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Kritik an der Nationalbank
Thomas Jordan wehrt sich gegen höhere Auszahlungen

Hält die gigantischen Reserven der Nationalbank für zwingend: Nationalbank-Präsident Thomas Jordan mit Präsidiumsmitglied Andréa Maechler vor der Halbjahres-Pressekonferenz vom Donnerstag.
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Auf dem Programm der Pressekonferenz der Schweizerischen Nationalbank (SNB) am Donnerstag stand eigentlich ihre Einschätzung zur Wirtschaftslage und wie sie darauf reagieren will. Doch in der Fragerunde der Journalistinnen und Journalisten nahm ein anderes Thema viel Raum ein: die Verteilung des SNB-Gewinns.

Das lag zum einen daran, dass die Hauptthemen wenig Überraschung boten. An der Geld- und Zinspolitik der SNB ändert sich nichts. Es lag aber auch an einem am Mittwoch veröffentlichten Arbeitspapier des sogenannten SNB-Observatoriums, einem selbst ernannten Beobachtergremium mit Wirtschaftsprofessoren als Mitgliedern. Das Papier kritisiert die Gewinnverteilung der SNB harsch.

Angesichts einer Bilanzsumme von mehr als 1000 Milliarden Franken, einem Gewinn von knapp 21 Milliarden im Vorjahr und beinahe 50 Milliarden Franken 2019 gibt es auch sonst Vorstösse und Ideen, die auf das Geld der Nationalbank abzielen.

Immerhin kam die SNB jüngst etwas entgegen: Seit 2020 hat sie ihren an Bund und Kantone maximal ausschüttbaren Gewinn im Einvernehmen mit dem Bund von 4 auf 6 Milliarden Franken erhöht. Ein Anstieg von maximal 2 auf 4 Milliarden wurde bereits im März 2020 vereinbart.

91 Milliarden Franken Gewinnreserven

Gemessen an den Gesamtgewinnen ist das aber noch immer wenig. Zur genannten Maximalauszahlung kommt es zudem nur, wenn der Gewinn der SNB hohe Schwellen übersteigt, was in den letzten Jahren der Fall war. Die sogenannten Ausschüttungsreserven in der Bilanz der SNB, die sich aus nicht ausbezahlten Gewinnen nähren, belaufen sich dennoch mittlerweile auf 91 Milliarden Franken.

Es sei «bizarr, dass der Anteil der Ausschüttungen immer geringer wird, je höher die Reserven sind», meint deshalb Charles Wyplosz, Mitglied des SNB-Observatoriums. Er lehrt am Graduate Institute in Genf. Neben Wyplosz sitzen Yvan Lengwiler von der Universität Basel und einstiger Mitarbeiter der SNB im Gremium und weiter Stefan Gerlach, ehemaliger Vize der irischen Notenbank und aktuell Chefökonom der EFG-Bank.

«Zu hohe Reserven sind politisch gefährlich. Alle sehen das viele Geld der SNB, und jede und jeder findet dann einen guten Grund, warum sie oder er mehr davon braucht.»

Charles Wyplosz, Wirtschaftsprofessor und Mitglied des SNB-Observatoriums

Konkret schlagen die drei Professoren vor, die Nationalbank solle künftig eine Summe ausschütten, die dem Durchschnitt der Gewinne der letzten fünf Jahre entspricht. Nach diesem Vorschlag wäre für das letzte Jahr eine Auszahlung zwischen 20 und 25 Milliarden Franken statt 6 Milliarden möglich gewesen.

Die Ökonomen wollen die SNB mit ihrem Vorstoss vor einer Gefährdung ihrer Unabhängigkeit schützen: «Zu hohe Reserven sind politisch gefährlich. Alle sehen das viele Geld der SNB, und jede und jeder findet dann einen guten Grund, warum sie oder er mehr davon braucht», erklärt Charles Wyplosz. Neben einer höheren Ausschüttung fordern die drei von der SNB auch mehr Transparenz dazu, welchen Umfang an Reserven sie für angemessen hält, und warum.

Ein «sehr vernünftiges System»

Für die Forderungen hat SNB-Präsident Thomas Jordan wenig Verständnis. An der Pressekonferenz verteidigte er das aktuelle Ausschüttungs-Regime als «sehr vernünftiges System». Die SNB sei gerade angesichts ihrer gigantischen Bilanzsumme auf hohe Reserven angewiesen. Das machte er an einem Beispiel deutlich: «Wenn sich der Franken um einen Rappen aufwertet, resultiert für die SNB ein Verlust von 10 Milliarden Franken. Ähnliches gilt, wenn die Börse rund 5 Prozent verliert.»

Die Ökonomen des Observatoriums bestreiten das Risiko. Selbst wenn Verluste das gesamte Eigenkapital der Notenbank übersteigen würde, wäre die SNB noch glaubwürdig, erklärt Wyplosz und verweist auf die Geschichte: «Diese Situation hatte sie im Jahr 1978 sogar. Aber niemand dachte damals, das sei das Ende der Schweiz.»

«Eine Zentralbank wie die SNB kann darum nach Verlusten über die Zeit im Normalfall von selber Eigenkapital aufbauen.»

Thomas Jordan in einer Rede am 28. September 2011

Noch im Herbst 2011 hat Thomas Jordan, damals SNB-Vize unter Philipp Hildebrand, nach hohen Währungsverlusten das Gleiche betont: Eine Zentralbank sei «nicht in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt, wenn ihr Eigenkapital negativ wird», erklärte er. Und weiter: «Eine Zentralbank wie die SNB kann darum nach Verlusten über die Zeit im Normalfall von selber Eigenkapital aufbauen.»

Ein anderes von Jordan vorgebrachtes Argument lautete auch schon, ein Verkauf von Anlagen für höhere Auszahlungen könnte die Geldpolitik beeinträchtigen. Wenn die SNB dafür zum Beispiel Devisenanlagen verkaufen müsste, könnte das zu einer unerwünschten Aufwertung des Frankens führen. Die Professoren sehen für Devisenverkäufe jedoch keine Notwendigkeit. Die SNB könnte eine höhere Ausschüttung allein durch eine Umschichtung auf der Verpflichtungsseite (Passiven) ihrer Bilanz erreichen, erklären sie.