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TV-Kritik «Tatort»
Borowski hatte nur einen einzigen Freund – aber viele, viele Fans

Ein Mann und eine Frau sitzen an einem runden Esstisch unter einer warm beleuchteten Lampe, in einem wohnlichen Raum mit beigen Vorhängen.
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Sie müssen jetzt stark sein: «Borowski und die Medusa» ist wirklich die allerletzte Folge mit dem feinsinnig-melancholischen Verbrecherflüsterer Klaus Borowski aus Kiel, den der gebürtige Kieler Axel Milberg 22 Jahre lang so hinreissend gegeben hat, dass die weiblichen Sidekicks Sidekicks bleiben mussten – nicht nur wegen der Titelformel «Borowski und …». Für Fall Nummer 44 schrieb noch einmal Sascha Arango das Drehbuch: Es ist sein zehnter Borowski-«Tatort», weshalb der Autor intern auch «Borongo» genannt wurde, wie der NDR zum Abschied verriet. Und es wurde ein waschechter «Borongo»: ein grausiger, adrenalingeladener Thriller mit empfindsamem Kommissar wie seinerzeit in «Der stille Gast». Nordic Noir.

Eigentlich, so sagt Milberg, habe er Borowski ursprünglich als kriminelle Robin-Hood-Figur anlegen wollen; aber so viel Revoluzzertum gestand man einem öffentlich-rechtlichen Ermittler dann doch nicht zu.

Dafür blieb ihm diese Sensibilität fürs Böse, hier in wirklich umwerfender Gestalt von August Diehl als Killer Robert und von Corinna Kirchhoff als dessen erbarmungslose Mutter. So schnuppert Borowski ohne Durchsuchungsbefehl in der scheinbar leeren, im Braun und Spannteppich-Plüsch des letzten Jahrhunderts stecken gebliebenen bürgerlichen Villa des besagten Duos herum – nicht ahnend, dass er der tödlichen Schlinge just ganz knapp entkommen ist.

Brutale Mutter, brutaler Mord

Der Zuschauer hingegen weiss das, denn er hat alles mitangesehen und noch mehr. Schon in den ersten fünf Filmminuten nämlich wird die Story des Serienmörders krass kondensiert: Beim Abendessen macht die Mutter Roberts Kochkünste herunter, nennt sein Incel-Dasein «armselig» und ihn selbst «Bobbele», obwohl er das hasst. Dass sein Nachname Frost lautet, entspricht nicht bloss der Atmosphäre im ausladenden Haus. Nein, es darf durchaus ans Gedicht des gleichnamigen grossen US-Poeten gedacht werden, in dem das lyrische Ich einen angstvollen Ausbruch aus dem «Käfig» beschreibt («The Lockless Door»).

Mann steht vor einem grossen Medusenbild auf einem Boden mit Kunstmaterialien im Hintergrund.

Auch der deutsche Robert will ausbrechen. Noch während des Essens erwürgt Frost seine Mutter, später wird er ihren Kopf absägen: das Medusenhaupt. Es landet als psychologisch aufgeladene Deko in Frosts Aquarium, schliesslich war die tödliche, mythologische Medusa die Tochter von Meeresgottheiten.

Von einer völlig anderen Wassernixe, seiner alten Liebe, fantasiert derweil Borowski und bestellt auf dem Bürgeramt seinen Pass. Er hat noch vier Arbeitstage, dann gehts in Rente – und irgendwie ins Leere. Doch im Amt sieht er ein altes Foto des unheimlichen Hauses und erfährt, dass der nerdige IT-Mitarbeiter Robert, ein Creep, seit einiger Zeit verschwunden ist und es zudem zwei überraschende Todesfälle gab. Und zack, sein Beruf hat ihn wieder.

Ein Mann und eine Frau stehen draussen vor einem blauen Auto und einem Zaun, umgeben von Bäumen und Sträuchern.

Dass der Workaholic keinen Freund hat ausser Schladitz, seinen Chef, wird im Finale ebenso thematisiert wie sein Faible für trockene Selbstironie, etwa, wenn er wie ein Rentner sein Klappstühlchen an einer Strassenkreuzung aufstellt und wartet. Worauf?, fragt man sich. Die Filmschnitte bis zu diesem Moment haben zwar nicht die Hochspannung des Anfangs, dafür Raffinesse und Humor selbst im Horror: Regisseur Lars Kraume hat schlaue, retardierende Arbeit geleistet. Bouquet für Borowski!