Turbulente Zeiten am HimmelUkraine-Krieg verteuert das Fliegen mit der Swiss
Der Schweizer Fluglinie machen nach der Pandemie nun Putins Invasion und der hohe Kerosinpreis zu schaffen. Konsumentinnen und Konsumenten werden das zu spüren bekommen.
Gerne würde er diese Präsentation anders eröffnen. Das sagt Dieter Vranckx, der Chef der Fluggesellschaft Swiss. «Es ist unfassbar, was derzeit in der Ukraine passiert. Wir sind in Gedanken ganz fest bei den betroffenen Menschen.»
Bis vor zwei Wochen hat sich am Horizont ein Hoffnungsschimmer für die Flugbranche abgezeichnet. Doch nun sind die Aussichten getrübt. Die geopolitische Situation sei auch geschäftlich eine Herausforderung, sagte Vranckx am Donnerstag bei der Präsentation der Jahreszahlen.
Diese sind durchzogen. Erneut schreibt die Swiss tiefrote Zahlen. 428 Millionen Franken hat sie im vergangenen Jahr verbrannt. Zum Vergleich: 2019 verbuchte die Swiss noch einen Gewinn von 578 Millionen Franken. Andererseits fällt das Ergebnis weitaus besser aus als im ersten Pandemiejahr.
Mit welchen Herausforderungen ist die Swiss konfrontiert? Ein Überblick.
Welche Auswirkungen hat der Ukraine-Krieg aufs Fluggeschäft?
Die Swiss hat die Flüge in die Ukraine vor eineinhalb Wochen eingestellt, wenige Tage vor Beginn des offenen Krieges. Auch Russland wird nicht mehr angeflogen. Das führt nur zu kleineren Umsatzeinbussen, da derzeit wegen Reisebeschränkungen im Zusammenhang mit der Pandemie nur wenige Leute aus Russland in die Schweiz reisen.
Weitaus stärker ins Gewicht fällt, dass die Swiss den russischen Luftraum nicht mehr überfliegen darf. Deshalb müssen auf Flügen zwischen Europa und Asien lange Umwege in Kauf genommen werden. Die Reisezeiten verlängern sich um bis zu drei Stunden. Die Folge ist ein höherer Treibstoffverbrauch. Wenn mehr Kerosin getankt werden muss, kann wiederum weniger Fracht zugeladen werden. All das treibt die Kosten auf den betroffenen Verbindungen nach Shanghai, Peking und Tokio in die Höhe.
Mit dem Ausbruch des Krieges sind zudem kurzfristig die Buchungen eingebrochen. Im Ferien-Reiseverkehr in Europa dürfte sich die Lage normalisieren, solange der Krieg nicht weiter eskaliert. Fraglich ist jedoch, ob viele Touristen aus Asien und Nordamerika zu Kriegszeiten in die Schweiz reisen.
Bezahlt man bald mehr für Flugtickets?
Der Konflikt um die Ukraine hat dazu beigetragen, dass der Kerosinpreis stark gestiegen ist. Reisende müssen sich deshalb auf höhere Kosten einstellen. Um die finanziellen Ziele zu erreichen, seien Anpassungen bei den Ticketpreisen nötig, sagt Swiss-Finanzchef Markus Binkert. Kommerzchef Tamur Goudarzi Pour betont allerdings, dass nicht alle Tickets teurer würden. Es gebe weiterhin Sonderangebote und Rabatte.
Welche Ziele setzt sich die Swiss fürs laufende Jahr?
Die Swiss will in diesem Jahr 80 Prozent der Sitzkapazitäten von 2019 anbieten. Sie setzt sich zum Ziel, den in der Pandemie immer wieder durchgerüttelten Flugplan zu stabilisieren. Und sie will die Servicequalität verbessern. Angeboten werden Flüge zu 93 Kurzstrecken- und 26 Langstreckenzielen. Zum Einsatz kommen 59 Flugzeuge für nähere Ziele und 26 Maschinen für Langstreckenflüge.
Im laufenden Jahr will die Fluggesellschaft keine Verluste mehr schreiben. Ab nächstem Jahr werden Gewinne erwartet. Dies auch, weil die Swiss stark auf die Kostenbremse getreten ist: Unter anderem reduziert sie die Flotte um 15 Prozent. Dadurch könnten «nachhaltig 500 Millionen Franken Kosten eingespart werden», sagte Finanzchef Binkert. Der Geldabfluss sei gestoppt worden.
Wie viel ist die Swiss im zweiten Corona-Jahr geflogen?
