Ausländische Kämpfer in der UkraineTodesurteil gegen ausländische Kriegsgefangene schockiert Briten
Zwei Soldaten aus Grossbritannien sind in der Volksrepublik Donezk zum Tode verurteilt worden. London ist «zutiefst besorgt» und versucht ihre Freilassung zu erreichen.
Drei in der Ostukraine gefangen genommene ausländische Kämpfer sind von den pro-russischen Separatisten zum Tode verurteilt worden. Die beiden Briten Aiden Aslin und Shaun Pinner sowie der Marokkaner Saaudun Brahim seien vom obersten Gerichtshof der Separatisten in Donezk verurteilt worden, weil sie «an den Kämpfen als Söldner teilnahmen», berichtete die russische Nachrichtenagentur Tass am Donnerstag.
Die drei Männer hatten demnach auf der Seite der Ukraine gekämpft und waren von russischen Truppen gefangen genommen worden. Sie hätten sich während des dreitägigen Prozesses schuldig bekannt, «Taten mit dem Ziel der Machtübernahme und des Umsturzes der verfassungsmässigen Ordnung in der Volksrepublik Donezk» begangen zu haben, berichtete die Nachrichtenagentur Interfax.
Der Anwalt Pawel Kossowan sagte laut Tass, die drei Beschuldigten würden Berufung gegen das Urteil einlegen. Dem Bericht zufolge wurde ihnen bei der Urteilsverkündung gesagt, sie hätten die Möglichkeit, um eine Begnadigung zu bitten. Das Gericht in der Donezker Volksrepublik ist international nicht anerkannt. Grossbritannien und die Ukraine haben die Urteile als Verstoss gegen internationale Gesetze zum Schutz von Kriegsgefangenen verurteilt.
Die beiden Briten hatten sich laut Interfax im April in Mariupol ergeben. Die Hafenstadt im Süden der Ukraine war von den russischen Truppen nach wochenlanger Belagerung eingenommen worden. Der marokkanische Kämpfer ergab sich im März im ostukrainischen Wolnowacha. Nach ihrer Gefangennahme hatten Aslin und Pinner im russischen Staatsfernsehen Grossbritanniens Premierminister Boris Johnson aufgerufen, über ihre Freilassung zu verhandeln. Beide hatten laut Medienberichten schon vor dem Krieg in der Ukraine gelebt. Angehörige betonen, dass sie langjährige Mitglieder des ukrainischen Militärs seien und keine Söldner.
Was über die beiden Briten bekannt ist
Der 28-jährige Aiden Aslin sei «entgegen der Kreml-Propaganda kein Freiwilliger, Söldner oder Spion», sagt seine Familie gegenüber dem britischen Guardian. Aslin zog 2018 in die Ukraine, lernte dort seine Verlobte kennen und nahm die ukrainische Staatsbürgerschaft an. Seither ist er Mitglied der ukrainischen Marine. Er sei ein «beliebter junger Mann». Seine Grossmutter sagte zu BBC, er habe sich der Armee angeschlossen, weil die Ukraine seine neue Heimat sei. Die Verurteilung zeige, dass Russland ein «Terroristen-Staat» sei, heisst es auf dem Twitter-Account des 28-Jährigen.
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Auch der 48-jährige Shaun Pinner ist laut den Recherchen des Guardian kein Freiwilliger der Fremdenlegion. Er habe vor einigen Jahren einen legalen und langfristigen Vertrag mit dem ukrainischen Verteidigungsministerium unterschrieben. In einer Mitteilung des britischen Aussenministeriums heisst es, Pinner habe lange in der britischen Armee gedient und sich 2018 entschlossen, in die Ukraine zu ziehen. Er habe seine Erfahrung im ukrainischen Militär einbringen wollen. Das zeige, dass er «kein Freiwilliger oder Söldner» sei.
Pinner ist mit einer Ukrainerin verheiratet und wird von seiner Familie «lustig, beliebt und gutherzig» beschrieben. In einem Interview mit der britischen Zeitung «The Mail on Sunday» sagte der 48-Jährige im Januar: «Ich bin hier, um meine Familie und meine Wahlheimat zu verteidigen.»
