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E-Auto-Pionier auf Talfahrt
Elon Musk, Weltmeister der Ankündigungen

epa11277574 CEO of Tesla Motors Elon Musk attends the tenth Breakthrough Prize Ceremony at the Academy Museum of Motion Pictures in Los Angeles, California, USA, 13 April 2024. The gala honors acclaimed science and mathematics luminaries  with leading figures from the worlds of entertainment, technology, sports and business.  EPA/CAROLINE BREHMAN
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Es war eine der peinlichsten Shows von Tesla-Chef Elon Musk: Er werde einen humanoiden Roboter auf den Markt bringen, schon im kommenden Jahr, versprach der Firmenchef 2021 auf dem «AI Day» von Tesla. Dann kam die «Innovation» auf die Bühne: ein Tänzer im schwarz-weissen Ganzkörperanzug. 45 Sekunden lang zappelte er zu Technomusik. Mehr Technologie war nicht zu sehen.

Inzwischen arbeiten Teslas Ingenieure tatsächlich an dem Roboter, Optimus genannt. Doch dessen Fähigkeiten sind noch sehr überschaubar. Von einem Einsatz in der Autofabrik, wo Optimus «langweilige, repetitive und gefährliche Arbeiten» übernehmen soll, wie es Musk vor drei Jahren formulierte, ist er offensichtlich noch weit entfernt. «Fake it till you make it» («Tu so als könntest du es, bis du es schaffst») – so lautet ein Leitspruch der Start-ups aus dem Silicon Valley. Teslas Roboter-Videos aus den vergangenen Jahren passen perfekt dazu.

In anderen Bereichen hat Elon Musk geliefert, das kann keiner bestreiten. Tesla baut das derzeit meistverkaufte Auto der Welt, den Tesla Model Y. Das Unternehmen ist in wenigen Jahren vom Start-up auf 140’000 Mitarbeiter weltweit gewachsen und hat fast die Verkaufszahlen des Konkurrenten Audi erreicht. Tesla hat die globale Autoindustrie völlig durcheinandergewirbelt.

Robotaxi als nächste Innovation

Jetzt aber stehen die Amerikaner massiv unter Druck. Im ersten Quartal hat das Unternehmen zum ersten Mal seit 2020 weniger Autos verkauft, der Gewinn ist eingebrochen. Musk hat die Preise im vergangenen Jahr drastisch gesenkt, trotzdem schwächelt der Absatz weiter. Der Aktienkurs ist empfindlich gefallen. Nun soll ein Personalabbau um zehn Prozent die Kosten senken. Ausserdem setzt Musk auf sein bewährtes Rezept und verspricht einen Innovationssprung. Sein nächstes grosses Ding: das Robotaxi.

Allerdings folgten Musks grossen Ankündigungen – gern mit dem Pathos des Weltenretters vorgetragen – meist Durststrecken, oft sogar sehr lange. Beim Cybertruck, dem Pick-up von Tesla, war es so, beim elektrischen LKW Semi, dem eigenen Supercomputer, den grösseren Wunderbatterien. Musk ist der Weltmeister, wenn es um grosse Ankündigungen geht. Das ist Teil seines Erfolgs.

So wie der humanoide Roboter gilt das autonom fahrende Auto als Königsdisziplin der künstlichen Intelligenz (KI). Schon seit Jahren arbeitet Tesla daran, nun hat Musk für den 8. August eine Präsentation angekündigt. Bereits am Donnerstag enthüllte Tesla die dazugehörige App und verkündete den Namen des Robotaxis: CyberCab.

Der jüngste Quartalsbericht des Konzerns liest sich wie eine Herleitung zur anstehenden Präsentation. Im Abschnitt zur neuen Version V12 des Fahrassistenzsystems «Full Self Driving» (FSD) heisst es: «Dieses System wurde anhand von Daten aus einer Flotte von über einer Million Fahrzeugen trainiert und nutzt KI, um die Fahrzeugsteuerung (Lenkrad, Pedale, Blinker usw.) zu beeinflussen, anstatt jedes Fahrverhalten fest zu programmieren. V12 markiert eine neue Ära auf dem Weg zur vollständigen Autonomie.»

