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Impfskeptiker in Seattle
Ungeimpfter stirbt beinahe – und entschuldigt sich bei Spitalpersonal

Richard Soliz bereut, dass er aufgrund von Fehlinformationen auf die Impfung verzichtet hatte. 
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Der 54-jährige Richard Soliz aus Seattle kam über ein Jahr lang gut durch die Pandemie. Er kannte niemanden, der ernsthaft an Covid erkrankte, und sah für sich auch keinen Bedarf für die Impfung. Im Gegenteil, er las auf Facebook und in anderen sozialen Medien viel Schlechtes über die Spritzen und liess sich von Falschinformationen über Mikrochips, schlimme Nebenwirkungen und Märchen über Zulassungsprobleme in die Irre leiten, wie er dem lokalen Fernsehsender Komo sagt. «Was ich las, war verwirrend und widersprüchlich.» Er erklärt, dass er nicht genügend Informationen gehabt habe, um klar Ja oder Nein zu sagen, deshalb habe er einfach nichts gemacht und auf die Impfung verzichtet. Wahrscheinlich gehe es vielen Menschen ähnlich, die sich nicht sicher seien, vermutet er.

Heute würde es Soliz anders machen, denn der Ungeimpfte wurde von Corona eingeholt und schlimm getroffen. Es begann mit plötzlichem und hohem Fieber, bald hatte er Mühe mit der Atmung und realisierte: «Hey, das ist Covid, es hat mich tatsächlich erwischt.» Der 54-Jährige musste ins Spital, wo man ihn fragte, ob er geimpft sei. «Ich habe mich geschämt, als ich in meinem Zustand sagen musste, dass ich ungeimpft sei», erzählt Soliz. Dabei war er in bester Gesellschaft, auf der Intensivstation antworten die meisten Patienten so.

Für das Personal im Harbourview Medical Center änderte das aber nichts an der Herangehensweise. 28 Tage lang kämpften sie mit allen Mitteln um das Leben von Richard Soliz. Er war an ein Beatmungsgerät angeschlossen, und sein Herz wurde laufend überwacht, man befürchtete Blutgerinnsel. Lange sah es nicht gut aus für den 54-Jährigen, viele andere sind in ähnlichem Zustand der Krankheit erlegen. Das weiss auch Soliz. «Ich hätte jederzeit sterben können. Es war sehr, sehr beängstigend, ich konnte kaum noch atmen.»

Spital freut sich über Rückkehr

Die Situation war auch für die Ärztinnen und Pfleger im Spital nicht einfach, wie Lungenspezialist James Town erzählt. Einerseits seien viele durch die lange Pandemie ausgelaugt, und es fehle an Personal. Andererseits drückten die Corona-Kritiker auf die Stimmung. «Obwohl wir monatelang hart um das Leben unserer Patienten kämpfen, werfen uns gewisse Leute immer noch vor, dass wir ihnen schaden möchten.» Es wäre eigentlich ein Leichtes, das Mitgefühl für die Ungeimpften zu verlieren, gibt Town zu. 99 von 100 Covid-Patienten auf der Intensivstation des Harbourview Medical Center hätten die Impfung freiwillig nicht gemacht und machten ihnen stattdessen das Leben schwer.

Doch Leute wie Richard Soliz geben Town und seinen Kolleginnen auch wieder Hoffnung. Denn der 54-Jährige bereute seinen Impfverzicht nicht nur zutiefst, er kam auch ins Spital zurück, um sich persönlich bei all seinen Retterinnen und Rettern zu bedanken. Und um sich zu entschuldigen, dass er die Impfung abgelehnt hatte und damit erst zum Intensivpatienten wurde.

Das Harbourview Medical Center empfing ihn aber mit offenen Armen. «Niemand macht dir Vorwürfe oder verurteilt dich», sagt Lungenspezialist Town. «Wir sind glücklich, dass es dir besser geht.» Es berühre das ganze Personal, wenn man sehe, dass jemand wieder auf dem Damm sei, gerade in so schwierigen Zeiten. «Und es tut gut, wenn man den Dank spürt und sich die ehemaligen Patienten dann auch dafür einsetzen, dass andere dieselben Fehler nicht wiederholen.»

