Ukraine-Blog: Fotos, Fakes und Fragen«Ich brauche meinen Mann, keine historische Persönlichkeit»
In einem Interview mit der BBC gewährt die ukrainische First Lady Olena Selenska persönliche Einblicke in das Leben der Präsidentenfamilie. Sie sagt auch, was das Schwierigste für ihre Kinder im Krieg ist.
Wenn Olena Selenska in der Öffentlichkeit auftritt, liegt der Fokus meist auf den Anliegen der Ukraine. Den Ängsten der Menschen, Waffenlieferungen oder den Gräueltaten der russischen Soldaten. In einem Interview mit dem britischen Fernsehsender BBC offenbart die ukrainische First Lady nun aber, wie der Krieg ihren Familienalltag verändert hat. Und sie spricht auch über die Beziehung zu ihrem Mann, dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski: «Das mag ein bisschen egoistisch sein, aber ich brauche meinen Mann an meiner Seite, keine historische Persönlichkeit», sagte sie.
Derzeit sei die Familie getrennt, so Selenska gegenüber der BBC: «Wir leben nicht mit meinem Mann zusammen. Wir haben die Gelegenheit, uns zu sehen, aber nicht so oft, wie wir möchten. Vor allem mein Sohn vermisst seinen Vater.» Für ihre beiden Kinder – 19 und 10 Jahre alt – sei der Krieg eine grosse emotionale Belastung. «Es schmerzt mich, zu sehen, dass meine Kinder keine Pläne machen. In einem solchen Alter, so junge Menschen», so Selenska. Ihre Tochter träume vom «Reisen, von neuen Empfindungen, Emotionen». Doch dazu habe sie «keine Möglichkeiten».
Bezüglich der Sicherheit der Familie sei ihr bewusst, dass sie, ihr Mann und ihre Kinder ganz oben auf der Liste der Ziele des Kreml stehen. Trotzdem gebe es Zeitfenster, in denen man sich gewisse Dinge erlauben könne: «Diese existieren, und wir versuchen irgendwie, in diesen zu leben.»
«Ein ständiges Gefühl von Adrenalin»
Als Russland im Februar 2022 in die Ukraine eingefallen sei, habe sie sich monatelang mit ihren Kindern an geheimen Orten versteckt. Ihren emotionalen Zustand damals beschreibt sie gegenüber der BBC als «ein ständiges Gefühl von Adrenalin». Nachdem einige Zeit verstrichen sei, habe sie es jedoch als «notwendig» betrachtet, sich zu beruhigen und ein Leben unter «den bestehenden Bedingungen» zu beginnen.
Im Juni, knapp vier Monate nach dem Start der Invasion, hatte sie ihren ersten öffentlichen Auftritt. Und zwar zum Muttertag neben Jill Biden. Die amerikanische First Lady hat sie im Westen der Ukraine getroffen. Die Bilder des Treffens gingen damals um die Welt. «Ins Rampenlicht zu treten, war für mich ziemlich schwierig», sagte sie später in einem Interview mit dem US-Magazin «Vogue». Sie möge es eigentlich mehr, «im Hintergrund zu bleiben».
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Durch den Krieg ist Olena Selenska nun aber in den Fokus der Weltöffentlichkeit gerutscht: Sie macht weltweit auf die Lage in der Ukraine aufmerksam. Sie war schon Ehrengast beim Europäischen Parlament und hielt eine eindringliche Rede vor dem US-Kongress. Es ist eine Position, mit der sie nicht gerechnet hatte: «Niemand hat es für möglich gehalten, dass im 21. Jahrhundert ein solch grausamer Krieg mitten in Europa entfesselt wird. Ich hätte mir also nie vorstellen können, dass ich einmal in dieser Rolle sein würde.»
Olena Selenska und Wolodimir Selenski lernten sich in der Schule kennen und wurden in jungen Jahren ein Paar. Vor dem Krieg arbeitete sie als Drehbuchautorin – unter anderem bei der von Selenski gegründeten Produktionsfirma. Dass ihr Mann einmal zu einer «historischen Figur» werden würde, hätte sie sich nie träumen lassen, so Selenska gegenüber der BBC. Sie vermisse ihn zwar als Ehemann an ihrer Seite – trotzdem sei sie sich sicher, dass sie die Hürden als Familie meistern würden: «Wir bleiben stark, wir haben sowohl emotionale als auch körperliche Stärke.»
Ihr Mann habe wirklich «die Energie, die Willenskraft, die Inspiration und die Hartnäckigkeit», diesen Krieg durchzustehen: «Für jeden anderen Menschen, den ich kenne, wäre diese Situation, glaube ich, viel schwieriger. Er ist wirklich ein sehr starker und widerstandsfähiger Mensch.»
Was die Zukunft angeht, können die Ukrainer und Ukrainerinnen laut Selenska kein Vertrauen haben. Dennoch seien sie zuversichtlich: «Wir haben grosse Hoffnungen auf den Sieg, aber wir wissen nicht, wann er kommt. Und dieses lange Warten, der ständige Stress, das fordert seinen Tribut.»
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