Einsatzbereite GasturbinenÜberraschende Option, um die drohende Stromlücke abzuwenden
In der Schweiz drohen Strommangellagen. Nun zeigt sich: Im Aargau steht eine Testanlage für Gasturbinen, die im Notfall Strom liefern könnte. Der Bund hat Interesse – und nicht nur er.
Braucht die Schweiz Gaskraftwerke? Die Frage ist neu aufgeflammt, nachdem eine Studie des Bundes im Herbst vor einer möglichen Strommangellage in den Wintermonaten ab 2025 gewarnt hatte.
Eine überraschende Option eröffnet sich nun im Kanton Aargau. In der Gemeinde Birr steht bereits ein Gaskraftwerk, genauer: ein Testzentrum für Gasturbinen. Es hat in etwa dieselbe Leistung wie die beiden Blöcke des Kernkraftwerks Beznau, das pro Jahr rund 6 Terawattstunden Strom produziert. Das entspricht etwa 10 Prozent des Landesverbrauchs.
Das Testzentrum ist ans gewöhnliche Stromnetz angeschlossen. Läuft es, fliesst der produzierte Strom dorthin. Dem Bundesamt für Energie ist das Werk bekannt. «Grundsätzlich wäre es vorstellbar, diese Gasturbinen bei Bedarf als Reservekapazität einzusetzen», sagt Geschäftsleitungsmitglied Marianne Zünd.
Ein Neubau würde Jahre dauern
Auch der Kanton Aargau zeigt Interesse. «Vor allem als kurzfristige Lösung kann das Werk sinnvoll sein», sagt Adrian Fahrni, Leiter der Abteilung Energie im Departement von FDP-Regierungsrat Stephan Attiger. Das Werk stehe bereits, ein Neubau auf der grünen Wiese würde dagegen viel Zeit beanspruchen. Fahrni spricht von mindestens vier Jahren. Vor 2025 wäre ein solches Projekt also nicht realisiert.
Ins Spiel gebracht haben die Option Birr sechs Aargauer Kantonsparlamentarier. Sie haben jüngst parteiübergreifend eine Interpellation eingereicht. Die Politiker wollen ausloten, ob es für den Regierungsrat infrage kommt, ein Abkommen für die Nutzung dieser Anlagen als Kapazitätsreserve für den Winter abzuschliessen.
Attigers Departement wird nun auf die Besitzer des Testzentrums zugehen, wie Fahrni sagt. Dabei handelt es sich um Ansaldo Energia, ein italienisches Unternehmen für Energietechnik. Ansaldo-Chef Gerd Albiez hat sich im SRF-«Regionaljournal» bereit gezeigt, Gespräche zu führen.
Alles hängt vom Bundesrat ab
Ob Birr zu einem ernsthaften Kandidaten wird, ist damit aber noch längst nicht gesagt. Darauf weisen das Bundesamt für Energie und Attigers Departement mit Nachdruck hin. Es gibt noch viele offene Fragen: Ist die Infrastruktur geeignet? Braucht es technische Anpassungen? Ist der Gasanschluss richtig dimensioniert? Sind die notwendigen Gaslieferungen gesichert, oder ist zum Beispiel ein Gaslager vor Ort notwendig? Lässt sich das Werk klimaneutral betreiben? Wer finanziert das Projekt?
Sicher ist: Das Thema Stromversorgungssicherheit ist auf der politischen Agenda zuletzt nach oben gerückt. Die Elcom, die Hüterin über die Stromversorgung, hat für den Bundesrat inzwischen ein «Konzept Spitzenlast-Gaskraftwerk» ausgearbeitet. Der Bundesrat wird sich demnächst damit befassen.
Es wird massgeblich von seinen Beschlüssen abhängen, inwieweit die Testanlage in Birr als Projekt für die Sicherung der Stromversorgung konkretisiert wird. Nicht bekannt ist, ob die Anlage in Birr Teil des Elcom-Konzepts ist.
«Die Frage der Versorgungssicherheit ist die wichtigste Herausforderung der schweizerischen Energiepolitik.»
Politisch wächst derweil der Druck, eine Strategie zur Vermeidung von Strommangellagen auszuarbeiten. «Es ist wichtig, die Wissensgrundlagen für die Versorgungssicherheit des Landes zu erarbeiten», sagt Nationalrat Christian Imark.
Der SVP-Politiker hat dazu zwei umfangreiche Kataloge mit Fragen ausgearbeitet, die er dem Bundesrat unterbreiten möchte. Der eine thematisiert Gas, der andere Kernkraft. Die SVP will dazu das Neubauverbot aufheben.
Imark will in der nächsten Sitzung der nationalrätlichen Umweltkommission eine Mehrheit für dieses Vorgehen gewinnen. Er ist überzeugt, dass er damit durchdringen wird. Die Frage der Versorgungssicherheit sei die wichtigste und dringlichste Herausforderung der schweizerischen Energiepolitik. «Wer kann schon dagegen sein, schlauer zu werden?»
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