse Gewerkschaft eine – mutmasslich zu hohe – Pauschale für den Betrieb der Arbeitslosenkassen erhält.

Unia kritisiert «verlogene Kampagne»

Unia-Präsidentin Alleva bestritt am Freitag beides. Sie sagte: «Wir verdienen nichts mit den Arbeitslosenkassen und der Vollzugsarbeit bei den Gesamtarbeitsverträgen.» Und Finanzchef Martin Tanner sagte, die Unia werde mit der pauschalen Abrechnung weniger hoch entschädigt als die anderen Kassen.

Beide Aussagen lassen sich aus der Jahresrechnung nicht ablesen. Doch Alleva sagte: Abrechnungen, die beim Staatssekretariat für Wirtschaft hinterlegt seien, belegten dies. Und: «Wir überlegen uns, künftig die Betriebsrechnungen der Arbeitslosenkasse und der Vollzugsarbeit öffentlich zu machen.»

Nach Bekanntwerden des riesigen Vermögens der Unia hatte die FDP-Fraktion im Nationalrat zwei Fraktionsvorstösse eingereicht. Sie verlangt, dass der Bund die Geldflüsse bei den Gesamtarbeitsverträgen und der Unia-Arbeitslosenkasse öffentlich machen soll.

Alleva bezeichnete dies als «verlogene Kampagne». Genau jene Kreise verlangten von der Unia Transparenz, die im Parlament die Transparenz der Parteienfinanzierung blockierten.