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Ukraine-Blog
Auch Kinder werden in Russland verfolgt und bestraft

Sie stellt sich als Wohltäterin dar: Die russische Kinderrechtskommissarin Maria Lwowa-Belowa (rechts) und eine Gruppe von verschleppten Kindern aus Mariupol bei ihrer Ankunft in Moskau im Herbst 2022.
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Russland geht unerbittlich gegen Kremlkritiker und Kriegsgegner vor. Wer etwa «Falschnachrichten» über den Angriffskrieg in der Ukraine verbreitet, dem drohen bis zu 15 Jahre Haft. Wie ein neuer Bericht der Menschenrechts­organisation Amnesty International zeigt, geraten zunehmend auch Kinder in den Fokus der Strafverfolgungs­behörden.

«Die russischen Behörden verweigern Kindern das Recht auf freie Meinungsäusserung», steht in dem Bericht. Sie setzten Drohungen und Repressalien gegen Kinder wie auch ihre Eltern ein. Ausserdem sind Fälle dokumentiert, in denen Minderjährige strafrechtlich verfolgt wurden.

«Kinder werden als Instrument genutzt, um Druck auf kriegskritische Erwachsene auszuüben», schreibt Amnesty International. Die Behörden wenden mehrere Formen der Repressionen an: So trenne man Kinder zum Beispiel von ihren Eltern oder drohe mit dem Entzug des Sorgerechts. In manchen Fällen wurden Kinder auch in Kinderheimen untergebracht.

10-Jährige während sechs Stunden verhört

Die Organisation beschreibt etwa den Fall der zehnjährigen Varvara Galkina. Das Mädchen hatte auf Whatsapp ein Profilbild einer proukrainischen Zeichnung im Anime-Stil. Am 5. Oktober 2022 seien Varvara und ihre jüngere Schwester während einer Schulstunde von Beamten abgeholt worden. Dann mussten sie mit ihrem Telefon ihre Mutter, Elena Jolicoeur, anrufen.

Jolicoeur wurde von einem anwesenden Polizisten bedroht: Sie müsse innerhalb von drei Stunden in die Schule kommen. Tauche sie nicht auf, würden Varvara und ihre Schwester in eine Haftanstalt gebracht werden. «Und Sie wissen, dass ihnen dort alles Mögliche passieren kann.»

Anschliessend mussten sich die alleinerziehende Mutter und ihre Töchter während sechs Stunden den Fragen der Beamten stellen. Wenig später wurde eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Dies geschah unter dem Vorwand, «die Lebensbedingungen des Kindes zu untersuchen».

Nachdem sie zur Teilnahme an einem «präventiven» Programm für «Eltern, die ihre Pflichten nicht ordnungsgemäss erfüllen», verpflichtet worden war, floh Elena Jolicoeur mit ihren beiden Töchtern aus Angst vor weiterer Verfolgung ins Ausland. «Ich wollte nicht, dass meine Kinder ein Doppelleben führen», sagte sie Amnesty International. «Dass sie so tun, als wären sie mit der Regierung einverstanden.»

16-Jähriger zu sechs Jahren Haft verurteilt

Der Bericht beschreibt auch den Fall des 16-Jährigen Yegor Balazeykin aus St. Petersburg. Im Februar 2023 hatte Balazeykin Flaschen mit Diesel und Benzin auf zwei Zentren für Wehrpflichtige geworfen. Die Molotow­cocktails fingen kein Feuer und verursachten auch keine Schäden.

Dennoch wurde Balazeykin von einem Militärgericht in St. Petersburg wegen «versuchter terroristischer Anschläge» zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Die Anklage wegen Terrorismus sei unbegründet, schreibt Amnesty International: «Sie fügt sich in das allgemeine Muster der willkürlichen oder unverhältnismässigen Bestrafung derjenigen, die sich gegen die Invasion in der Ukraine stellen.»

Auch in den besetzten Gebieten der Ukraine begehen russische Behörden Verletzungen gegen Kinderrechte. So sind seit Beginn der russischen Invasion in die Ukraine zahlreiche Kinder und Jugendliche aus den besetzten ukrainischen Gebieten nach Russland verschleppt worden. Ukrainische Behörden sprechen von bisher knapp 20’000 Fällen. Viele dieser Kinder werden von den Behörden gezielt überwacht, da sie als «terroristisches Risiko» gelten.

Abkommen für die Rechte von Kindern unterzeichnet

In Russland sind die Rechte von Kindern und Eltern eigentlich gesetzlich festgehalten. Das Land unterzeichnete mehrere internationale Abkommen, etwa das Übereinkommen über die Rechte des Kindes. Oder den internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte.

Diese Übereinkommen garantieren unter anderem jedem Kind das Recht auf freie Meinungsäusserung und auf Gedankenfreiheit. Ausserdem verbietet es willkürliche oder rechtswidrige Eingriffe in die Privatsphäre, die Familie oder die Wohnung.

«Wie in vielen anderen Bereichen der Menschenrechte in Russland sind die Rechte von Kindern und Eltern auf dem Papier relativ gut geschützt», schreibt Amnesty International. In der Praxis werden diese aber «häufig verletzt».

Repressionen «häufiger und erheblich härter»

Die Verfolgung von regierungskritischen Kindern und ihren Eltern habe bereits vor dem Krieg stattgefunden, schreibt Amnesty International weiter. Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs seien die Repressionen jedoch bedeutend «häufiger und erheblich härter» geworden.

Zwar spreche der Kreml gerne über Familienwerte, sagt Oleg Koslowski, Russland-Experte bei Amnesty International, in dem Bericht. «Doch in der Praxis beutet er diese Bindung zwischen Kindern und ihren Eltern schamlos aus, um kritische Stimmen zu unterdrücken.»