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Filmkritik zu «To the Moon»
Scarlett Johansson erfindet die Mondlandung neu

Könnte einem den Mond verkaufen, tut das auch: Scarlett Johansson in «To the Moon».
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Wir alle waren immer schon mondsüchtig, und unsere Vorfahren waren es auch. Der Mond ist in fast jeder Kultur eine Göttin, manchmal auch ein Gott. Erste Science-Fiction, 17. Jahrhundert: Cyrano de Bergeracs «Reise zum Mond». Als es dann 1969 so weit war, ist das ein grösseres Ding gewesen als fünf Euro- und Fussballweltmeisterschaften und Olympia auf einmal. Das Gerücht, Neil Armstrong sei gar nicht auf dem Mond gewesen, sondern bloss auf einem Filmset, wo Stanley Kubrick eine Fake-Landung inszenierte, hält sich wahrscheinlich vorwiegend deswegen so hartnäckig, weil Träume langweiliger werden, sind sie erst mal wahr geworden.

Die Mondlandung neu erfinden – das ist fürs Kino eine Steilvorlage. Greg Berlanti, der vor ein paar Jahren die melancholische, filmbesessene Teenie-Komödie «Love, Simon» gemacht hat, wagt sich mit «To the Moon» zurück in die wundersame Welt der Sechzigerjahre, als Marketing noch neu war, Konsum ein positiv besetzter Begriff, die Zukunft bonbonfarben und das All eine verheissungsvolle, unerforschte Weite.

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Scarlett Johansson spielt Kelly Jones, eine Meisterin der Marketing-Kapriolen. Bei vielen Begriffen geht in der Übersetzung einiges an Bedeutung verloren. Der schöne englische Ausdruck «spin» beispielsweise heisst nicht nur drehen oder ins rechte Licht rücken, der «spin» ist dafür offen, dass so lange gedreht und gerückt wurde, bis das Ergebnis eher obskur ist.

Die erste Szene, in der wir Kelly Jones kennen lernen, hat alles, was «Mad Men» gefehlt hat. Hochschwanger und perfekt gestylt betritt sie einen New Yorker Konferenzsaal mit drei Männern, die einen Marketingstrategen erwarten und sie erst mal wieder hinausschicken wollen. Unbeirrt legt sie los, sie ist der sagenumwobene Marketingstratege, der seit einer Weile die Madison Avenue unsicher macht.

Fake-Mondlandung für den Fall einer gescheiterten Mission

Den drei Vorstadtvätern zeigt sie auf, welcher Kampagnenschwerpunkt zur Folge hätte, dass ihnen ihre Gattinnen endlich erlauben, die Sportwagen, die sie herstellen, selbst zu fahren: Sicherheitsgurte. Nach der Konferenz packt sie ihren Plastik-Babybauch wieder weg und lässt sich von ihrer Assistentin (Anna Garcia) bewundern. Kelly ist der Typ Mensch, der jemandem den Mond verkaufen könnte. Und genau das soll sie dann auch tun.

Mo (Woody Harrelson), ein zwielichtiger Abgesandter des Präsidenten, erpresst sie – und da darf einem dann dämmern, dass sich Miss Jones nicht nur mit legaler Beschönigung auskennt, Marketing und Werbung sind in diesem Film nahe Verwandte des Betrugs. In Florida angekommen, trifft sie auf einen Saubermann, der mit ihren Tricks nichts zu tun haben will, Cole (Channing Tatum). Aber die Apollo-Mission, die er leitet, sieht aus, als stünde sie kurz vor der Verschrottung. Er braucht Kelly, damit sie dem Land und den Senatoren die Mondfahrt wieder schmackhaft macht, damit die Steuermilliarden fliessen. Es gilt, den Wettlauf um den Mond gegen die Sowjetunion zu gewinnen. Ausserdem hat er sich vom Fleck weg in sie verliebt.

Obwohl sie ihm gehörig auf die Nerven geht. Dass sie, als er sich weigert, Fernsehinterviews zu geben, einen Schauspieler engagiert, der das für ihn tut, ist erst der Anfang. Kelly wird, für den Fall, dass die Mission nicht fernsehtauglich wird oder die Rakete explodiert, eine perfekte Fake-Landung in einem abgelegenen Hangar inszenieren lassen.

Normalerweise würde man an dieser Stelle vor einem Spoiler warnen, aber mit dieser Wendung ist «To the Moon» schon im ersten Trailer herausgeplatzt. Und so, wie sich die Dinge dann noch mal drehen, wird Kellys Kopie Verschwörungserzählern, die immer schon wussten, dass Neil Armstrong nie auf dem Mond war, einiges Kopfzerbrechen bereiten.

Das haben sich die Drehbuchautorin Rose Gilroy und Berlanti natürlich alles faktenfrei, aber humorvoll ausgedacht – Berlantis Sechzigerjahrewelten sehen tatsächlich ein wenig bonbonfarben aus unter sternenklarem Himmel, gerade so, dass es nicht zu viel ist; und der Film ist voller grossartiger alter Songs, die den Mond besingen.

This image released by Apple TV+ shows Scarlett Johansson, center, an Channing Tatum, right, in a scene from "Fly Me to the Moon. (Dan McFadden/Apple TV+ via AP)

Der Wettlauf zum Mond als Duell der Weltanschauungen

«To the Moon» ist eine Screwballkomödie vor dem Hintergrund hoffnungsvollerer Zeiten, und der romantische Teil funktioniert ganz gut: Scarlett Johansson ist als ausgekochtes Schlitzohr in ihrem Element, und sie zerbröselt ganz herrlich, wenn sich ihr Gewissen regt. Und Channing Tatum guckt als ihr ewig unterlegener Gegenpart schön bedröppelt aus der Wäsche. Die Idealbesetzung als Raketenwissenschaftler in den Sixties ist er aber nicht, und die Dialoge könnten prägnanter sein. Eine Figur wie Kelly müsste eigentlich dauernd launige Sprüche klopfen. Und so ist «To the Moon» irgendwie zauberhaft, aber auch ein bisschen unbefriedigend, als würde er ganz mühelos Sehnsüchte wecken, die er dann nicht erfüllt.

Dafür ist da aber noch ein bisschen mehr, es schwingt eine andere Geschichte mit, die erzählt, wie der Spin die Welt eroberte. Dieser Wettlauf zum Mond, der in den Fünfzigerjahren begonnen hatte, war ein Duell der Weltanschauungen. Was bleibt, wenn Hoffnung und Freiheit und der Willen, Träume wahr werden zu lassen, nur noch Mittel zum Zweck sind, und auf dem Weg dorthin ist jede Lüge recht? «To the Moon» rührt an einem Überdruss an ins rechte Licht gerückten Dingen. Der Film hat dazu letztlich nicht viel mehr zu sagen, als dass auch nützliche Lügen Lügen sind – aber das klingt irgendwie zeitgemäss.

To the Moon, USA 2024 – Regie: Greg Berlanti. Drehbuch: Rose Gilroy. Kamera: Dariusz Wolski. Mit: Scarlett Johansson, Channing Tatum, Woody Harrelson, Jim Rash, Anna Garcia. Sony, 132 Minuten.