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TV-Kritik «Tatort»
Als der deutsche Aussenminister in Münster den sowjetischen traf

Dame mit Eichhörnchen (Sibylle Canonica): Toller Auftakt eines gelungenen Münster-«Tatorts».
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«Unter Gärtnern»? Jedenfalls unter Könnern! Drehbuchautorin Regine Bielefeldt und Regisseurin Brigitta Bertele sind beide keine «Tatort»-Debütantinnen und beweisen ihren filmischen grünen Daumen da in gar nicht mal so anspruchslosem Gelände. Denn der Münster-Krimi kann sich schon verwachsen zu einem Geblödel, das alberner ist, als die Polizei erlaubt. Andererseits könnte das Sonntagsunterhaltungspflänzchen auch absaufen, wenn etwa die Gravitas der deutschen Geschichte kannenweise darübergegossen wird. Doch Bielefeldt und Bertele haben im 45. Fall der ermittelnden Klamaukbrüder Boerne (Jan Josef Liefers) und Thiel (Axel Prahl) für Scherz und tiefere Bedeutung genau das rechte Mass gefunden.

Als Erstes zeigen sie uns das weisse Riesenrad am weiten Strand vom niederländischen Scheveningen, das sich dreht wie das Rad des Schicksals. Unter dem Pier treibt bald ein Toter vorbei, und vermutlich hat die ältere Dame mit der Glace und dem gefakten Gehstock etwas damit zu tun. Cut, und schon sind wir in der chaotischen Bude des Hippievaters von Kommissar Thiel, welcher dort gerade mit mässigem Erfolg den Heimwerker gibt. Aber dann wird er, noch im Blaumann, zu einer städtischen Kleingartenanlage gerufen: Da liegt die besagte soignierte Dame tot auf dem Boden, neben ihr zwei ebenfalls ohne Grund «verschiedene», also «verblichene», also «entschlafene» Eichhörnchen, wie Boerne und Thiel feststellen.

Das eingespielte Trio «Alberich» (Christine Urspruch), Boerne (Jan Josef Liefers) und Thiel (Axel Prahl) im Kleingarten der toten alten Dame.

«Unter Gärtnern» bietet leichthändige Spässle, ein bisschen Splatter und einen guten Teil Spannung. Ins Reich der Kleingartenkönige bricht die grosse Welt ein, inklusive intensiviertem Havanna-Syndrom (der unerklärliche, eventuell durch Geheimwaffen verursachte Kopfschmerz trat erstmals bei US-Diplomaten in Havanna auf). Und in den Film mit den vogelperspektivischen Blicken aufs grüne Labyrinth sind echte historische Aufnahmen hineingeschnitten: vom legendären Münsteraner Treffen des deutschen Aussenministers Hans-Dietrich Genscher mit seinem sowjetischen Amtskollegen Eduard Schewardnadse im Jahr 1990.

Dass im Giftpflanzenparadies der toten Dame – faszinierend: Sibylle Canonica – entsprechend das drei Jahrzehnte alte Skelett eines ermordeten Polizisten ausgegraben wird, ist der Intuition «Alberichs» zu verdanken, der Assistentin von Rechtsmediziner Boerne (Christine Urspruch). Der Traum der Versöhnung von Westen und Ostblock ist auch hier endgültig ausgeträumt.

In der politthrillernden Posse hat eine Mikrowelle ebenso ihren Solo-Auftritt wie, wunderbar komisch gefilmt, eine fliegende Gartenschaufel. Musikalisch ironisiert wird die Chose mit zeitgemässen Liedern von Pink Floyd («Shine On You Crazy Diamond») über Harald Faltermeyer («Axel F») bis Depeche Mode («Just Can't Get Enough»). Dabei entsteht aus Spionagesplittern, Ulkmotiven und augenzwinkernden A-Parts eine schwebende Tonlage, die ein ebenso schwebendes Finale erlaubt. Zum Abheben.