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TV-Kritik zum «Club»
«Bald brauchen wir noch ein viertes und fünftes Geschlecht»

«Weshalb ist dieses Thema so emotional aufgeladen?»: «Club»-Moderatorin Barbara Lüthi.
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Nemo Mettler, siegreich am 68. Eurovision Song Contest von Anfang Mai, lancierte das Thema mit viel Gefühl fürs richtige Timing: «Inakzeptabel» sei es, dass nonbinäre Personen in der Schweiz nicht anerkannt würden, sagte Nemo in Malmö vor der Weltöffentlichkeit. Und tatsächlich löste «das Bieler Gesangstalent», wie Nemo in den Medien gerne geschlechtsneutral genannt wird, damit eine Welle von Debatten aus, in die sich nun auch das Polittalk-Format von SRF einschaltete, gut einen Monat später.

«Ist die Schweiz bereit für das dritte Geschlecht?», so der Titel des «Clubs» von Dienstagabend, in dem unter der Leitung von Moderatorin Barbara Lüthi Befürworter und Gegner eines neutralen amtlichen Geschlechtseintrags ihre Argumente darlegten.

Während Andrea Caroni, FDP-Ständerat AR und Vizepräsident der Freisinnigen, gleich zu Beginn sein Bedauern ausdrückte, dass der ESC durch Nemo «so verpolitisiert wurde», hob Frédéric Mader (Co-Präsidium Transgender Network Switzerland) hervor, welche Chance der Nemo-Effekt für die Anliegen der nicht binären Personen darstellt. Tatsächlich wird Nemo in einer Woche Bundesrat Beat Jans treffen können, um für die Sache der Nonbinären zu lobbyieren.

Ein Minderheitenanliegen?

Gänzlich unbeeindruckt von diesem Achtungserfolg zeigte sich Nina Fehr Düsel, SVP-Nationalrätin aus Zürich. Biologisch gesehen gebe es grundsätzlich nur zwei Geschlechter, betonte sie. Sie wies darauf hin, wie ungemein komplex und aufwendig die Einführung eines dritten Geschlechtseintrages wäre; zumal bei Themen wie Versicherungen oder Militärpflicht. Ohnehin herrsche in weiten Teilen der Bevölkerung die Meinung vor, so die SVP-Frau, es werde derzeit zu viel Aufhebens um dieses Minderheitenanliegen gemacht.

«Grundsätzlich zwei Geschlechter»: Nina Fehr Düsel, Zürcher SVP-Nationalrätin.

Urs Vanessa Sager (Vizepräsidium Interaction Suisse) liess dies nicht gelten. Auch wenn es sich bei nonbinären und intergeschlechtlichen Personen um Minderheiten handle, das individuelle Leiden unter der Diskriminierung sei gross – dies müsse die Mehrheit jetzt zur Kenntnis nehmen. Sager wies auf Studien hin, wonach bis zu 30 Prozent der Nonbinären und Transpersonen suizidgefährdet seien.

Der dritte Weg?

Sibel Arslan, Grünen-Nationalrätin aus Basel, argumentiert, es sei die Pflicht der Politik, auch für diese Menschen eine Lösung zu finden. Leider vergassen alle «Club»-Gäste, ebenso Moderatorin Barbara Lüthi, bei Arslan genau nachzufragen, an welche konkreten Lösungen sie denn denke. So blieben viele Aspekte der Umsetzbarkeit eines dritten Geschlechtseintrags auch an diesem Abend offen.

«Das Infragestellen der Geschlechteropposition verunsichert die Menschen»: Frédéric Mader, Co-Präsidium Transgender Network Switzerland.

Nicht ein drittes Geschlecht, aber gewissermassen einen dritten Weg schlug FDP-Ständerat Caroni vor: den Geschlechtseintrag in vielen Bereichen abzuschaffen. So sollte etwa die Militärpflicht für alle Personen gelten und nicht nur für Männer. Auch Frauenquoten in Wirtschaft und Politik sollten wegfallen. Ein dritter Geschlechtseintrag, so argumentierte Caroni, würde nur zu weiteren Problemen führen: «Bald brauchen wir noch ein viertes und fünftes Geschlecht.»

«Weshalb ist dieses Thema so emotional aufgeladen?», fragte Moderatorin Lüthi in die Runde. SVP-Frau Fehr Düsel musste nicht lange nachdenken und nahm für sich in Anspruch, fürs Volk zu sprechen: «Derzeit wird unangemessen oft über diese Genderthemen diskutiert, Gendersternchen, Gendertage – das wollen die Leute nicht.» Ganz anders die Position von Transgender-Vertreter Mader: «Das Infragestellen der Geschlechteropposition verunsichert die Menschen.» Er verstehe dies, meinte Mader – «für mich war das auch so».

Ein dritter Weg? Andrea Caroni, FDP-Ständerat AR und Vizepräsident der Freisinnigen.

Ist die Schweiz bereit für ein drittes Geschlecht? Befürworter und Gegner eines neutralen Geschlechtseintrags debattierten im «Club» grösstenteils gesittet und mit grossem Verständnis für die Argumente und Gefühle der anderen Seite. Doch die zuweilen hochkomplizierte Diskussion von Details und Sonderfällen zeigt, wie anspruchsvoll dieses Thema ist – und in der Tat eine ziemlich grosse Herausforderung für das Land.