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Meinung

Russlands Luftangriffe
Der Kreml nimmt tote Kinder für seinen Krieg in Kauf

Rescue workers clear the rubble at the site of Okhmatdyt children's hospital hit by Russian missiles on Monday, in Kyiv, Ukraine, Tuesday, July 9, 2024. (AP Photo/Evgeniy Maloletka)
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Welche Botschaft kann ein Angriff auf ein Kinderspital haben? Nach Ansicht der italienischen Zeitung «La Stampa»: eine sehr weitreichende. Der russische Angriff auf das grösste Kinderspital in der ukrainischen Hauptstadt Kiew, das Ochmatdyt, sei in grösserem, in europäischem Kontext zu sehen, heisst es dort. Möglicherweise sei dieser eine Folge der Frustration wegen des Scheiterns der – russlandfreundlichen – französischen Rechten am Sonntag, möglicherweise eine Art Ermahnung vor dem Nato-Gipfel, es mit der Ukraine-Hilfe nicht zu übertreiben.

Die Angriffe auf Kiew und andere Städte der Ukraine in dieser Woche waren die schwersten seit Monaten, 41 Menschen starben, 27 allein in der Hauptstadt. «Gott ist geduldig, aber alles hat eine Grenze», schrieb die russische Schlager-Diva Alla Pugatschowa auf Instagram aus dem Exil in Israel, dessen Regierung in Gaza auch Spitäler zerstört und dafür stets militärische Gründe anführt. Die Bombardierung von Krebs- und Dialyse-Stationen für Kinder ist offenbar etwas, was der Kreml nicht einmal nach mehr als zwei Jahren Krieg auf sich sitzen lassen will. Das Spital sei von der ukrainischen Luftabwehr getroffen worden, behauptete Putins Sprecher Dmitri Peskow, Russland fliege keine Angriffe auf zivile Ziele. Das russische Verteidigungsministerium bestätigte Angriffe auf Rüstungsfabriken und Militärflugplätze. Mit der Zerstörung des Ochmatdyt mochte es nichts zu tun haben.

Ukrainer sehen es als versuchten Völkermord

Für die kranken Kinder und ihre Eltern, für die Angehörigen der Toten und Verwundeten, für das ganze Land ist das belanglos. Ukrainerinnen und Ukrainer betrachten jede Bombardierung, jeden Drohnenangriff auf Wohnhäuser, Schulen, Kliniken als gezielten Schlag gegen ihr Land, ihr Volk, als gezielte Terrorisierung, als: versuchten Völkermord. Und wer brächte es über sich, von ihnen eine andere Lesart zu verlangen?

Und doch ist die militärische Realität oft komplexer. Das Kinderspital liegt neben dem ukrainischen Infrastrukturministerium, das den Transport der Waffen organisiert. Im Norden Kiews trafen russische Raketen Wohnhäuser, vor allem aber trafen sie die Artem-Munitionsfabrik in der Nachbarschaft. In Frontnähe sind militärische und zivile Infrastruktur noch dichter nebeneinander. In den Dörfern des Donbass leben Soldaten mit Zivilisten oft Tür an Tür. In Städten wie Kramatorsk oder Pokrowsk übernachten sie in Hotels, kaufen in Supermärkten ein, stationieren Panzer unter Brücken oder in Parks.

Insofern ist es nicht völlig ausgeschlossen, dass Russland ein anderes Ziel verfolgt hat als die Zerstörung des Kinderspitals. Sehr klar hingegen dürfte sein, dass die Bilder der kleinen Krebspatienten den Kreml in keine moralischen Nöte stürzen: Selbst wenn die russische Führung die Bombardierung des Ochmatdyt nicht geplant hat, so nimmt sie diese durch ihre Art der Kriegsführung in Kauf.