TV-Kritik «Tatort»Angst im Dunkeln? Das hat hier niemand
Die Bremer Ermittlerinnen rekonstruieren einen Mord im Wald. Das soll gruslig sein – ist aber in seinen besten Momenten höchstens witzig.
Kurz mal das Internet konsultiert, um sicherzugehen: Doch, «dropping», das gibt es tatsächlich. Ein Ritual unter Pfadfindern, man setzt sich selbst mitten im Wald aus, ohne Handy, einzig mit Karte und Kompass, je nach zu erwartender Distanz auch mit Zelt und dann: nur nach Hause, möglichst schnell.
«Angst im Dunkeln» heisst der neue «Tatort» aus Bremen, und er probiert sich an einer eigentümlichen Plot-Anlage, irgendwo zwischen dem Horrorklassiker «Blair Witch Project» und der ZDF-Kurzserie «Schwarzwaldkrimi», zwischen gruseligem Auflauern mit aufwendig konstruierter Düsternis und herkömmlichen Krimi-Chargen mit intriganten Beziehungsgeflechten.
Marlene ist tot – dabei war sie wie ihre beiden Freundinnen noch tiefenentspannt, als sie sich 36 Stunden zuvor mit verbundenen Augen von ihren Kindern im Wald hat aussetzen lassen. Die Eltern, so knüpft der Plot an den Trend an, wollen dieses «dropping» selbst mal ausprobieren, bevor sie den Nachwuchs ranlassen. So weit, so konstruiert.
Die Ermittlerinnen Moormann (Jasna Fritzi Bauer) und Selb (Luise Wolfram) ergänzen sich auch in ihrem fünften gemeinsamen Fall auf eigenartige Weise gar nicht so schlecht. Während die resolute Moormann ihren Tatverdacht sofort auf die beiden Freundinnen von Marlene und damit auf das von Intrigen durchdrungene Vorstadtmilieu rund um die drei Familien legt, erinnert sich Selb an die Fälle des «Handymanns», der im Bremer Forst vor ein paar Jahren in die Zelte von campierenden Frauen eindrang, mit ihren Mobiltelefonen ein Foto von ihnen schoss und danach wieder verschwand. Auch da wieder: Konstruktionsalarm! Warum überhaupt sollten im riesigen Stadtwald nachts Frauen allein zelten gehen?
«Ich lache, wenn etwas witzig ist»
In den wenigen Momenten, in denen Drehbuch (Kirsten Peters) und Regie (Leah Striker) gut zusammenspielen, ergeben sich urkomische Dialoge in einem tollen Setting. Selb besucht den «Handymann» Werner Behrens in seiner mit Waldtapete ausgelegten Werkstatt. «Verstehen Sie Spass, Kommissarin?», fragt er und guckt mörderisch gleichgültig. «Ich lache, wenn etwas witzig ist», sagt sie und guckt gänzlich unbeeindruckt.
Überhaupt tut der Ameisen sammelnde Eigenbrötler (toll gespielt von Alexander Wüst) der sich ansonsten mechanisch entblätternden Story mit Sounduntermalung ab Konserve nur gut. Sein lauernder Blick allein ist gruseliger als sämtliche Rückblenden in den immer dunkleren Wald, in dem die drei Freundinnen sich nicht nur zerstreiten, sondern ohne ihr Wissen auch von den Kindern getrackt werden – ein feiner ironischer Bruch des «dropping»-Trends.
Und so geht es bald auch um die Frage, wer denn recht behalten wird: Selb, die mit ihrem «Handymann»-Verdacht immer mal wieder tiefenpsychologisch improvisiert, oder Kollegin Moormann, die an die tödliche Dynamik der Verhältnisse in der Vorstadt glaubt.
Nur Angst im Dunkeln hat im Film tatsächlich überhaupt niemand, die Protagonistinnen rennen munter im Wald umher. Im Finale passt dann plötzlich alles: Es gibt mehr Spannung, weniger Vorhersehbarkeit, und auf einmal fügt sich auch die Musik geschmeidig zum Bild. Warum nicht gleich so?
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