AboKommentar zur ZeitenwendeUnd plötzlich ist alles ganz anders
Der Krieg in der Ukraine erschüttert gerade eine Reihe vermeintlicher Gewissheiten von umstrittenen Geschlechterrollen bis hin zu allzu lieb gewonnenen Feindbildern. Eine Einordnung.
Putin und der Ehrbegriff: Hallo, toxische Männlichkeit

In seinem Telefonat mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vergangene Woche soll Wladimir Putin dem Westen die Schuld am Krieg gegen die Ukraine gegeben haben: Er habe zu wenig Respekt vor Russland gezeigt. Es ist eine Argumentation wie aus einer längst vergangenen Zeit. Aber da ist er wieder: Dieser krude Begriff «Respekt», der eng gekoppelt ist an den archaischen Begriff der Ehre und definiert, was unter dem Begriff toxische Männlichkeit bekannt geworden ist. Denn beide Begriffe führen fast immer nur Männer ins Feld. Männer wachen über die Ehre ihres Landes, ihrer Familie und natürlich über die Ehre ihrer Frauen, ihrer Töchter, Schwestern und Mütter, denn sogar die weibliche Ehre fällt ins männliche Hoheitsgebiet. Und natürlich bestimmen auch ausschliesslich sie darüber, wann und wie diese Ehre verletzt wird und wann es demzufolge an Respekt fehlt. Es ist eine irrationale, willkürliche und damit hochgefährliche Denkweise – denn sie dient immer als Entschuldigung dafür, wenn Männer gewalttätig werden oder gar töten.