Der gesündeste SportSie wollen länger leben? Spielen Sie Tennis!
Der Racketsport verlängert das Leben um fast zehn Jahre, sagt eine Studie. Zwei Experten erklären, was das Tennis für Körper und Geist so wertvoll macht.
Seit einigen Tagen hört man wieder das Ploppen der gelben Bälle. Die Sommer-Tennissaison hat begonnen, man macht sich wieder die blütenweissen Socken schmutzig, verzweifelt am eigenen Unvermögen oder jubelt bei gelungenen Bällen. Und am Schluss schüttelt man sich am Netz die verschwitzte Hand.
Die Schweiz ist mit rund 3000 Courts im Freien ein Tennisland, und das ist gut so. Denn Tennis ist der gesündeste Sport, den man wählen kann. Es erhöht die Lebenserwartung markant.
Vor Badminton und Fussball
Zu diesem Schluss kommt eine US-Studie, welche die sportlichen Aktivitäten von 8577 Teilnehmenden von 1991 bis 2017 mit deren Mortalität abglich. Da schnitten die Tennisspielerinnen und Tennisspieler am besten ab: Wer regelmässig das Racket schwingt, verlängert sein Leben im Schnitt um 9,7 Jahre. Tennis wird gefolgt von Badminton (6,2), Fussball (4,7), Velofahren (3,7), Schwimmen (3,4), Jogging (3,2), Übungen mit Eigengewicht (3,1) und Training im Fitnesscenter (1,5). Interessant: Sportarten mit sozialer Interaktion stehen an der Spitze.
Die US-Studie stützte sich auf die Daten der breit angelegten «Copenhagen City Heart Study», die 1975 initiiert wurde und ursprünglich dazu gedacht war, die Prävention von Herzkrankheiten und Schlaganfällen zu verbessern. Dabei wurden die Lebensgewohnheiten und die Gesundheit von rund 20’000 Däninnen und Dänen während Jahren verfolgt. Diese gaben auch an, welchen Sport sie regelmässig ausübten.
Auf der Suche nach der gesündesten Sportart filterten die US-Forscher 2018 rund 8600 Teilnehmende heraus, die während 25 Jahren an der ursprünglichen Studie teilgenommen hatten, und ermittelten, wer schon gestorben war. In ihrer Auswahl und Auswertung versuchten sie, die sozioökonomischen Faktoren – Tennisspielende sind tendenziell eher wohlhabender und gebildeter als andere – mit einzurechnen.
Je mehr Sport, desto besser? Nein!
Am frühesten starben jene, die nie Sport getrieben hatten. Was nicht ganz überraschend ist. Erstaunt waren die Autoren aber darüber, dass Tennis von den acht untersuchten Sportarten am besten abschnitt. Und dass die Gesundheit nicht mit der Anzahl Stunden Sport korrelierte. So wies die Gruppe derer, die stundemässig am meisten Sport trieb, nämlich jene im Fitnesscenter, sogar den geringsten Anstieg der Lebenserwartung auf.
Natürlich seien die exakten Zahlen punkto Lebenserwartung mit Vorsicht zu geniessen, sagt Gommaar D’Hulst, Sportwissenschaftler an der ETH Zürich. Zumal dies eine Beobachtungsstudie sei, also eine Studie, in der Daten gesammelt werden, ohne dass ins Leben der Teilnehmenden eingegriffen wird. «Aber die Studie betont einige interessante Punkte. Zum einen, wie wichtig die soziale Interaktion neben der körperlichen Betätigung ist. Zum anderen, dass Tennis als hochintensives Intervalltraining einen Vorteil hat gegenüber einer gleichförmigen Bewegung wie etwa beim Jogging.»
Der im Raum Zürich wohnhafte Belgier gründete mit «wod_science» eine Plattform, mit der er die Erkenntnisse wissenschaftlicher Studien im Bereich Fitness und Sporternährung dem breiten Publikum zugänglich macht. Auf Instagram hat das Portal bereits 117’000 Follower.
