Tipps der PhysiotherapeutinSo vermeiden Sie Verspannung in der Nacht
Harte oder weiche Matratze? Seiten- oder Rückenlage? Cristina Staub gibt Tipps, wie man sich nachts am besten bettet.
Das kennen viele: Statt dass man am Morgen erholt und frisch aufwacht, plagen Kopfweh, ein steifer Nacken oder Kreuzschmerzen. Bettwarengeschäfte nutzen die verbreiteten Beschwerden gern, um ihre Produkte zu vermarkten. Doch oft bringen auch eine noch so teure Matratze oder das perfekte Kissen nicht den erhofften Effekt.
Über das richtige Liegeverhalten und das geeignete Material dazu kursieren viele Mythen und Halbwahrheiten. Vor einigen Jahren waren zum Beispiel japanische Futons populär. Die dünnen Matratzen, die man auf dem Boden ausrollt, galten als rückenschonend, während andere auf wabbelige Wasserbetten schworen. Auch im Internet finden sich zahlreiche Tipps.
Entspannungsübungen und Schlafhygiene lernen
Intensiv mit dem Thema Schlaf befasst hat sich die Physiotherapeutin Cristina Staub. Wenn Patientinnen und Patienten wegen Verspannungen und Schmerzen in ihre Behandlung kommen, fragt sie regelmässig nach der Schlafqualität. «Körperliche Beschwerden haben oft auch mit schlechtem Schlaf zu tun», weiss die Therapeutin im zürcherischen Regensdorf.
Längst nicht immer sei eine ungünstige Liegeposition schuld daran, betont sie: «Viele können sich allgemein nicht entspannen und deshalb auch in der Nacht nicht richtig loslassen.» Dies äussere sich häufig auch durch sogenannten Bruxismus: Zähneknirschen durch unbewusstes Anspannen der Kaumuskeln. Deshalb empfiehlt Staub Entspannungsübungen sowie allgemein eine gute Schlafhygiene.
Wie aber soll man sich nun ins Bett legen? Eine Umfrage dieser Zeitung, an der sich rund 20'000 Personen beteiligten, hat ergeben, dass fast 70 Prozent auf der Seite schlafen und nur je knapp 15 Prozent auf dem Rücken oder auf dem Bauch. Welche Position aber am besten ist, dazu gibt es verschiedene Theorien und widersprüchliche Ansichten.
Zum Beispiel rät das bekannte deutsche Ratgeber-Ehepaar Roland Liebscher-Bracht und Petra Bracht, das mit teilweise fraglichen Gesundheitstipps viel Beachtung findet, vehement von der Seitenlage ab. Weil man mit den angewinkelten Beinen eine ähnliche Haltung wie tagsüber beim Sitzen einnehme, riskiere man, dass sich die Muskeln und Faszien immer weiter verkürzen. Liebscher und Bracht empfehlen deshalb, beim Einschlafen bewusst eine Position einzunehmen, die dem entgegenwirkt – nämlich auf dem Rücken ohne Kissen.
Doch bei vielen funktioniere das nicht, stellt Cristina Staub klar. Ein Grossteil der Menschen könne in Rückenlage schlecht einschlafen. Zudem schnarche man mehr, und die Position sei ungünstig bei einer Neigung zu nächtlichen Atemaussetzern (Schlafapnoe). Um die Verkürzung von Muskeln – insbesondere des Hüftbeugers und Schultergürtels – zu vermeiden, findet Staub Dehnungsübungen tagsüber zielführender.
«Nachts soll man sich so betten, wie es einem wohl ist», betont die Therapeutin. Um ein kuscheliges Gefühl zu erlangen, sei es oft hilfreich, sich an die Position zu erinnern, die man als Kind gerne einnahm. Und ganz wichtig: «Man soll sich bewegen und die Lage während der Nacht mehrmals wechseln.»