Zwar hat die Anzahl Flüge im vergangenen Jahr wieder zugenommen: Gut 56’000-mal hoben Swiss-Flugzeuge mit insgesamt sechs Millionen Passagieren ab. Die Swiss hat grosse Mengen heikler Fracht wie Corona-Impfstoffe transportiert. Nur dank diesem Geschäftsbereich musste das Fernflugangebot nicht stärker ausgedünnt werden.
Doch noch immer konnte das Unternehmen nicht annähernd so viel fliegen wie vor der Pandemie. Am besten lief es während des Sommerhalbjahrs, als die Swiss insbesondere Ferienziele im südlichen Europa anfliegen konnte. Die Kundschaft hat sich grundlegend verändert: Heute sind weitaus mehr Freizeit- als Geschäftsreisende unterwegs.
Wie viele Angestellte hat die Swiss entlassen?
Die Swiss hat innert eines Jahres 1700 Vollzeitstellen abgebaut. Zwei Drittel der Abgänge erfolgten laut dem Unternehmen über «freiwillige Massnahmen und durch natürliche Fluktuation». Gut 550 Personen erhielten im Sommer die Kündigung. Das sind 200 Entlassungen weniger als ursprünglich erwartet. Zudem werden voraussichtlich rund 150 Personen entlassen, die sich nicht gegen Corona impfen lassen wollten.
Besonders hart traf es das Kabinenpersonal: Im Sommer hat sich die Swiss von 334 Personen getrennt. Vor einem Monat kündigte das Unternehmen an, im Lauf des Jahres bereits wieder zahlreiche Flight-Attendants einstellen zu wollen.
Anders bei den weitaus besser bezahlten Piloten: Die Swiss versuchte sie zu halten. Damit sie einsatzfähig bleiben, investierte die Fluggesellschaft während der Pandemie in die Fortbildung. Der Staat trug das Seine dazu bei: Bis vor wenigen Tagen bezog die Swiss für die Piloten Kurzarbeitsentschädigung.
Hat die Swiss die Notkredite zurückbezahlt?
Die Swiss und ihre Schwestergesellschaft Edelweiss erhielten im Sommer 2020 von den Banken einen Notkredit in der Höhe von 1,5 Milliarden Franken, für den die Eidgenossenschaft zu 85 Prozent bürgt. Die Swiss habe zu keiner Zeit mehr als die Hälfte des Kredits in Anspruch genommen, sagte Finanzchef Binkert. Der bezogene Betrag sei gegen Jahresende «zunehmend reduziert worden». Noch immer hält die Fluggesellschaft einen Kredit in der Höhe von 400 Millionen Franken.
Anders die Muttergesellschaft, die Lufthansa-Gruppe in Deutschland: Sie hat eine Aktienkapitalerhöhung durchgeführt, um damit die Notkredite abzubezahlen – und so die Politik wieder loszuwerden.
Gibt es wieder einen Gesamtarbeitsvertrag für die Piloten?
Die Swiss hat im letzten Jahr den bestehenden Gesamtarbeitsvertrag des Cockpitpersonals auf Ende März gekündigt. Eigentlich sollte ein neuer Vertrag seit Februar unter Dach und Fach sein. Doch bislang konnten sich die Swiss und ihr Sozialpartner nicht einigen. «Wir sitzen weiterhin gemeinsam am Tisch», sagte Dieter Vranckx. In den vergangenen Wochen sei man einer Einigung näher gekommen. Er sei zuversichtlich, dass die Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen werden könnten.
Wie soll die Swiss ökologischer werden?
Die Swiss investiert in die Erneuerung der Flotte. So hat sie 5 von 25 Flugzeuge des Typs A320neo von Airbus in Betrieb genommen. Neue Flugzeuge stossen rund 20 Prozent weniger CO2 aus als ältere, wie Vranckx ausführte.
Bis in acht Jahren will die Fluggesellschaft nur noch halb so viel CO2 ausstossen als noch vor der Pandemie. Und bis 2050 soll das Netto-null-Ziel erreicht werden. Eine Massnahme: Alle Boeing 777 werden mit einer Hightech-Folie beklebt, die die strömungsgünstige Haifischhaut imitiert. Zudem wird der Flugbetrieb optimiert.
Ab dem nächsten Sommer will die Swiss ausserdem das neuartige Kerosin des ETH-Spin-offs Synhelion nutzen: «Wir werden als erste Fluggesellschaft weltweit mit Solar-Treibstoff unterwegs sein», sagte Dieter Vranckx. Um die Klimaziele zu erreichen, muss zusätzlich viel CO2 mittels Klimaschutzprojekten kompensiert werden.
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