Kehrtwende des BundesUkrainische Flüchtlinge werden künftig nach Verteilschlüssel platziert
Ab Montag werden aus der Ukraine geflüchteten Menschen nach dem Asyl-Verteilschlüssel an die Kantone zugewiesen. Individuelle Wünsche sollen nur in Einzelfällen berücksichtigt werden.
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Einige Kantone haben weit mehr Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen als sie auf Grund des Verteilschlüssels müssten
Weiterhin gingen rund 800 Gesuche pro Tag von Geflüchteten beim Staatssekretariat für Migration (SEM) ein, sagte David Keller, Leiter Krisenstab Asyl im SEM. Im selben Takt würden sie verarbeitet. Gut 43'000 Gesuche seien bisher eingegangen, und gut 37'000 verarbeitet. 31'500 Personen hätten mittlerweile den S-Status erhalten.
In der stark beanspruchten Region Zürich normalisiere sich die Situation, ebenso in den anderen fünf Asylregionen, sagte Keller. «Inzwischen haben wir die Lage im Griff.» Auch bei den normalen Asylgesuchen, die im Einzelfall geprüft werden müssten, müsse nun wieder angesetzt werden.
Probleme gebe es aber bei der Verteilung der Geflüchteten auf die Kantone, sagte Keller. Einige Kantone hätten 50 oder gar 100 Prozent mehr Menschen aufgenommen als sie auf Grund des Proporzes – entsprechend ihrer Einwohnerzahl – aufnehmen müssten. Auch einige Städte und Gemeinden seien stark belastet.
Asylsuchende und auch Menschen mit S-Status könnten nicht frei wählen, wo sie wohnen wollten, betonte Keller. Es gelte, die Last auf alle zu verteilen und die Solidarität spielen zu lassen.
«Je mehr der Verteilschlüssel verletzt wird, desto mehr müssen wir in diesen Fällen restriktiv sein.»
Ab Montag werde sich die Schweizerische Flüchtlingshilfe beim Vermitteln von privaten Unterkünften am Verteilproporz ausrichten. Gewisse Personen, also Mitglieder von Kernfamilien, würden aber entsprechend ihrer Bedürfnisse zusammengeführt. Auch Vulnerable, die in Gruppen kämen, sollten zusammenbleiben können.
«Für alle anderen ist des grundsätzlich zumutbar, nicht nach ihren Wünschen zugeteilt zu werden», sagte Keller. Und: «Je mehr der Verteilschlüssel verletzt wird, desto mehr müssen wir in diesen Fällen restriktiv sein.» Das gelte etwa für Verwandte und Bekannte im weiteren Kreis, etwa Geschwister, Onkel und Tanten.
«Für sie gibt es keinen Anspruch.» Das SEM wünsche sich eine Vereinbarung zwischen Privaten und Geflüchteten für eine Aufnahme während mindestens drei Monate. «Dann sind die Chancen höher, dass sie berücksichtigt wird.»
Für Kantonswechsel – auch da gingen zunehmend Gesuche ein – gelten laut Keller dieselben Bedingungen. Der betroffene Kanton müsse zustimmen und es müsse proportional aufgehen. Die Absicht der Kantone sei es auch, Wechsel zu bewilligen, wenn dies die Aufnahme einer Erwerbsarbeit erleichtere, etwa mit einem kürzeren Arbeitsweg.
Noch keine Zahlen zur Belastung der einzelnen Kantone
Zahlen zur Belastung der Kantone durch den Zuzug von Geflüchteten aus der Ukraine hat das Staatssekretariat für Migration (SEM) noch nicht vorliegen. Sehr belastet seien aber städtische Kantone wie Basel, Bern, das Tessin und Zürich, namentlich die Stadt Zürich, sagte Gaby Szöllösy, Generalsekretärin der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK). Stark belastet ist aber auch der kleine Kanton Appenzell Ausserrhoden, der Waisenkinder beherbergt.
Weniger stark belastet sei bisher hingegen ein Teil der Westschweizer Kantone. Der Grund sei technischer Natur, führte Keller aus. Die Romandie sei die grösste der sechs Asylregionen – 25 Prozent der Bevölkerung lebten dort. Weil nun aber in allen sechs Bundesasylzentren auf die Schnelle dieselben Aufnahmestrukturen geschaffen worden seien, seien in der Westschweiz anteilsmässig weniger Menschen aufgenommen worden als in den kleineren Asylregionen.
Ukrainerinnen und Ukrainer könnten mit biometrischem Pass an den Ort ihrer Wahl in der Schweiz reisen und dort unterkommen, betonte Szöllösy. Wer keine staatlichen Leistungen wolle, könne in irgend einem Kanton wohnen. Sobald jedoch Leistungen beansprucht würden, würden die Zuteilungsregeln gelten, denn ohne Anmeldung gebe es keine Leistungen.
Kantone froh über Zuweisung nach Verteilschlüssel
Die Kantone sind froh über die ab Montag geltende Zuweisung der aus der Ukraine geflüchteten Menschen. Der Verteilschlüssel nach Bevölkerungsproporz habe sich bewährt, sagte Szöllösy. Seine Anwendung bringe vielen Städten, die bereits geklagt hatten, Erleichterung.
Für die Geflüchteten mag das zu Enttäuschungen führen. Sie können sich damit nicht nach eigenem Wunsch eine Unterkunft suchen. Das gegenwärtig bestehende Ungleichgewicht lasse sich indessen nicht durch die Zuweisung von Geflüchteten beheben, die ohne Privatunterbringungsmöglichkeit einreisten. Das wäre diesen gegenüber auch nicht fair, erklärte Szöllösy.
Die stark belasteten Kantone könnten eine überproportionale Zahl von Geflüchteten nicht auf die Dauer hinnehmen. Da müssten Kinder eingeschult, Sozialhilfe und vieles mehr geleistet werden. Zudem bestehe bei ihnen das Risiko, «dass man früher unter Tag gehen muss»; also Zivilschutzanlagen öffnen. Damit komme der Verteilschlüssel auch allen Geflüchteten zugute.
Die SODK-Generalsekretärin appellierte weiterhin an Aufnahmewillige für längere Aufenthalte, sich bei den Behörden zu melden. Damit lasse sich der Gang durch die Behörden auch besser strukturieren.
Szöllösy erinnerte daran, dass im laufenden Jahr mit 44'000 bereits mehr Flüchtlinge in der Schweiz eingetroffen sind, als im Rekordjahr 2015 mit den Flüchtlingen aus dem Bürgerkrieg in Syrien.
Die Kantone schafften mit Hochdruck neue Unterkünfte. Mit Stand Mittwoch hätten sie 7500 freie Plätze gehabt. Sehr froh sei man seitens der Kantone um die 37'000 Betten in Hotels, Unterkünften und zur Verfügung gestellten 110 freien Wohnungen, sagte Szöllösy.
SDA/aru
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