Brisantes TelefonatAm Apparat: Trump, der Pate
Eine Aufnahme belegt, wie der US-Präsident von Georgias Innenminister verlangt, das Wahlergebnis zu kippen. Das ist beispiellos – und vielleicht sogar kriminell.
Ein Tape, schon wieder. Vor exakt einem Jahr hatte Donald Trump das Impeachment-Verfahren am Hals, das mit einem umstrittenen Telefonat des US-Präsidenten mit seinem ukrainischen Amtskollegen begonnen hatte. Einige Monate später, mitten im Wahlkampf, veröffentlichte der Enthüllungsjournalist Bob Woodward Mitschnitte von Interviews, die Trumps Corona-Politik schlecht aussehen liessen.
Und nun hat das neue Jahr in Washington mit einer weiteren Tonbandaufnahme begonnen, auf der Trump zu hören ist. Die Empörung darüber: fast so gross wie bei den ersten beiden Malen.
Wahlbetrug, noch immer
Veröffentlicht hat die Aufnahme die «Washington Post», zuerst in Auszügen, anschliessend in ihrer ganzen und verstörenden Länge. Sie belegt, wie Trump den Innenminister von Georgia während eines einstündigen Telefongesprächs auffordert, anfleht und bedroht, das längst beglaubigte Wahlergebnis noch zu drehen. «Ich will 11’780 Stimmen finden», sagt Trump zu Brad Raffensperger.
Trumps demokratischer Gegner Joe Biden hatte die Wahl in Georgia mit einem Vorsprung von 11’779 Stimmen gewonnen. Innenminister Raffensperger, ein Republikaner, der selbst Trump gewählt hat, hatte das Resultat nach zwei Nachzählungen gemeinsam mit dem republikanischen Gouverneur von Georgia zertifiziert.
Hinweise auf den von Trump behaupteten massiven Wahlbetrug fanden die Behörden dabei keine – so wie auch in allen anderen Bundesstaaten nicht. Das könne nicht stimmen, glaubt Trump. Raffensperger solle sich die Sache doch nochmals anschauen, drängt der Präsident am Telefon: «Es ist nichts Falsches daran zu sagen, dass Sie nachberechnet haben.» Wenn der Innenminister das tue, werde er «wirklich respektiert» werden, schmeichelt Trump.
«Wissen Sie, das ist eine Straftat. Das dürfen Sie nicht zulassen. Das ist ein grosses Risiko für Sie und für Ihren Anwalt.»
Raffensperger lässt sich nicht darauf ein. Trumps Zahlen seien nicht akkurat, die offiziellen Daten hingegen von Gerichten bestätigt, entgegnet er dem Präsidenten. Trump schlägt einen anderen Ton an – einen bedrohlichen. «Sie wissen, was getan wurde, und Sie berichten nicht darüber», wirft er Raffensperger mit Verweis auf seine Theorien über Wahlbetrug vor. «Wissen Sie, das ist eine Straftat. Das dürfen Sie nicht zulassen. Das ist ein grosses Risiko für Sie und für Ihren Anwalt. Ein grosses Risiko.»
Nachdem die Tonbandaufnahme veröffentlicht wurde, waren die Schlüsse schnell gezogen: «Donald Trump redet wie ein Mafiaboss, und nicht einmal wie ein besonders gescheiter Mafiaboss», sagte der Verfassungsrechtler Neal Katyal beim TV-Sender MSNBC.
Ein rätselhafter Versuch
Was sich Trump von dem Anruf, bei dem auch mehrere seiner Anwälte sowie sein Stabschef Mark Meadows zugeschaltet waren, genau erhoffte, ist nicht ganz klar. Das Gespräch fand am vergangenen Samstag statt, zu einem Zeitpunkt also, an dem der Innenminister von Georgia das bereits beglaubigte Ergebnis gar nicht mehr hätte nachträglich ändern können.
Die Episode verstärkt den Druck auf die Republikaner, sich von Trumps zunehmend erratischem Verhalten zu distanzieren.
Sicher ist dagegen, dass Trumps Verhalten in breiten Kreisen Unbehagen ausgelöst hat. Die designierte Vizepräsidentin Kamala Harris sprach von «Machtmissbrauch». Alexandria Ocasio-Cortez, die Wortführerin des linken Flügels der Demokraten, forderte ein erneutes Impeachment-Verfahren gegen den scheidenden Präsidenten.
Auch konservative Politiker und Kommentatoren kritisierten Trump. Der republikanische Abgeordnete Adam Kinzinger nannte seine Aussagen «absolut beschämend». In verschiedenen US-Medien kamen zudem Juristen zu Wort, die glauben, dass Trump mit seinem Verhalten eine Straftat begangen haben könnte – weil er damit selbst einen Wahlbetrug herbeiführen wollte. Eine Anklage sei jedoch wenig wahrscheinlich.
Die Warnung der Ex-Pentagon-Chefs
Sicher ist auch, dass die Episode den Druck auf die Republikaner verstärkt, sich von Trumps zunehmend erratischem Verhalten zu distanzieren. Mehrere prominente Vertreter haben das zuletzt getan. Liz Cheney, die Nummer 3 der Republikaner im Kongress, warnte ihre Kollegen davor, am kommenden Mittwoch die formelle Bekanntgabe des Wahlergebnisses im Parlament zu blockieren. Das von Trump ermunterte Manöver hat politisch keine Chance auf Erfolg, würde es dem Präsidenten und seinen Verbündeten aber erlauben, ihre unbegründeten Betrugsvorwürfe weiter anzuheizen.
Und sicher ist schliesslich, dass in Washington die Nervosität darüber anhält, was Trump in den letzten Tagen seiner Amtszeit sonst noch unternehmen könnte. Ebenfalls am Sonntag veröffentlichten sämtliche noch lebenden früheren Verteidigungsminister der USA ein gemeinsames Schreiben, mit dem sie die Trump-Regierung aufrufen, das Militär nicht in die Streitereien um die Wahl hineinzuziehen: «Das würde uns auf ein gefährliches und gesetzloses Gelände führen.»
Auch das: beispiellos.
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