D’Hulst ist also stets auf dem neusten Stand der Wissenschaft und sagt, die Kombination, die das Tennis biete, werde nun auch vermehrt im Fitnessbereich angestrebt: kein gleichförmiges Training mehr, sondern kombinierte Sportarten wie Crossfit, Hyrox oder Bootcamp, bei denen man Kraft- und Intervalltraining vereine und erst noch das Gemeinschaftsgefühl in einer Gruppe habe.
Einen unschlagbaren Vorteil habe Tennis aber, wie Tobias Bächle vom Bundesamt für Sport (Baspo) sagt: «Die kognitiven und koordinativen Fähigkeiten werden stark gefördert.» Tennis ist ein hochkomplexer Sport, in dem das Zusammenspiel von Körper und Geist hohe Ansprüche an die Ausübenden stellt. Man muss nicht nur die Bälle erlaufen, sondern versucht auch ständig, das Rätsel zu lösen, wie man das Gegenüber ausspielen kann. Immer wieder muss man unter Zeitdruck Entscheidungen treffen.
Bächle vergleicht Tennis mit dem Tanzen. «Wenn ich da eine neue Bewegung lerne, bin ich stark gefordert.» Er verweist auf eine deutsche Studie, die nachweist, dass Frauen und Männer, die dreimal die Woche ein spezielles Tanzprogramm absolvierten, langsamer alterten, ihren Gleichgewichtssinn entscheidend verbesserten und schwere Komplikationen bei Stürzen verringerten.
Zudem regt das Tanzen die «neuronale Plastizität» an – kurz: es wirkt sich positiv auf unsere Hirnleistung aus. Was angesichts der in unserer Gesellschaft fortschreitenden Demenz ein grosser Vorteil ist. Was Tennis betrifft, steckt die Forschung diesbezüglich noch in den Kinderschuhen. Gemäss Bächle ist ein ähnlicher Effekt im Tennis aber durchaus plausibel.
Einfachere Formen des Racketsports
Wer nun in fortgeschrittenem Alter erstmals ein Racket in die Hand nimmt, dürfte anfangs kaum Erfolgserlebnisse haben. Bächle rät zunächst zu einfacheren Spielformen, im Aufschlagfeld oder mit leichteren Bällen. Und er verweist auf den Boom von einfacher zu erlernenden Racketsportarten wie Padel oder Pickleball, die auf kleineren Spielfeldern ausgeübt werden. Padel boomt bereits in der Schweiz, das in den USA populäre Pickleball verbreitet sich ebenfalls allmählich.
Eine Eigenheit von Padel ist, dass es nur zu viert gespielt werden kann, die soziale Komponente da also noch ausgeprägter ist. Dies ist für Bächle wie für D’Hulst ein wichtiger Punkt. «Man weiss aus diversen Studien, dass Beziehungen sehr wichtig für uns sind», sagt Bächle. «Einsamkeit führt schneller zum Tod. Menschen mit guten sozialen Beziehungen leben länger, sind glücklicher und körperlich fitter.» Auf Tennis bezogen sei es aber schwierig, was Ursache und Wirkung sei: «Spielen Leute, die sowieso sozialer sind, eher Tennis? Und Einzelgänger betreiben eher Einzelsport?»
D’Hulst betont noch einen anderen Aspekt der sozialen Interaktion: Wer mit anderen Sport treibe, tue das regelmässiger. «Wenn du allein joggen oder in den Kraftraum gehst, kannst du die Einheit einfach ausfallen lassen, wenn du keine Lust hast. Das kümmert niemanden. Wenn deine Crossfit-Gruppe um 18 Uhr trainiert, musst du dort sein. Wenn das Fussballtraining beginnt, erwartet man dich. Sonst lässt du das Team im Stich. Wenn du dich zum Tennis verabredet hast, musst du erscheinen.»
Nehmen Sie also das Telefon in die Hand und machen Sie zum Tennis ab.
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