TV-Kritik zum «Musicstar»-RevivalBaschis verlorenes Sixpack und Sven Epineys Tränen
SRF holte für eine Jubiläumsshow populäre Ex-«Musicstars» zurück auf die Bühne. Die Erkenntnis nach drei Stunden: Es ist nicht mehr wie früher. Nicht einmal Chris von Rohr.
Es war einmal vor einer gefühlten Ewigkeit: «Musicstar», die erfolgreichste Schweizer Castingshow aller Zeiten. Die Sendung, für die die halbe Schweiz gemeinsam vor dem Fernseher sass, den Telefonhörer in der Hand, um für ihren Liebling anzurufen, damit er oder sie eine Runde weiterkommen möge.
Dramen spielten sich ab, als sich die Konkurrenten Sebastian Bürgin alias Baschi und Katy Winter verliebten und er sie trotzdem aus der Show votete. Oder als die Kantone Bern und Wallis das nationale Telefonnetz an seine Belastungsgrenze brachten, um ihre einheimischen Stars – den Berner Daniel Kandlbauer und die Walliserin Salome Clausen – zum Sieg zu telefonieren; anschliessend fiel man sich in Dorfturnhallen weinend oder jubelnd in die Arme.
Was ist das schon wieder für eine?
Am Samstagabend war nun wieder alles wie früher – oder fast: Zum 20-Jahr-Jubiläum schaute SRF auf die alten «Musicstar»-Zeiten zurück und holte für eine Revivalshow acht der beliebtesten Kandidatinnen und Kandidaten auf die Bühne, die für einen guten Zweck gegeneinander ansangen.
Bei einigen wie Börni Höhn oder Carmen «Fenkmotor» Fenk war da sofort ein Déjà-vu, bei anderen wie Salome Clausen musste man wegen der vielen Tattoos, der dunkleren Haare und des fehlenden Lidstrichs fünf Sekunden länger hinschauen.
Bei anderen hätte man das Suche-die-Unterschiede-Spiel noch eine ganze Weile länger spielen können. So wie bei Baschi, der wehmütig an sein 17-jähriges Sixpack von damals dachte und nach seinem Auftritt ein Glas Wasser brauchte. (was aus den bekanntesten Musicstars geworden ist, lesen Sie hier, Vorher-nachher-Fotos inklusive).
Aus den versprochenen zwei Stunden wurden drei
«Es ist die beste Verjüngungskur, die wir bieten können in nächsten zwei Stunden», behauptete Sven Epiney, der mit Viola Tami durch die Show führte. Aus den zwei Stunden wurden am Ende drei – zähe für die einen, die sich bei der Zeitreise ziemlich alt fühlten und froh waren, dass es kurz vor Ostersonntag wieder zurück in die Gegenwart ging.
Und emotionale Stunden für die anderen, die vielen Nostalgikerinnen und Nostalgiker, die wehmütig an die Zeit denken, in der es noch keine iPhones, Corona-Pandemien, Instagram oder KI gab, dafür Sonntag für Sonntag ein nationales TV-Ereignis, das alle irgendwie vereinte.
Für sie holte das SRF zwischen den Auftritten der acht Ex-«Musicstar»-Teilnehmenden alles heraus, was im Archiv zu finden war: den Moment, als Gölä aus Protest aus der Show stürmte, weil seine Favoritin rausgeflogen war. Oder als ein anderer Juror, Detlef D! Soost, ausgerechnet den «Schnügel» aus Staffel 2 anbrüllte, weil ihm dieser zu wenig motiviert bei der Sache war.
Oder als Chris von Rohr mit Sexvergleichen und Komplimenten wie «affehodetittengeil» um sich schmiss. Dazu gab es schräge Frisuren, Outfits, im Ohr schmerzende Auftritte – alles auf dem schmalen Grat zwischen Fremdschämen und Schwelgen angesiedelt.
Brave Jury und Piero Esteriores Gruss aus Mexiko
Beim Revival im Jetzt blieben die Dramen dafür aus. Detlef D! Soost entschuldigte sich beim Ex-Schnügel für seinen einstigen Ausraster, Katy Winter – Baschis Ex – blieb der Revival-Sendung fern, dafür schaltete sich Piero Esteriore aus einem mexikanischen TV-Studio zu und Daniel Kandlbauer – heute Versicherungsvertreter und Vater – outete sich als Bünzli.
Selbst Chris von Rohr steuerte statt meh Dräck lieber weniger bei: Er könne sich nicht mehr mit dem Juror von damals identifizieren, er wolle einfach alle feiern, das sei bitter nötig in der heutigen Zeit. Also äusserte er nur eine einzige wirkliche Kritik, als Kandidat Leo Ritzmann den Beatles-Song «Yesterday» auf Deutsch interpretierte. «Als Beatles-Fan erster Stunde kommt mir das obsi.»
Danach plätscherte alles wieder im gegenseitigen Wohlwollen vor sich hin. «Merci» sagte Epiney zur Berner Oberländerin Katharina Michel, die «Mercy» gesungen hatte und später von ihren Mitkandidaten zur Siegerin gekürt wurde. Es flossen Tränen der Rührung: Das viele Lob und die Aufmerksamkeit sogen die einstigen «Musicstars» wie ausgetrocknete Schwämme auf, und Sven Epiney weinte gelegentlich mit. Am Ende der drei Stunden blieb die nüchterne Erkenntnis: Die guten alten Zeiten sind definitiv vorbei.
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