Umfrage zur GastronomieFrauen wollen das Trinkgeld abschaffen
Eine knappe Mehrheit ist für höhere Grundlöhne von Serviceangestellten. Dabei gibt es aber Unterschiede zwischen den Geschlechtern.
Offiziell wurde das Trinkgeld vor 50 Jahren abgeschafft. Damals einigten sich Branchenverbände darauf, dass der «Service inbegriffen» sei. Inoffiziell blieb der individuelle Tip an den Kellner, Coiffeur oder Taxifahrer ein wichtiger Bestandteil im Dienstleistungsbereich. Schätzungen gehen von einer Milliarde Franken aus, die jährlich an Trinkgeld bezahlt wird.
Eine relative Mehrheit der Bevölkerung würde dies am liebsten streichen. Das zeigt eine Umfrage von «20 Minuten» und Tamedia. Auf die Frage, ob Trinkgeld ganz abgeschafft und stattdessen der Grundlohn für Angestellte erhöht werden soll, antworten 48 Prozent zustimmend, 46 Prozent sagen Nein.
Dabei sind Frauen die eigentlichen Trinkgeld-Gegnerinnen: 55 Prozent der Frauen wollen das Trinkgeld streichen, nur 40 Prozent sind dafür. Bei den Männern ist es umgekehrt, 53 Prozent wollen das Trinkgeld beibehalten, 41 Prozent sind dagegen.
Trinkgeld soll steuerfrei bleiben
Jüngst tauchte die Frage auf, ob Trinkgeld neu versteuert werden soll. Denn mit der Ablösung des Bargeldes durch elektronische Bezahlung verliert es seinen inoffiziellen Charakter zunehmend, es wird zum einsehbaren Posten in Büchern von Dienstleistungsbetrieben.
Gesetzlich muss das Trinkgeld versteuert werden, sofern es ein wesentlicher Bestandteil des Lohnes ist. Wesentlich heisst laut Rechtsexperten: 10 Prozent und mehr. Je nach Branche, Jobprofil und individuell erbrachter Leistung ist das heute der Fall.
Wie die Umfrage zeigt, ist trotzdem eine grosse Mehrheit der Bevölkerung dagegen, dass Trinkgeld versteuert werden muss. Lediglich 25 Prozent sind für eine Steuerpflicht. Dabei sind sich bürgerliche und linke Wähler für einmal einig. Auch Sympathisanten von SP und Grünen wollen am steuerfreien Trinkgeld festhalten.
Bund wird vorerst nicht aktiv
Diese Haltung deckt sich mit jener des Bundesamts für Sozialversicherungen – zumindest für den Moment. Dieses hat eine Trinkgeld-Steuer geprüft und verworfen, wie es in einer Antwort des Bundesrats auf einen Vorstoss des Genfer Mitte-Nationalrats Vincent Maitre heisst. Es brauche derzeit keine Regelung, die Behörden hätten genügend Spielraum, um auf die individuelle Situation von Betrieben sachgerecht einzugehen, heisst es in der Stellungnahme vom 20. November. Doch ganz vom Tisch ist eine Trinkgeld-Steuer nicht: Die Bundesverwaltung werde sich weiterhin Gedanken machen und sich mit Akteuren dazu austauschen. Nationalrat Maitre will per Gesetz ausschliessen, dass Trinkgeld versteuert werden muss. Auch dies lehnt die Landesregierung ab.
Betroffene Betriebe gehen unterschiedlich mit dem Thema um. So sagte etwa Starkoch Andreas Caminada der NZZ, dass bei ihm das Trinkgeld unter der Belegschaft aufgeteilt, dann mit dem Lohn ausbezahlt und regulär versteuert werde. Und das Unternehmen Wiesner Gastronomie, zu dem etwa Nooch und Miss Miu gehören, deklariert das Trinkgeld seit 2024 auf dem Lohnausweis der Mitarbeitenden. Der Branchenverband Gastrosuisse lehnt eine generelle Besteuerung ab. Trinkgelder, die individuell und als freiwillige Anerkennung bezahlt werden, sollen nicht im Lohnsystem erfasst werden.
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