Hohes Burn-out-RisikoMehrheit der Schweizer leidet an Erschöpfung und Müdigkeit
Eine neue Studie zeigt, dass die Schweizer Bevölkerung sich vermehrt ausgelaugt und nicht vollkommen gesund fühlt. Und dass immer mehr Menschen ein Burn-out erleiden.
Nur 15 Prozent der Personen, die für die aktuelle Gesundheitsbefragung der CSS interviewt wurden, schätzten ihre gesundheitliche Verfassung als sehr gut ein. Das sind weniger als jemals zuvor. Ein Grossteil fühlt sich müde, erschöpft und gestresst. 35 Prozent der Befragten gaben gar an, sich krank oder nicht vollständig gesund zu fühlen.
Immer mehr Menschen erleiden Burn-out
Über alle Altersgruppen hinweg betrachtet, gaben 68 Prozent der Befragten an, häufig erschöpft und müde zu sein, wie es weiter heisst. Drei Viertel der Befragten haben laut Studie der CSS das Gefühl, immer gesund und leistungsfähig sein zu müssen. Das schlage sich in anhaltender Erschöpfung nieder. Und immer mehr Menschen hätten eine Burn-out-Erfahrung.
«Ein Burn-out entsteht schleichend», sagt der Psychiater Michael Pfaff. Diese Redaktion hat vor zwei Jahren mit ihm über die Thematik gesprochen. Bis Ende Juni 2023 leitete er als Chefarzt die erste Schweizer Klinik, die sich voll und ganz auf Burn-out-Betroffene spezialisiert hat, die Clinica Holistica im Engadin. Bereits zwischen 2019 und 2021 hätten die Zuweisungen um 40 Prozent zugenommen.
Ein Burn-out mache sich nicht sofort bemerkbar: «Jemand erlebt eine Überforderung, verleugnet diese aber, indem er oder sie sich sagt: ‹Das schaffe ich schon, das bekomme ich hin!›» So würden die Sollwerte verstellt und das Leben auf ein anhaltendes Überengagement eingestellt, das dann zum Normalzustand werde.
Langfristiger Stress verändert die Seele
Ein mögliches Burn-out frühzeitig zu erkennen, sei indessen schwierig, da man in der ersten Phase eine Art Euphorie erlebe, erklärt Pfaff. «Bevor man ausbrennt, macht man das Gegenteil: Man entflammt.» Ein erstes Symptom sei, dass man nicht mehr erholungsfähig sei und keinen angenehmen Zustand von Entspanntheit und Ruhe finde. Wer diesem Dauerstress langfristig ausgesetzt sei, verforme seinen Grundmechanismus. Pfaff vergleicht diesen Zustand mit einer falschen Körperhaltung: «Mache ich zwei Jahre lang einen tiefen Buckel, werde ich ihn auch nicht mehr so schnell wieder los. Die Wirbelsäule, die Bänder und die Sehnen haben sich an diesen Zustand angepasst.» Mit der Seele sei es nicht anders.
Stress werde auch körperlich erlebt und habe deswegen nicht nur auf die psychische Gesundheit negative Auswirkungen. Neben Depressionen, Angststörungen und psychosomatischen Erkrankungen müsse man deshalb eigentlich auch Diabetes und Herzinfarkt als körperliche Stressfolge diagnostizieren, findet der Psychiater.
Die CSS-Studie kommt zum Schluss, dass das Schweizer Volk sich insgesamt noch immer weniger gesund fühlt als vor der Covid-Pandemie. Insbesondere bei den 18- bis 36-Jährigen treffe das inzwischen auf die breite Mehrheit zu – lediglich ein Fünftel dieser Altersgruppe gebe an, sich «sehr gesund» zu fühlen. Im vergangenen Jahr waren es noch 27 Prozent.
Leistungsdruck bei der Arbeit
Es zeigten sich dennoch gewisse Lichtblicke bei der psychischen Verfassung der jüngeren Menschen. Demgegenüber stehe jedoch die zunehmende Wahrnehmung von Leistungsdruck bei der Arbeit, der auf das Privatleben übergreife.
Dies deckt sich mit den Resultaten anderer Studien. Die Schweizerische Gesundheitsbefragung des Bundesamts für Statistik hat zudem herausgefunden, dass Frauen sich etwas gestresster fühlen als Männer. Besonders anfällig für Stress am Arbeitsplatz sind demnach Menschen, die im Gesundheits- oder Sozialwesen arbeiten.
Das Forschungsinstitut Sotomo führte im Auftrag der CSS die Gesundheitsstudie zum fünften Mal durch. Vom 13. bis 21. Juni wurden dafür 2456 Personen online in der deutsch-, französisch- und italienischsprachigen Schweiz befragt.
SDA/jaw/anna
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