Konkurrenz überholt Tesla beim autonomen Fahren

Reicht das für ein Robotaxi? Nein, sagt ein hochrangiger Manager eines Zulieferers: «Tesla ist technisch nicht in der Lage, ein System zu bauen, das über einen Fahrassistenten auf Level 2 hinausgeht.» Mit Level 2 sind nach der Definition der US-Ingenieursvereinigung SAE Assistenzsysteme gemeint, bei denen ein menschlicher Fahrer jederzeit die Kontrolle behalten muss.

Die Ankündigung von Musk sei «ein Hoax», also eine Ente, sagt der Industrieinsider. Weil Teslas «Full Self Driving» rein auf Kameras fusse, werde es keine Zulassungsbehörde der Welt für den Einsatz in einem Robotaxi genehmigen.

Neben diesem grundsätzlichen technischen Problem hat die Tesla-Story vom überlegenen Autopiloten noch einen weiteren Schönheitsfehler: Gleich mehrere Konkurrenten haben den Elektroautohersteller beim autonomen Fahren überholt. Mercedes-Benz und BMW besitzen Zulassungen für Assistenten, bei denen die Fahrer auf der Autobahn die Hände vom Steuer nehmen und beispielsweise Filme sehen können.

Diese Systeme funktionieren zwar nur auf bestimmten Strecken und im stockenden Verkehr, sie sind aber ein Fortschritt gegenüber FSD. Daneben gibt es die Google-Schwesterfirma Waymo und die Intel-Tochter Mobileye, die echte Robotaxis bereits auf der Strasse testen.

Dennoch bleibt Musk nichts anderes übrig, als den Hype um die KI-Fähigkeiten von Tesla zu befeuern. An der Börse wird KI mit Billionen bewertet, die Fantasie rund um intelligente Computer lockt Anleger und Anlegerinnen an und hält sie bei der Stange. Wäre Tesla dagegen nur eine reine Autofirma, so wie Volkswagen, dann liesse sich der Börsenwert von mehr als 450 Milliarden Dollar nicht mehr rechtfertigen.

Humanoide Roboter sind gefragt

Noch glauben Anleger an eine grosse Zukunft. Am Kapitalmarkt ist Tesla mehr wert als die deutschen Autohersteller zusammen – auch weil es Musk immer wieder schafft, das Wesen der Firma neu zu interpretieren. Tesla ist für ihn und seine Fans eben kein Autohersteller, sondern eine Mission zur Rettung der Welt. Die Idee, mit E-Autos den Klimawandel zu bekämpfen, vertreten inzwischen allerdings auch andere Unternehmen mit Verve. Also schwenkt Musk um auf KI – mit dem Robotaxi und dem humanoiden Roboter als den prominentesten Anwendungsfällen.

Gerade die Roboter werden in der Start-up-Szene derzeit hoch gehandelt. Investoren gieren nach Beteiligungen in diesem Bereich – eigentlich gut für den Aktienkurs von Tesla. Nur lässt die Konkurrenz dem Elektro-Pionier nicht mehr so viel Vorsprung wie früher.

Sowohl BMW als auch Mercedes kooperieren mit Start-ups, die humanoide Roboter an die Montagelinien in den Fabriken bringen sollen. Die Branchenanalysten von CB Insights schätzen den Tesla-Roboter zwar als weiter entwickelt ein als die meisten Konkurrenten – mit Ausnahme des unbestrittenen Technologieführers Boston Dynamics –, doch Zweifel daran sind angebracht.

Im Januar veröffentlichte Musk ein Video, in dem der Roboter ein T-Shirt zusammenlegte. Kurz danach musste er zugeben, dass Optimus so etwas «noch nicht autonom tun kann». Mehr Schein als Sein. Im Video wird die Maschine ferngesteuert. Künftig werde sie diese Aufgabe aber in zufälligen Umgebungen erledigen können, ohne Tisch mit vielen T-Shirts. Fake it till you make it.

In Kooperation mit der «Welt am Sonntag», Teil der Leading European Newspaper Alliance.