Seitenlage: Kleine Kissen entlasten Gelenke
In den verschiedenen Schlafpositionen helfen diverse Kniffe, Schmerzen und Verspannungen zu vermeiden. In der Seitenlage zum Beispiel kann ein flaches Kissen oder ein gefaltetes Badetuch in der Taille die Wirbelsäule stützen oder unter dem Brustkorb die Schulter entlasten. Ein Kissen zwischen den Knien vermeidet Druckstellen und schont das obere Hüftgelenk. Das Kopfkissen sollte zudem genügend hoch sein, sodass die Nackenmuskeln entspannen können.
Die Seitenlage ist die beste Position für Schnarchende und Personen mit Schlafapnoe – ein Problem, von dem relativ viele betroffen sind. Denn in Seitenlage passiert es weniger, dass das Gaumensegel oder die Zunge beim Erschlaffen der Muskulatur in den Rachenraum zurückfallen und diesen verengen. Ein weicher Rucksack oder ein T-Shirt mit eingenähtem Kissen am Rücken verhindern, dass man sich im Schlaf automatisch auf den Rücken dreht.
Bauchlage: Kopf nicht zu stark abdrehen
In der Bauchlage dagegen kann es zu Nacken- und Schulterverspannungen kommen, wenn man den Kopf zu stark abdreht. Dies zu vermeiden, hilft manchmal ein Kissen unter der Schulter, in deren Richtung das Gesicht schaut. Cristina Staub rät zudem davon ab, die Arme links und rechts des Kopfes zu platzieren, weil so gewisse Nerven zu stark unter Zug sein können.
«Das wichtigste Kriterium ist nicht, dass die Wirbelsäule wie im Anatomiebuch aufliegt, sondern dass man sich wohlfühlt.»
Bei Beschwerden in der Halswirbelsäule, der Nackenmuskulatur und dem Iliosakralgelenk (zwischen Kreuz- und Darmbein) sei die Bauchlage zu vermeiden. Damit man sich nicht automatisch im Schlaf auf den Bauch dreht, kann eine ausgestopfte Bauchtasche helfen.
Rückenlage: Kopf und Rumpf hochstellen
In der Rückenlage dagegen können Schmerzen in der Lendenwirbelsäule und im Beckenbereich (Iliosakralgelenk) entstehen. Dies zu vermeiden, helfen ein Kissen unter den Knien sowie das Hochstellen des Kopfteils – wobei der Winkel eigentlich auf Hüfthöhe liegen sollte. Wenn der Lattenrost dies nicht zulässt, kann man auch ein zweites, grosses Kissen benutzen. Apropos Lattenrost: Dessen Qualität hält Staub nicht für absolut entscheidend für die Gesundheit. Wichtig sei einfach, dass die Luft unter der Matratze zirkulieren kann.
Schwitzen vermeiden
Menschen, die an rheumatischen Erkrankungen leiden, sollten zudem darauf achten, dass sie nicht zu heiss oder kalt haben. Vor allem der Wechsel von Schwitzen und Frieren und das damit verbundene Zu- und Abdecken sollten sie vermeiden. Geeignet sind leichtere Decken aus Bambus oder synthetischem Material, denn diese können mehr Feuchtigkeit aufnehmen und wieder abgeben als zum Beispiel Daunendecken. Wer beim Zubettgehen etwas kühl hat, kann eine Wärmeflasche mitnehmen. Dasselbe gilt für Personen, die stark schwitzen: Auch sie sollten eine nicht allzu dicke Decke und, wenn das Bett noch kalt ist, für die Anfangswärme eine Wärmeflasche nehmen.
Als Lagerungshilfen könne man gut kleine Kissen oder gefaltete Tücher verwenden, betont Cristina Staub. Wer in Betracht ziehe, eine neue Matratze anzuschaffen, solle sich beim Probeliegen im Bettgeschäft genügend Zeit nehmen oder Anbieter wählen, die mehrere Monate Rückgabegarantie gewähren. «Das wichtigste Kriterium ist nicht, dass die Wirbelsäule wie im Anatomiebuch aufliegt, sondern dass man sich wohlfühlt.»
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