Analyse zur Senatswahl in GeorgiaTrumps Strategie ist gescheitert
Der sich abzeichnende Doppelsieg der Demokraten wäre eine Sensation. Dabei erwies sich der Noch-Präsident als ihr wichtigster Wahlkampfhelfer.
Noch wird gezählt in Georgia. Doch die Kandidaten der Demokraten liegen bei dieser entscheidenden Stichwahl für den US-Senat vorn. Das ist eine Überraschung. Die grossen Fernsehketten haben Raphael Warnock bereits zum Sieger erklärt. Der schwarze Pfarrer hat die republikanische Senatorin Kelly Loeffler herausgefordert und offenbar besiegt. Im zweiten Rennen kommt es wohl zum Fotofinish und womöglich einer Nachzählung. Doch auch für Jon Ossoff sieht es gut aus: Die noch nicht gezählten Stimmen kommen aus mehrheitlich städtischen Gebieten, die bereits bei der Präsidentenwahl im November den Demokraten zugeneigt waren.
«Eigentlich ist Trump nur noch ein lausiger Loser.»
Ein demokratischer Doppelsieg wäre eine weitere Sensation in diesem konservativen Südstaat. In dieser traditionell republikanischen Bastion hat vor neun Wochen bereits Joe Biden gewonnen, als erster demokratischer Präsidentschaftskandidat seit Bill Clinton 1992. Und nun wird mit Raphael Warnock erstmals ein Afroamerikaner demokratischer Senator aus einem ehemaligen konföderierten Staat, der im Bürgerkrieg die Sklaverei verteidigt hatte. Ausserdem wäre der 33-jährige Journalist Jon Ossoff der jüngste neu gewählte demokratische Senator seit Biden 1973.
Dabei hatten die beiden Demokraten einen potenten Wahlkampfhelfer: Donald Trump. Der Noch-Präsident hat mit seinen bizarren Versuchen, seine Niederlage vom November in einen Sieg zu verwandeln, die Anhänger der Demokraten geradezu an die Urnen getrieben. Trumps skandalöser Anruf bei Georgias Innenminister Brad Raffensperger war eine letzte, vielleicht entscheidende Motivationsspritze für die Wähler der Demokraten. Eines Regierungschefs einer Demokratie unwürdig, hatte er am Wochenende seinen Parteikollegen in Mafiamanier gleichzeitig bedroht und angefleht, das längst offizielle Ergebnis der Präsidentenwahl zu kippen. Was allerdings niemanden mehr erstaunen kann, genauso wenig wie Trumps erste Reaktion auf die mögliche Niederlage in Georgia, als er zum x-ten Mal von Wahlbetrug twitterte, ohne Beweise vorzulegen. Eigentlich ist Trump nur noch ein lausiger Loser.
Sein Gebaren der letzten Tage und Wochen war gleichzeitig eine Steilvorlage für Joe Biden: Als der künftige US-Präsident nach Georgia reiste, um für Warnock und Ossoff zu werben, argumentierte er, dass Trumps Bestreben, das Wahlergebnis umzukehren, ein Grund sei zu wählen. Und so wie es aussieht, könnte nun der US-Senat an die Demokraten gehen, da beim sich abzeichnenden Patt von 50 gegen 50 Vizepräsidentin Kamala Harris den Stichentscheid hat. Das würde der Regierung Biden ermöglichen, die gröbsten Fehler und Versäumnisse der Trump-Zeit rasch zu korrigieren.
«Die Republikaner müssen sich langsam fragen, wie schlau es ist, weiterhin auf Donald Trump zu setzen.»
Eine doppelte Pleite in Georgia und damit der Verlust des Senats wäre eine besonders bittere Niederlage für die Republikaner. Denn die Partei, die das Weisse Haus verliert, schneidet bei den folgenden Kongresswahlen in der Regel besser ab, nicht schlechter. Nun aber haben beide Kandidaten der Demokraten im Vergleich zum ersten Wahlgang zugelegt. Selbst wenn sie den zweiten Sieg doch noch knapp verpassen sollten – Trumps Strategie ist gescheitert: Seine Wahlniederlage anzufechten, die Verweise auf Verschwörungstheorien und die infamen Angriffe auf die republikanischen Politiker im Staat Georgia haben nicht mehr Stimmen gebracht, sondern weniger.
Deshalb müssen sich die Republikaner langsam fragen, wie schlau es ist, weiterhin auf Donald Trump zu setzen. Er hat ja angekündigt, auch nach dem Ende seiner Amtszeit als Präsident eine zentrale Rolle in der Partei zu spielen. Der Ausgang der Wahlen in Georgia gibt jedoch seinen parteiinternen Gegnern Auftrieb. Ob sich inzwischen mehr von ihnen aus der Deckung wagen und sich offen gegen den abgewählten Präsidenten stellen, wird sich bereits heute Abend Washingtoner Zeit zeigen, wenn der US-Kongress Joe Bidens Wahlsieg bestätigen wird.
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