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TV-Kritik «Tatort»
Eine Schachkönigin regiert auf Schloss Elmau

Drei Personen spielen Schach in einer Berglandschaft; eine Frau macht einen Schachzug, während zwei ältere Männer zuschauen.
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Der 97. Fall der scheidenden Kultkommissare aus München, Batic (Miroslav Nemec) und Leitmayr (Udo Wachtveitl), spielt im eiskalten Milieu ehrgeiziger Nerds – in der misogynen Szene der internationalen Schachgiganten. Drehbuchautor Robert Löhr hat sich offenbar vom Serienhit «The Queen’s Gambit» inspirieren lassen.

Da passt es, dass «Zugzwang» in den Höhen des bayrischen Luxusresorts Schloss Elmau gedreht wurde, in dem sich sonst Spitzenpolitiker treffen. Um die Abgeschiedenheit perfekt zu machen, funktioniert im Huis-Clos am Fuss des Wettersteingebirges während des Schachturniers auf Weltmeisterniveau nicht mal mehr die Handykommunikation: Ein bewusst eingesetztes Störsignal soll jedem Betrugsversuch von vornherein den Garaus machen. Eine spektakuläre und zugleich klaustrophobische Krimikulisse also für einen klassischen Whodunnit-Plot.

Mann in braunem Anzug hält Zettel hoch, zwei jüngere Männer schauen interessiert, im Hintergrund Fenster mit Rundbogen.

Als zu Beginn des Films eine junge, begabte Schach-Assistentin von einer Balustrade stürzt, könnten es denn auch eine Menge Leute in dem Nobelhotel gewesen sein. Die Rivalen ihrer Chefin, der französischen Schachkönigin Natalie Laurent (Roxane Durant); von denen gibts einige, und sie sind (frauen-)hasserfüllt. Aber auch die schöne Schachkönigin selbst hätte Gründe, ihre Helferin und Geliebte aus dem Weg zu räumen. Oder wählte die junge Frau den Freitod?

Zufällig ist der schachbegeisterte Rechtsmediziner Steinbrecher (Robert Joseph Bartl), der seit 2014 zum Münchner Team gehört, vor Ort und kann den Kommissaren zuarbeiten. In den wenigen Szenen, in denen wir diese Figur hier sehen, wächst sie uns richtiggehend ans Herz: Regisseurin Nina Vukovic gelingt der gar nicht mal so kleine Coup, in der Atmosphäre des wütenden Wettbewerbs, der lauteren und der unlauteren Methoden, mittels Steinbrecher einen warmen Kern zu etablieren. Umso härter trifft uns Steinbrechers Abgang – der eine der überraschenden Wendungen in «Zugzwang» darstellt. Löhr versteht sein Handwerk wie ein Profi-Schachspieler: Er ist uns oft ein paar Schritte voraus.

Nervengift und Stalking-Wahn

Dieser «Schachnovelle» beigemischt hat Löhr das Stalking-Phänomen im Sport, das jüngst wieder unrühmliche Schlagzeilen gemacht hat, als Top-Tennisspielerin Emma Raducanu in Tränen ausbrach; Löhrs fiktiver Fall erinnert zudem an die Attacke eines psychisch kranken Steffi-Graf-Fans auf deren Gegnerin Monica Seles. Als Referenz auf völlig andere Blutbäder kommt hier dann das russische Nervengift Nowitschok zum Einsatz; entsprechend zieht der machtbesessene Macho-Präsident des Schachverbands, der von Menschenrechten nicht viel hält, die Fäden. Der deutsche Turnierveranstalter seinerseits verfolgt eine eigene Agenda.

Kurz: Da wurde schon arg, wirklich arg viel hineingepackt und zusätzlich noch überkandidelte Schach-Esoterik obendrauf. Auch tauchen Schachfiguren bedeutungsschwanger bei den Toten auf wie Mafia-Zeichen. Too much, würde man sagen – hätte Vukovics pulstreibende Inszenierung nicht trotz längerer Erklärungssequenzen richtig Zug. Und das ganz ungezwungen.