Tiktok gegen UniversalAuch Schweizer Songs sind schon weg
Das Musiklabel Universal und die Videoplattform Tiktok streiten über Vertragsbedingungen. Um wie viel Geld geht es? Und was passiert jetzt mit der Musik?
Was passiert mit der Musik?
Universal Music macht seine Drohung gegenüber Tiktok wahr: Ab 1. Februar sind die ersten Lieder von grossen Musikstars von der chinesischen Videoplattform verschwunden. Hintergrund ist ein Verhandlungsstreit.
So stehen etwa Songs von Taylor Swift nicht mehr zur Verfügung, nur noch bearbeitete Versionen, die als neue Songs gelten, sind auffindbar. Auch «Murder on the Dancefloor» von Sophie Ellis-Bextor, einer der grossen aktuellen Hits auf Tiktok, ist weg, genauso wie die Lieder von EAZ, dem Schweizer Rapper, der vergangenes Jahr mit «Juicy» international für Aufsfehen sorgte. Bestehende Videos, die mit Musik von Universal unterlegt sind, werden stummgeschaltet und können aber mit neuen Songs versehen werden, wie «Bloomberg» berichtet.
Reaktionen von Stars wie auch von Fans lassen bislang auf sich warten. Daran dürften sich die Verhandlungen entscheiden: Nehmen Nutzerzahlen und das Engagement auf Tiktok ab, hat Universal stärkere Argumente im Verhandlungsstreit mit der Videoplattform. Verändert sich auf Tiktok hingegen kaum etwas, wird Universal eher einlenken müssen.
Und es dürfte noch eine ganze Weile dauern, bis alle Songs, die von Universal vertreten werden, von der Plattform entfernt werden. Im Vertrag, der am 31. Januar ausgelaufen ist, sei wohl eine 30-Tage-Frist vereinbart gewesen, berichtet «Music Business Worldwide». Sollten sich die beiden Parteien nicht mehr einig werden, wird es also wohl erst Ende Februar so weit sein, dass sämtliche Musik mit Bezug zu Universal verschwunden sein wird.
Worum geht der Streit?
Streitpunkt sind die Zahlungen, die Tiktok für die Lizenzierung der Songs entrichtet, mit denen die Nutzer ihre Videos auf der Plattform unterlegen. Im offenen Brief vom 30. Januar hielt Universal Music fest, dass Tiktok mit seinen Zahlungen lediglich 1 Prozent zum Umsatz des Musiklabels beiträgt. Ausgehend von einem Jahresumsatz von etwas mehr als 10 Milliarden Dollar (2022) von Universal dürfte Tiktok rund 100 Millionen Dollar an die Gruppe überwiesen haben.
Andere Social-Media-Plattformen wie Meta würden das Zwei- bis Dreifache an Universal zahlen, hat Guggenheim Partners analysiert. Nun ist Tiktok aber so stark gewachsen wie keine andere Plattform – und hat 2023 18 Milliarden Dollar Werbeumsatz erzielt. Tiktoks Mutterkonzern ByteDance soll sogar 110 Millarden Dollar verdient haben. Universal sieht sich hier im Recht, mehr Anteile davon einzufordern.
Wie Lorenz Haas vom Schweizer Musikbranchenverband Ifpi vermutet, dürfte Tiktok mit allen Labels jeweils fixe Pauschalbeträge ausgemacht haben, die sie jährlich überweisen. Es könnte sein, dass Universal darauf pocht, dass ihre Lieder nun nach Nutzung abgegolten werden.
Wie viel Einfluss hat Universal?
Die Universal Music Group ist das grösste Musiklabel der Welt. Über ein Drittel der weltweit verfügbaren Musik kommt von Bands und Sängerinnen, die bei Universal unter Vertrag sind.
Andere Künstlerinnen und Künstler sind nicht bei Universal unter Vertrag, lassen aber ihre Musik über die Publishing-Gruppe von Universal vertreiben. Prominentes Beispiel: Adele. Auch ihre Musik ist von Tiktok verschwunden.
Zudem droht Universal damit, sämtliche Musik zu entfernen, bei der Künstlerinnen und Künstler von Universal auch nur beteiligt sind: Sobald also ein Universal-Songwriter involviert ist – selbst wenn er nur 1 Prozent Anteil am Song hat –, könnte das Label darauf bestehen, dass das Lied nicht mehr verwendet wird.
Branchenkenner schätzen, dass bis zu 80 Prozent «der relevanten Musik» auf den Streamingplattformen mit Universal verknüpft ist. Wenn diese von Tiktok verschwindet, werden die Nutzerinnen und Nutzer das auf empfindliche Weise spüren. Ob die Nutzung der App ohne diese beliebten Lieder noch gleich viel Spass macht, darf bezweifelt werden.
Welche Argumente hat Tiktok?
In der Antwort auf Universals offenen Brief beruft sich Tiktok darauf, dass die App für Musikerinnen und Musiker die wichtigste Werbeplattform geworden ist. Tatsächlich bestimmt Tiktok die Hits inzwischen mit grosser Beständigkeit – 2022 waren 13 der 14 Nummer-eins-Hits in den US-Charts von Tiktok-Hypes getrieben.
Die Werbeeffekte sind enorm. Eine Auswertung von Luminate Data zeigt, dass auch die Verkäufe von Fanartikeln und Streams auf Spotify und Apple Music stark von Tiktok beeinflusst werden. Tiktok hat die musikaffinste Nutzerschaft aller sozialen Netzwerke.
Wenn für aufstrebende Künstlerinnen und Künstler diese Promo-Power und die Möglichkeit, viral zu gehen, wegfallen, ist das ein Problem für Universal. Ausserdem ist zu erwarten, dass auch etablierte Acts anderer Labels wenig erfreut darüber sind, wenn ihre Lieder verschwinden, nur weil allenfalls ein Universal-Künstler einen kleinen Anteil am Songwriting hat.
Ausserdem ist es aufwendig, den Urheberrechtsverletzungen auf den Plattformen nachzugehen. Illegal hochgeladene Versionen, Covers oder beschleunigte Versionen der beliebtesten Lieder landen ständig auf Tiktok – und müssen von Universal immer wieder beanstandet werden. Das kostet viel Geld, wie ähnliche Fälle schon gezeigt haben.
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