Transbehandlungen bei 14-JährigenSie reden über Brust-OPs bei Minderjährigen – dann ziehen sie ihre Aussagen zurück
In der Schweiz wurden bei zehn Jugendlichen die Brüste entfernt. Wer führte die Eingriffe durch? Wir haben direkt beteiligte Fachleute getroffen, dürfen sie aber nicht nennen.
Die Zahl irritiert: Zehn Brustentfernungen bei Transkindern und -jugendlichen im Alter von 10 bis 14 Jahren, vorgenommen zwischen 2018 und 2021 in der Schweiz. Die Fälle haben im Dezember für öffentliche Empörung gesorgt und die Kontroverse um Sinn und Unsinn von Transbehandlungen angeheizt. Kritiker sehen in diesen zehn Operationen ein Indiz dafür, dass beim Thema Transgender etwas schiefläuft.
Etwa Urs Eiholzer, Leiter des Pädiatrisch-Endokrinologischen Zentrums Zürich, der der «SonntagsZeitung» sagte, er sei nicht der Meinung, dass «man den Wunsch einer 12-Jährigen nach einer Geschlechtsumwandlung unwidersprochen hinnehmen darf». Offensichtlich ist der Kinderarzt der Ansicht, dass dies genauso geschieht.
Werden in der Schweiz tatsächlich leichtfertig bei Kindern Transoperationen vorgenommen? Dagmar Pauli, profilierte Kinder- und Jugendpsychiaterin und Gründerin der ersten Transsprechstunde in der Schweiz, meint: «Mich hat diese Zahl von zehn Brustentfernungen vor dem 15. Geburtstag auch überrascht, aber ich kenne die Fälle nicht und kann mich nicht dazu äussern.» Immerhin seien es sehr wenige Operationen über mehrere Jahre verteilt. «Diese entsprechen aber nicht unserer Praxis, auch ein Alter von 15 oder 16 Jahren ist meines Erachtens sehr jung für einen solchen Eingriff», sagt die Psychiaterin. «In seltenen Fällen kann es aber dennoch durchaus sinnvoll sein.»
Unispitäler und das BAG wissen nichts zu den Eingriffen
Wenn diese bestens vernetzte Fachfrau nichts von diesen Eingriffen weiss – wer führt sie dann durch? Wer sind diese Ärztinnen oder Ärzte? Weshalb und unter welchen Voraussetzungen nehmen sie den Eingriff in einem frühen Alter vor? Sie sollten Stellung nehmen und erklären können, was sie tun. Allerdings erweist sich das Auffinden der Beteiligten als schwieriger als erwartet.
Das Bundesamt für Statistik (BFS) bestätigt jedenfalls die zehn Brustentfernungen, alle mit der Hauptdiagnose «Geschlechtsidentitätsstörung». 2022 wurden keine derartigen Eingriffe in dieser Alterskategorie vorgenommen, für 2023 sind noch keine Zahlen verfügbar. Von wem oder wo diese Operationen vorgenommen wurden, will das BFS nicht sagen. Die Angaben seien durch das Statistikgeheimnis geschützt, heisst es. Beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) weiss man nicht, wer diese Eingriffe vornimmt. Man verlässt sich voll und ganz darauf, dass die Fachgesellschaften und die Ärzteschaft alles korrekt machen.
Auch bei weiteren Anfragen wird abgewinkt: bei den Universitätsspitälern in Basel, Lausanne und Zürich sowie – ebenfalls in Zürich – am Universitäts-Kinderspital und der Psychiatrischen Universitätsklinik. Überall heisst es, dass man in dieser Altersgruppe keine Brustentfernungen vornehme und auch nicht wisse, wo dies geschehe. Mancherorts wundert man sich darüber, dass diese Behandlungen in der Schweiz in einem so jungen Alter überhaupt stattfinden. Auch bei der privaten Zürcher Ocean Clinic werden geschlechtsangleichende Operationen laut eigenen Angaben erst ab 18 Jahren vorgenommen.
Ein offenes Gespräch in der Praxis
Im Zug der Recherchen zeigt sich, dass die zehn Transjugendlichen alle 14 Jahre alt waren und nur aus statistischen Gründen in der Alterskategorie von 10 bis 14 Jahren zusammengefasst waren.
Mehrmals fällt zudem der Name der Person, die zumindest einen grösseren Teil der diskutierten Eingriffe vorgenommen hat. Sie ist unter Fachleuten im Bereich Transgender bekannt, gilt als seriös und operiert nur Fälle, die ihr nach umfangreichen Abklärungen zugewiesen wurden. Nach zwei Monaten klappt es mit einem Treffen in einer Praxis für plastische Chirurgie in einem gut gelegenen, etwas biederen Quartier einer Schweizer Stadt.
Das Gespräch ist offen und dauert gut eine Stunde. Es dreht sich um die Voraussetzungen, die gegeben sein müssen, damit eine Brustentfernung auch bei sehr jungen Jugendlichen vorgenommen wird. Gesprochen wurde auch über die jahrelange Betreuung durch Fachpersonen und das intensive Abwägen zwischen Brustentfernung, Pubertätsblockern und Nichtstun in diesen speziellen Fällen.
Morddrohungen und Verunglimpfungen
Später zieht die Chirurgin oder der Chirurg alle Einzelaussagen zurück und will auch als Person nicht genannt werden. Laut Medienrecht muss diese Redaktion das respektieren, da wir die konkreten Angaben über die Operationen allein von dieser Person haben, die nun alle Zitate zurücknimmt. Begründet wird der Rückzug mit der Furcht vor negativen Reaktionen, auch gegen das persönliche Umfeld. Ähnliches passiert nach einem ebenfalls langen Telefongespräch mit einer gynäkologisch tätigen Fachperson, die auch einige Fälle betreut hat. Sie zieht bereits abgesegnete Zitate eine Woche später wieder zurück. Das zunehmend transfeindliche Klima und politisch motivierte Kampagnen seien der Grund dafür.
Die Reaktion der beiden passt in das Bild der gesamten Recherche. Wenn überhaupt auf Anfragen reagiert wird, fallen die Antworten meist schmallippig und defensiv aus. Die involvierten Institutionen und Fachpersonen wollen sich nicht exponieren und scheinen ebenfalls Anfeindungen zu fürchten.
Eine der kontaktierten Fachpersonen berichtet gar von «mehreren Morddrohungen und schlimmsten Verunglimpfungen» – nicht von Patientinnen oder Patienten, sondern von Unbeteiligten. Immer wieder heisst es vonseiten der involvierten Fachleute, die gesellschaftliche Stimmung sei, anders als oft behauptet, in weiten Teilen alles andere als «transfreundlich».
Korrektur vom 21.3.24: Die Antwort der Ocean Clinic in Zürich wurde nachträglich ergänzt.
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