Panne bei Zürcher BauprojektWarum die Kosten beim Sportzentrum Oerlikon explodierten
400 Millionen Franken – der neue Sporttempel in der Nähe des Zürcher Hallenstadions kostet fast doppelt so viel wie ursprünglich angenommen. So kam es dazu.
210 Millionen hätte das geplante Sportzentrum Oerlikon kosten sollen. Plötzlich waren es 370 bis 400 Millionen Franken. Diese Verdopplung der Kosten musste der Stadtrat im vergangenen Oktober bekannt geben.
Als Grund nannte der Stadtrat die Teuerung, Altlasten im Baugrund und Projektanpassungen. Die Stimmbevölkerung soll im September 2025 über den Kredit abstimmen. Mit einem Bezug des Hauptgebäudes wird frühestens 2030 gerechnet.
Die Mehrkosten führten zu empörten politischen Reaktionen. Die SVP-Gemeinderäte Martin Götzl und Reto Brüesch wollten mehr zur Kostenentwicklung wissen und reichten eine Anfrage ein.
Nun liegt die Antwort des Stadtrats vor. Die angenommenen Flächen und die Komplexität der Technik sei unterschätzt worden, heisst es darin. Zudem sei es bei der Formulierung des Wettbewerbsprogramms zu einem «bedauerlichen Übertragungsfehler» gekommen. «Die im Wettbewerb geforderten Flächen waren zu klein dimensioniert», schreibt der Stadtrat. 2000 Quadratmeter zu wenig wurden angegeben: Fast die Hälfte der geforderten Technikfläche. Das rächt sich jetzt.
Teuerung, Altlasten, Projektanpassungen
Bei der Genehmigung des Projektierungskredits im Jahr 2018 ist der Stadtrat noch von Baukosten von 175 Millionen Franken ausgegangen. Diese Kosten seien auf der Basis einer Machbarkeitsstudie geschätzt worden und hätten weder Reserven noch Drittprojekte beinhaltet. «Mangels vergleichbarer Projekte (Benchmark) war die Kostenprognose zu diesem Zeitpunkt anspruchsvoll und mit grossen Unsicherheiten verbunden», schreibt der Stadtrat. Eine Machbarkeitsstudie sei noch kein Projekt, sondern lediglich eine Flächen- und Volumenstudie, die als Basis für einen Entscheid zur Weiterverfolgung des Vorhabens diene.
In dieser Phase werde auch noch keine Gebäudetechnik geplant, sondern nur abgeschätzt. Die Komplexität in der Gebäudetechnik habe zum Zeitpunkt der Machbarkeitsstudie nicht vorhergesehen werden können. Auch die in der Regel kostspieligen Sondierungen im Baugrund würden jeweils erst später in der Planung vorgenommen. Die Sondagen seien abhängig vom konkreten Projekt und wären bei einem allfälligen Bauverzicht unnötig.
«Neue Erkenntnisse zu Geologie und Altlastensituation»
Als das Siegerprojekt vorlag, schätzte ein externer Kostenplaner die Erstellungskosten auf 210 Millionen Franken, bei einer Kostengenauigkeit von plus/minus 20 Prozent.
Danach begann der Generalplaner mit dem Vorprojekt. Als dieses vorlag, waren die «approximativen Erstellungskosten» auf 305 Millionen Franken geklettert, bei einer Kostengenauigkeit von plus/minus 15 Prozent, ohne Reserven und Drittprojekte. O-Ton Stadtrat: «Die Kostenentwicklung ist massgeblich getrieben durch neue Erkenntnisse zu Geologie und Altlastensituation (+19 Millionen Franken) sowie durch die Teuerung (+39 Millionen Franken). Diese Kosten sind nur bedingt bis gar nicht beeinflussbar. Weiter sind Projektentwicklungen (+33 Millionen Franken) und Änderung von Gesetzen (+4 Millionen Franken) verantwortlich für die höheren Erstellungskosten.»
Der im Oktober kommunizierte Ausführungskredit von 373 Millionen Franken enthält laut dem Stadtrat zudem die Kreditreserve von 62 Millionen Franken für die höhere Planungsgenauigkeit sowie Drittprojekte im Umfang von 6 Millionen Franken für die Umleitung von Werkleitungen und die Verlegung der VBZ-Haltestelle.
Die SVP wunderte sich insbesondere über die Mehrkosten von 33 Millionen Franken für Haustechnik und interne Betriebsabläufe. Dazu hält der Stadtrat fest: «Zu einem derart komplexen und gebäudetechniklastigen Gebäude gibt es wenige Vergleichsobjekte, sodass der effektive Bedarf an Technikflächen in der Machbarkeitsstudie schwer abgeschätzt werden konnte.» Das Technikkonzept sei im Wettbewerb entworfen, aber erst in der Phase des Vorprojekts detailliert ausgearbeitet worden. Dabei sei es zur erwähnten Fehleinschätzung und zum Übertragungsfehler gekommen.
Bei der Frage der Verantwortlichkeit bleibt der Stadtrat vage: «Das Wettbewerbsprogramm wurde unter der Federführung des Amts für Hochbauten erstellt unter Einbezug von internen und externen Spezialistinnen und Spezialisten.»
Sistierung käme «zur absoluten Unzeit»
Ein Übungsabbruch oder eine Sistierung des Projekts kommt für die Stadt nicht infrage. Dies käme «zur absoluten Unzeit» und würde Mehrkosten generieren. Allein die bisher aufgelaufenen Kosten betragen rund 12 Millionen Franken.
Dafür versichert der Stadtrat, er habe das Raumprogramm nochmals kritisch überprüft. Resultat: «Das bestellte Raumprogramm basiert auf dem ausgewiesenen und in den letzten Jahren deutlich gestiegenen Bedarf der Nutzenden aus dem Wasser-, Eis- und Rasensport.» Dank der Zusammenlegung von quasi drei Sportanlagen gebe es wertvolle Synergien bei der Raum- und der Energienutzung.
SVP fordert Redimensionierung
SVP-Gemeinderat Reto Brüesch hält die Antwort des Stadtrats für «ernüchternd», wie er sagt. Es deute wenig darauf hin, dass im Hochbaudepartement ein Lernprozess in Gang gekommen sei. Erstaunlich sei zudem, dass die Stadt zwar eine Vielzahl von Gründen für die Verdoppelung der Kosten finde, «aber niemanden, der dafür verantwortlich ist». In der Privatwirtschaft hätte eine derartige Kostenentwicklung personelle Konsequenzen, ist Brüesch überzeugt.
Beim Sportzentrum Oerlikon lässt die SVP nicht locker. Sie wird nach den Sportferien ein Postulat einreichen, das einen temporären Projektstopp und eine Redimensionierung des Projekts auf unter 300 Millionen Franken verlangt.
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