PreisentwicklungÜberraschend sinkt die Inflation in der Schweiz – wars das?
Während in der Eurozone die Marke von 10 Prozent erreicht wurde, geht die Teuerung in der Schweiz im September zurück. Ökonomen ordnen ein.
Die Inflation in der Schweiz ist im September überraschenderweise leicht zurückgegangen. Es handelt sich um den ersten Rückgang der Teuerung seit fast zwei Jahren. Die Konsumentenpreise stiegen im September im Vergleich zum Vorjahr allerdings noch immer um 3,3 Prozent, wie das Bundesamt für Statistik (BFS) am Montag mitteilte. Im August hatte die Inflation allerdings noch bei 3,5 Prozent gelegen – und damit auf dem höchsten Stand seit fast dreissig Jahren. Der Rückgang kommt überraschend. Die meisten Ökonomen hatten im Vorfeld mit einer Stabilisierung oder sogar einem weiteren Anstieg gerechnet.
Teurer sind weiterhin vor allem die Importgüter, die im Berichtsmonat 7,8 Prozent mehr kosteten als vor Jahresfrist – nach +8,6 Prozent im August. Bei den Inlandgütern betrug die Jahresteuerung wie im Vormonat lediglich 1,8 Prozent.
Treibstoff ist ein Grund
Auch im Vergleich zum Vormonat August gingen die Konsumentenpreise im September per Saldo zurück. Der entsprechende Landesindex der Konsumentenpreise sank im Vergleich zum Vormonat um 0,2 Prozent auf 104,6 Punkte.
Laut BFS ist dieser Rückgang auf verschiedene Faktoren zurückzuführen, unter anderem auf gesunkene Preise für Treibstoffe, Heizöl, Hotellerie und Parahotellerie. Gestiegen seien hingegen die Preise für Bekleidung und Schuhe.
Die VP Bank schreibt in einem Kommentar: «Auch vom starken Franken profitiert die Schweiz: Die eidgenössische Valuta hat binnen eines Jahres um deutlich mehr als 10 Prozent gegenüber dem Euro aufgewertet. Der Wareneinkauf aus dem gemeinsamen Währungsraum bleibt damit trotz Preissteigerungen verhältnismässig günstig. Die starke Währung hilft also, die Teuerungsraten unter Kontrolle zu halten. Wurden die Aufwertungen des Frankens lange Zeit als Fluch erachtet, sind sie mittlerweile zum Segen geworden. Können industrielle Vorprodukte aus der Eurozone günstig eingekauft werden, hilft das den eidgenössischen Unternehmen wettbewerbsfähig zu bleiben – trotz der starken Währung.»
Raiffeisen-Ökonom Alexander Koch sieht konkret den gesunkenen Ölpreis und den wieder besser beschiffbaren Rhein als Treiber für die Entwicklung. Wegen des tiefen Pegelstands des Flusses hatten zuletzt mehr Waren via Lastwagen in die Schweiz gekarrt werden müssen – was teurer ist.
Höhepunkt überschritten?
«Abgesehen davon verzeichneten aber auch die anderen Güter und Dienstleistungen lediglich leichte Preissteigerungen», so Koch. Ein Grund dafür sei, dass der erstarkte Franken einen Teil der importierten Inflation absorbiert habe.
Ähnlich sieht dies CS-Ökonom Maxime Botteron. Die Warenpreise hätten sich insgesamt abgeschwächt, jene für Dienstleistungen hätten sich stabilisiert. «Wir glauben , dass die Inflationsrate in der Schweiz ihren Höhepunkt erreicht hat», schlussfolgert er.
Dem widerspricht Swiss-Life-Experte Marc Brütsch. Er sieht den aktuellen Rückgang der Inflation nur als zwischenzeitliche Entspannung. «Wir erwarten aufgrund des hohen Anteils administrativ festgebundener Preise, etwa für Strom, für Anfang nächstes Jahr einen nochmaligen Anstieg.»
Mögliche Folgen für SNB
So oder so bleibt Teuerung in der Schweiz auf einem relativ hohen Niveau. Zum Vergleich: In der Finanzkrise von 2008 und 2009 wurden Monatswerte von maximal 3,1 Prozent gemessen. Höhere Werte als zuletzt gab es in den frühen 1990er-Jahren, als in einzelnen Monaten Raten von über 6 Prozent registriert wurden.
Die aktuellen Teuerungsraten liegen auch über dem für die Schweizerischen Nationalbank akzeptierten Maximalwert von 2 Prozent. Deshalb sind auch weitere Zinserhöhungen nicht vom Tisch. «Insgesamt sprechen die Inflationsdaten vom September immer noch für eine moderate Straffung der Geldpolitik», meint CS-Experte Botteron.
Weitere Abkoppelung
Er geht aber nicht davon aus, dass die SNB den Leitzins nochmals massiv anhebt. Konkret prognostiziert er für die Dezember-Lagebeurteilung nur eine Erhöhung um 25 Basispunkte. Die SNB hatte vor knapp zwei Wochen – mit Verweis auf die anziehende Teuerung – ihren Leitzins deutlich um 0,75 Prozentpunkte auf 0,50 Prozent angehoben und damit die Ära der Negativzinsen beendet.
Auch Raiffeisen-Ökonom Koch sieht in den neusten Daten Argumente für die SNB, bei der Normalisierung der Geldpolitik «weitaus weniger aggressiv» fortzufahren als die US-Notenbank Fed oder die Europäische Zentralbank (EZB).
«Denn die Schweizer Inflation konnte sich vom steilen Aufwärtstrend in den Nachbarländern weiter abkoppeln», begründet er. Die Teuerung in der Eurozone etwa war im September mit 10,0 Prozent so hoch wie nie seit Einführung der Gemeinschaftswährung im Jahr 1999. In den USA lag die Inflationsrate im August bei 8,3 Prozent, nachdem sie im Juni mit 9,1 Prozent den höchsten Stand seit über 40 Jahren erreicht hatte.
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hatte vor knapp zwei Wochen – mit Verweis auf die anziehende Teuerung – ihren Leitzins deutlich um 0,75 Prozentpunkte auf 0,50 Prozent angehoben und damit die Ära der Negativzinsen beendet.
SDA/cpm
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