Richard Soliz bedankt und entschuldigt sich bei Lungenspezialist James Town, der sich vor allem darüber freut, seinen ehemaligen Patienten wieder fit und munter zu sehen.

Auch eine Krankenschwester, die ihn pflegte, freute sich über den Besuch des ehemaligen Patienten. «Es ist unglaublich, dich lebend zu sehen. Du siehst gut aus», sagt Kimmy Siebens im TV-Beitrag zu Soliz. Viele «normale» Patienten würden wiederkommen und sich bedanken, bei Covid-Erkrankten sei dies aber eher nicht der Fall, erzählt Siebens. Man stecke viel seiner Zeit in die Pflege einer einzelnen Person. Sobald sie über den Berg sei, werde sie verlegt, um den Intensivplatz freizumachen. «Wir erleben die Patienten nicht mehr, wenn es ihnen wieder wirklich besser geht, und es ist einfach sehr schön, jemanden wieder gesund zu sehen», erklärt Siebens. «Es gibt uns das Gefühl, dass es das alles wert ist.»

Soliz ist nun vollständig geimpft

Auch wenn es Soliz besser geht, spürt er noch heftige Nachwirkungen seiner Erkrankung, seine Lunge ist beschädigt, er schläft schlecht, das Atmen fällt ihm schnell schwer und er hat Mühe mit dem Gedächtnis. Es werde noch einige Monate dauern, bis er wieder ganz fit sei, sagt sein Arzt. Der 54-Jährige hat deshalb eine klare Botschaft an alle Ungeimpften: «Lasst euch impfen. Die Spritzen sind sehr sicher, impft euch gleich gegen Corona und gegen die Grippe», empfiehlt Soliz.

«Es gibt immer noch viele Leute, die denken, dass Covid ihnen nichts anhaben könne, dass man eine Erkrankung schon riskieren könne», sagt der Ex-Patient. Das könne man schon so sehen, aber er wisse jetzt, dass man diese nonchalante Einstellung mit dem Leben bezahlen könne. Er hatte Glück und kam gerade noch einmal davon, dank dem medizinischen Personal, das ihn rettete.

Ärzte und Pflegekräfte kämpfen im Harborview Medical Center in Seattle um das Leben eines Covid-Patienten. Das Bild stammt aus dem Mai 2020, mittlerweile haben sich die Behandlungsmöglichkeiten verbessert.

Soliz weiss, was dies bedeutete. «Ich war eine ungeheure Belastung für das Pflegepersonal, das 12-Stunden-Schichten leistet und kaum Pausen hat», gibt er reumütig zu. «Die Erkrankung war das schrecklichste und bedrohlichste Gefühl, dass ich je hatte, das wünsche ich niemandem.» Er wisse jetzt, dass das Virus sehr real sei.

Was er wegen den Falschinformationen auf Facebook zu lange nicht gemacht hat, holte er trotz erst gerade erfolgter Genesung nun schnellstmöglich nach: Richard Soliz ist nun vollständig geimpft.

Ähnliche Geschichte in der Schweiz

Die NZZ berichtete am Montag über einen ähnlichen Fall in der Schweiz. Auch der 76-jährige Fredy Bont verzichtete auf die Impfung und glaubte, dass er nicht krank würde. Er fühlte sich gesund, doch dann erkrankte er schwer an Covid. Drei Wochen lag er im Spital Zollikerberg, der Tod war eine mögliche Realität, wie es die NZZ schreibt. Eine massive Belastung nicht nur für ihn, sondern auch für seine Familie.

Bont überlebte, leidet aber weiterhin unter den Spätfolgen der Erkrankung. Er musste für vier Wochen in die Rehabilitation und hat seine Meinung zur Impfung genau so wie Richard Soliz grundlegend geändert: «Ich empfehle jedem, sich impfen zu lassen», sagt er.