Überlebende berichten vom Massaker«Ich beschmierte mich mit Blut und stellte mich drei Stunden lang tot»
Augenzeugen des verheerenden Hamas-Angriffs auf ein Technofestival nahe dem Gazastreifen berichten, wie sie überlebten.
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Tage nachdem mindestens 260 Raver an einem Festival in der Nähe der Grenze zu Gaza ermordet und weitere entführt worden sind, berichten immer mehr Überlebende, wie sie sich retten konnten. Mittlerweile ist auch die Vorgehensweise der Terroristen am Festival klarer:
Die Party wurde etwa vier Kilometer von der Grenze zum Gazastreifen auf einem freien Feld abgehalten. Um ca. 6 Uhr morgens war gerade die Sonne aufgegangen und der Main Act spielte, als die Bomben fielen und die Terroristen die Feiernden mit Pick-ups und Motorrädern umzingelten. Videos von israelischen Ersthelfern in den sozialen Medien zeigen bewaffnete Männer, die in Panik fliehende Menschen erschiessen. Viele Opfer wurden von hinten erschossen. Dies sind Geschichten von Überlebenden, die in verschiedenen Medien publiziert wurden.
«Kennst du die Geschichten über den Holocaust, in denen Menschen so taten, als wären sie tot?»
Auf Instagram berichtet eine Frau namens May Hayat ihre Geschichte, die hier verkürzt wiedergegeben wird: «Ich arbeitete mit meiner Freundin Liron an der Bar an der Nova-Party. Wir waren die ganze Nacht bis am Morgen zusammen, wir hatten so viel Spass. Es gab einen wunderschönen Sonnenaufgang, und wir gingen zu unserem Wohnwagen, um Kaffee zu trinken und uns auszuruhen.
Dann begann der Albtraum. (...) Plötzlich bekomme ich einen Anruf von einer Freundin, die sagt, dass sie und alle, die von der Party nach Hause gefahren seien, erschossen würden. (…) Es herrschte Chaos. Wir versteckten uns im Kommandoraum der Polizei und setzten uns alle auf den Boden. Manche weinten, manche schrien, manche bekamen Angstanfälle und manche schwiegen völlig. (...) Der Lärm der Schüsse kam näher, die Polizisten standen mit ihren Waffen in der Tür und riefen ‹Sturm!›. Sie rannten raus und wurden einer nach dem anderen erschossen.
Wir stürmten aus dem Raum und rannten zum Schlachtfeld, beim Rennen drehte ich mich um und sah Liron. Sie kam nicht mit. Schüsse kamen aus allen Richtungen, von rechts, links, hinter und vor uns. Ich sah jemand, der uns zurief: ‹Kommt her, da ist es sicherer.› Ich rannte auf ihn zu, niemand kam mit. Wir entdeckten ein Loch im Boden, wo wir uns versteckten. Wir hielten uns an den Händen und beteten.
Ich sagte zu ihm: ‹Kennst du die Geschichten über den Holocaust, in denen Menschen so taten, als wären sie tot?› Er bedeckte uns mit Sand und wir verharrten so etwa eine Stunde lang, bis wir Schritte auf uns zukommen hörten. Acht Terroristen standen vor uns, sie hatten uns gefunden. Ich schloss die Augen, war sicher, sie würden uns erschiessen. Aber dann packten sie uns.
Einer der Terroristen fing an, auf Arabisch mit mir zu reden. Ich sagte ihm, dass ich ihn nicht verstehen könne. Ich schrie nicht, wurde nicht wahnsinnig, sondern apathisch. Er legte mir seine Jacke über die Schultern. Die anderen starrten mich an wie ein Stück Fleisch, weil ich ein Tanktop trug. In einer Hand hielt der Terrorist meine Hand, in der anderen eine Panzerfaust. Wir gingen los und ich sah, dass sie am Boden nach Zigaretten und Getränken suchten. Also half ich ihnen. Ich wollte keinen Widerstand leisten.
«Ich legte mich neben drei tote Menschen. Ich beschmierte mich mit dem Blut, das von einem der Körper neben mir tropfte, und stellte mich drei Stunden lang tot.»
Der Typ, der bei mir war, hörte nicht auf zu weinen und um sein Leben zu betteln. Ich versuchte, ihm zu erklären, dass er aufhören müsse, wenn er überleben wolle. Zuerst gehorchte er, aber sehr schnell fiel er wieder auf die Knie und bettelte erneut um sein Leben. Und dann – schrie er nicht mehr. Sie ermordeten ihn vor meinen Augen.
Wir gingen auf eines ihrer Fahrzeuge zu, und zum Glück sprangen sie nicht an. Ich blieb stehen, und der Terrorist, der mich ‹unter seine Fittiche› genommen hatte, sagte mir, ich könne gehen. Ich fing einfach an zu laufen. Ich versteckte mich unter der Partybühne und legte mich neben drei tote Menschen. Ich beschmierte mich mit dem Blut, das von einem der Körper neben mir tropfte, und stellte mich drei Stunden lang tot.
Drei Stunden, die sich wie eine Ewigkeit anfühlten. Drei Stunden, in denen Terroristen an mir vorbeigehen und überall schiessen. Drei Stunden lang liege ich zwischen Leichen und frage mich, was mit mir passieren wird.
Und plötzlich hörte ich Leute Hebräisch reden. Ich schrie laut ‹Hilfe!›. Es waren Soldaten der israelischen Armee, zusammen mit anderen Überlebenden brachten sie mich zu einem Wohnwagen. Aber Liron, erinnern Sie sich an Liron vom Anfang der Geschichte? Meine Freundin. Sie haben sie getötet. Die Getöteten sind meine Helden, und leider wird niemand sie jemals zurückbringen können.»
