Anschlagsversuch in MünchenVerhinderte der Schutz zum Gedenktag Schlimmeres?
Am Jahrestag des Terrorangriffs auf die Olympischen Spiele 1972 schoss ein 18-jähriger Österreicher mit einem Karabiner auf Polizisten und wurde von diesen getötet.
Ein junger Mann, der mit einem Weltkriegsgewehr samt Bajonett um das israelische Generalkonsulat und das benachbarte Dokumentationszentrum zum Nationalsozialismus streifte, ins Konsulat einzudringen versuchte und auf vor Ort wachende Polizisten zu schiessen begann, hat am Donnerstag München und ganz Deutschland in Aufregung versetzt.
Am Ende war der junge Mann tot, erschossen von den Sicherheitskräften. Und ein Verdacht stand im Raum: Dass der Angreifer einen Terroranschlag auf Israels Vertretung geplant hatte – ausgerechnet an dem Tag, an dem vor 52 Jahren ein palästinensisches Terrorkommando an den Olympischen Spielen Geiseln genommen hatte; elf Israelis und ein deutscher Polizist wurden dabei schliesslich ermordet.
Noch werde ermittelt, sagte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann einige Stunden danach am Tatort in der Münchner Innenstadt, aber heute sei «möglicherweise ein Anschlag auf das israelische Generalkonsulat geplant» gewesen. Am frühen Abend bestätigte die Polizei, dass sie von einem versuchten Terroranschlag ausgehe.
Ministerpräsident Markus Söder versprach den jüdischen und israelischen Einrichtungen weiterhin Schutz. Durch die schnelle und professionelle Reaktion der Polizei sei ausser dem Angreifer zum Glück niemand zu Schaden gekommen, aber: «Es bleibt ein Warnsignal an uns alle. Es kann jeden Tag etwas passieren.»
Islamistische Propaganda auf dem Handy
Vor zwei Wochen erst hatte ein Terrorangriff eines syrischen Flüchtlings im nordrhein-westfälischen Solingen Deutschland erschüttert. Der 26-jährige Issa al-H., der sich zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bekannt hatte, erstach mit einem Messer an einem Volksfest drei Menschen und verletzte acht weitere. Nach Berichten deutscher und österreichischer Medien handelt es sich auch beim Angreifer von München um einen Islamisten.
Emra I. war 18-jährig, österreichischer Staatsbürger mit bosnischen Wurzeln, der im Salzburger Land lebte und am Donnerstag selbst mit dem Auto von Salzburg nach München gefahren war. Schon an der Schule war I. als strenggläubiger Muslim aufgefallen und mehrfach mit anderen Schülern in Streit geraten. Der Salzburger Landesverfassungsschutz soll darauf eine Hausdurchsuchung bei ihm veranlasst haben, bei der auch islamistisches Propagandamaterial sichergestellt wurde.
Ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und des Verbreitens von islamistischer Propaganda wurde aber eingestellt. Den deutschen Behörden war Emra I. bisher nicht bekannt. Seit dem Angriff der palästinensischen Terrorgruppe Hamas auf Israel im vergangenen Oktober und Israels folgendem Krieg im Gazastreifen ist es weltweit vermehrt zu islamistischen Attentaten gekommen.
«Deutsche und Israelis gemeinsam gegen Terror»
Der israelische Präsident Isaac Herzog telefonierte am Donnerstag mit dem deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Beide verurteilten den Angriff, Herzog dankte Deutschland für das schnelle Eingreifen. Eine mögliche Katastrophe sei verhindert worden, schrieb Josef Schuster, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland. Ron Prosor, Israels Botschafter, sagte: «Deutsche und Israelis sind gemeinsam von Terror betroffen, deshalb müssen wir gemeinsam gegen Terror kämpfen.»
Auf dem Flugplatz Fürstenfeldbruck hätte am Donnerstag, wie seit 1997 jedes Jahr, der Opfer des Olympiaattentats von 1972 gedacht werden sollen. Wegen der Ereignisse in München wurde der Anlass mit Angehörigen der Opfer, Vertretern aus Politik und Gesellschaft sowie Israels abgesagt. Wegen des Gedenktags war das Generalkonsulat am Donnerstag geschlossen gewesen.
Die Münchner Vertretung war bereits im Mai Ziel eines Angriffs gewesen. Unbekannte hatten nachts eine Sprengstoffattrappe über den Schutzzaun geschleudert. Die Konsulin Talya Lador hatte danach von einem «Wake-up-Call für die deutschen Behörden» gesprochen. Wegen des Olympiagedenktags bewachten am Donnerstag offenbar mehr Polizeikräfte das Gebäude als an anderen Tagen.
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