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TV-Kritik «Tatort»
Sexsüchtige Frauen suchen die Liebe

Eine Frau in einem roten Raum mit hellem Lampenlicht im Hintergrund, sie trägt dunkles Make-up und einen schwarzen Choker.
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Nun kommt er noch zweimal und dann nimmermehr: der melancholisch-wortkarge Kommissar aus Kiel, der uns seit seinem ersten Einsatz 2003 recht ans Herz gewachsen ist. Klaus Borowski hat dieses faszinierend-nordische Etwas – Schauspieler Axel Milberg ist bekanntlich tatsächlich ein gebürtiger Kieler. Dass der schwedische Krimiautor Henning Mankell («Wallander») Milberg über die Jahre sogar zweieinhalb «Tatort»-Drehbücher auf den Leib schrieb, war fast schon unvermeidlich. Borowskis bedächtige, nur scheinbar softe, aber unbestechliche Art prägt auch die neue, drittletzte Folge mit ihm: «Borowski und das hungrige Herz».

Klar, dass die deutsche Band Mia da ihren Song «Hungriges Herz» schmettert, schon ganz zu Anfang, als eine junge Steuerfachfrau eine Gangbang-Party in ihrer Wohnung veranstaltet. «Sag mir, wie weit, wie weit, wie weit, wie weit willst du gehn?», heisst es in dem Lied – und am nächsten Morgen wird die Frau tot aufgefunden. Erschossen und mit sechs unterschiedlichen Samenspuren im Leib. Verdiente sie so ein Zubrot, wie der Nachbar glaubt, der obsessiv Buch führt über das rege Kommen und Gehen in der Wohnung nebenan? Wurde sie missbraucht?

Die Lust, um «ein Loch in der Seele zu stopfen»

Drehbuchautorin Katrin Bühlig schrieb ihre Tote freilich dezidiert aus dem Opferschema heraus – und hinein in ein Thema, bei dem man typischerweise an Männer denkt: Sexsucht. Diesmal sind es also Frauen, die sich Wildfremden an den Hals werfen oder Unbekannte zum Gruppensex laden. Sie benutzen die Lust, «um ein Loch in der Seele zu stopfen», sagt Borowski später. Aber Selbstwertgefühl und Geborgenheit können die innerlich Einsamen sich nicht herbeivögeln.

Zwei Personen stehen vor einer roten Wand in einem Raum mit roten Vorhängen und Lampen neben einem runden roten Sofa.

Wie die Löcher im Körper «gestopft» werden, zeigt der Film zwar mit, äh, Penetranz, aber dennoch ästhetisch geschmeidig: Die isländische Regisseurin Maria Solrun verweigert sich jedem Voyeurismus, indem sie die – arg häufigen – Kopulationen in dem Film meist verzerrt wiedergibt: mal durch eine beschlagene Autoscheibe, mal durch Sichtschutz-Ornamentglas, mal bloss als Geräuschkulisse. Lieber lässt Solrun intensive Farben sprechen: Rot dominiert, aber auch Blau und Grün setzen Zeichen, ebenso der atmosphärisch-unheimliche Soundtrack von Haraldur Thrastarson.

Mix aus Staunen und Würgereiz

Dass das Liebesleben von Kommissarin Sahin (Almila Bagriacik) ebenfalls keine kleine Rolle spielt, ist zwar konsequent – zumal sie es geschafft hat, sich aus einer ungesunden Beziehung zu befreien –, wird aber doch etwas dick aufgetragen, selbst in seinen komischen Szenen. Auch Laura Balzer als die ebenso sexsüchtige Freundin der Toten kommt gross heraus mit ihrem Rehblick, ihrer Fragilität und ihrer unüberwindlichen Gier nach grenzüberschreitendem Kontakt. Sie löst einen Mix aus ungläubigem Staunen und Würgereiz gleichzeitig aus.

Vielleicht war man sich bei der ARD selber nicht ganz sicher bezüglich dieses Krimis, der durchaus spannende Momente hat. Jedenfalls wurde er bereits 2022 abgedreht und lag seither auf Halde.

Offen gestanden: Zwischendurch nervt «Das hungrige Herz». Dafür überrascht und überzeugt der couragierte Dreh am Ende: Auch da ist die Verweigerung kein Bug, sondern ein Plus!