«Flieh einfach. Viel Glück!»
In der «Hindustan Times» berichtet ein Mann namens Sahar Ben Sela, wie er von einer Gruppe von 30 Personen als Einziger mit dem Leben davonkam:
«Sie stoppten die Musik und die Organisatoren der Party schrien, dass Terroristen da seien.» Ben Sela versuchte, mit etwa zehn Freunden zu entkommen, bis ein Polizist sie zu einem Luftschutzbunker führte. «Da waren etwa 30 von uns. Nach ein paar Minuten begannen die Terroristen, auf uns zu schiessen, und töteten den Polizisten direkt vor unseren Augen. Sie warfen eine Handgranate, die am Eingang explodierte. Nach etwa einer Minute, in der geschrien und gebetet wurde, warfen sie eine weitere Granate, ich wurde am Kopf getroffen. Ich stand an der Wand in der zweiten Reihe von Leuten. Die Granate traf die Menschen vorne, das rettete uns.
Nach einer halben Minute versuchte eine Freundin aus dem Bunker zu kommen, weil sie fast erstickte vom Rauch. Sie rannte direkt auf einen Terroristen zu und wurde sofort erschossen. Der Terrorist kam in den Bunker, ich glaube, mit einer Uzi, und begann zu schiessen. Jeder in der ersten und der zweiten Reihe wurde getötet ausser mir. Eine Kugel traf mich am Ellbogen und Granatsplitter am Bein und in der Lunge. Ich glaube, die Waffe hatte eine Ladehemmung, denn ich hörte ein Geräusch, und er rannte hinaus.
Einige Minuten später kam ein anderer Überlebender und sagte mir, die Luft sei rein. Ich folgte ihm und suchte am Boden nach einer Waffe, aber fand keine. Ich konnte einen Polizisten über Funk kontaktieren und sagte ihm, es gebe Tote und Verwundete. Er sagte mir: ‹Flieh einfach. Viel Glück!›»
«Der Busch verbarg mich so gut, dass sogar Vögel darauf landeten»
Die 25-jährige Maya Alper berichtete ihre Geschichte ABC News. Alper arbeitete um sechs Uhr früh ebenfalls an der Bar und verteilte Wodka-Shots an Partygänger, die ihre Becher zurückbrachten, als sie den Raketenalarm hörte. Sie rannte sofort zum Auto und steuerte auf die Hauptstrasse zu, wurde aber von anderen Wagen aufgehalten, deren Fahrer ihr zuriefen, sie solle umdrehen. Sie hörte Geräusche: Feuerwerk? Männer und Frauen, die in Panik die Strasse entlangstrauchelten, stürzten direkt vor ihr in Blutlachen auf den Boden. Gewehrschüsse.
Während vor ihr ein Blutbad angerichtet wurde, holte Alper ein paar verwirrt wirkende Partygänger zu sich ins Auto und beschleunigte in die entgegengesetzte Richtung. Eine Frau sagte, ein Terrorist habe gerade ihre Freundin vor ihren Augen erschossen. Ein Mann schaukelte auf seinem Sitz und murmelte: «Wir werden sterben.»
Im Rückspiegel sah sie, wie sich der Dancefloor in eine Wolke aus schwarzem Rauch verwandelte.
Im Rückspiegel sah Alper, wie sich der Dancefloor in eine Wolke aus schwarzem Rauch verwandelte. Partygänger, die es zu ihren Autos geschafft hatten, steckten im Stau fest, während Terroristen von Auto zu Auto gingen und die Insassen niederschossen. Nirgends war es sicher, so erzählt Alper. Das Dröhnen von Explosionen, hysterischen Schreien und automatischen Schüssen kam immer näher, je weiter sie fuhr. Als ein Mann nur Meter von ihr entfernt rief «Gott ist gross!», stürzten Alper und ihre Gefährten aus dem Auto und rannten über das offene Feld auf eine Ansammlung von Büschen zu.
Da ihr bewusst war, dass sie den bewaffneten Männern nicht entkommen würde, stürzte Alper sich in ein Gewirr von Büschen. Als sie durch die Dornen spähte, sah sie, wie einer ihrer Passagiere, die junge Frau, die ihre Freundin verloren hatte, aufschrie und zusammenbrach. Ein Schütze stand grinsend über ihrem schlaffen Körper. Alper, eine Yoga-Anhängerin, die Meditation praktiziert, konzentrierte sich auf ihren Atem: «Atmen und beten auf jede erdenkliche Art und Weise. Jedes Mal, wenn ich an Wut, Angst oder Rache dachte, atmete ich es aus. Ich versuchte, daran zu denken, wofür ich dankbar war – den Busch, der mich so gut verbarg, dass sogar Vögel darauf landeten, die Vögel, die noch sangen, den Himmel, der so blau war.»
Als sie das Geräusch einer israelischen Panzergranate hörte, wusste sie, dass sie in Sicherheit war. Sie schrie um Hilfe, und bald hoben Soldaten sie aus dem Busch. Daneben lag der leblose Körper einer ihrer Freundinnen. «Das ist nicht nur Krieg. Das ist die Hölle», sagt Alper. «Aber in dieser Hölle habe ich immer noch das Gefühl, dass wir uns irgendwie dafür entscheiden können, aus Liebe und nicht nur aus Angst zu handeln.»
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