Auch der Vater Brahims versichert, sein Sohn sei «kein Söldner». Sein Sohn habe in der Ukraine studiert, als Russland dort einmarschiert sei, sagte er der Nachrichtenseite Madar21. Im April hatte der Vater den ukrainischen Behörden vorgeworfen, «ausländische Studenten zu rekrutieren, um sie im Krieg auszubeuten».
Das sagt die britische Regierung
Die britische Regierung zeigt sich «zutiefst besorgt» über die Todesurteile gegen die beiden Gefangenen. Man arbeite mit der Ukraine zusammen, um die Freilassung der beiden Männer zu erreichen. Kriegsgefangene «dürfen nicht für politische Zwecke ausgebeutet werden», sagte ein Regierungssprecher und verwies auf die Genfer Konvention. Die britische Aussenministerin Liz Truss hat die Schuldsprüche gegen die Soldaten verurteilt und als «Scheinurteil ohne jegliche Legitimität» bezeichnet.
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Truss stehe mit ihrem ukrainischen Amtskollegen im Austausch, und versuche, die Situation zu lösen. Wladimir Putin habe mit der Festnahme «eine Form der Geiselnahme, eine Form der Rache» ausgeführt, sagte der Vorsitzende des auswärtigen Ausschusses im britischen Unterhaus Tom Tugendhat. «Das ist kein Staat, das ist kein Gericht und die Richter sind nur Leute, die sich verkleidet haben und so tun als ob.» Es sei schrecklich, so etwas drei völlig unschuldigen Menschen anzutun.
Das ukrainische Aussenministerium verweist auf die humanitären Völkerrechte von Kriegsgefangenen. Es sei «verboten, Soldaten zu missbrauchen, einzuschüchtern oder sich ihnen gegenüber unmenschlich zu verhalten». Ein ukrainischer Regierungssprecher beschreibt den «sogenannten Prozess» gegen die drei Männer als «erbärmlich». Man werde «weiterhin alle Anstrengungen unternehmen, um alle Verteidiger der Ukraine freizubekommen».
Ob es tatsächlich Versuche geben werde, die Soldaten hinzurichten, sei noch nicht klar, berichtet die internationale Korrespondentin der BBC. Klar sei jedoch, dass die Beamten in Donezk direkte Befehle von Wladimir Putin bekämen und dass die Urteile eine Taktik des Kreml seien. Man wolle Druck auf die britische Regierung ausüben und sie wegen ihrer militärischen Unterstützung für die Ukraine demütigen.
Auf welche Art Grossbritannien «diplomatischen Druck» ausüben könnte, sei schwer zu erkennen, analysiert BBC die Situation. Es gebe Befürchtungen, dass eine Einmischung Londons zu einer Eskalation mit Moskau führen und den Söldner-Verdacht verstärken könnte. Möglich wäre ein Gefangenenaustausch, frühere Diskussionen darüber seien jedoch nicht erfolgreich gewesen.
Asow-Regiment soll ebenfalls Todesstrafe drohen
Vertreter der pro-russischen Separatisten hatten in den vergangenen Wochen bereits erklärt, ukrainischen Soldaten insbesondere des Asow-Regiments, die sich in Mariupol ergeben haben, drohe die Todesstrafe. In Russland gibt es seit 1997 ein Moratorium für die Todesstrafe, dieses gilt jedoch nicht in den selbst ernannten, pro-russischen Volksrepubliken in der Ostukraine.
Laut der Nachrichtenagentur Tass plädierten Pinner und der Marokkaner Brahim im Anklagepunkt des «Söldnertums» auf nicht schuldig, räumten ihre Beteiligung an Kämpfen «mit dem Ziel der gewaltsamen Machtübernahme» jedoch ein.
Die Internationale Legion für die Verteidigung der Ukraine, in der sich ausländische freiwillige Kämpfer zusammengeschlossen haben, hatte am Mittwoch einen ähnlichen Prozess gegen eines ihrer Mitglieder, A. H., scharf kritisiert. Dieser sei kein Söldner, sondern ein «Legionär, der einen Vertrag mit der ukrainischen Armee hat». Ob die drei zum Tode Verurteilten ebenfalls der Internationalen Legion angehören, war zunächst unklar.
AFP/so
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