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TV-Kritik «Tatort»
Es ist der vielleicht härteste München-«Tatort» aller Zeiten

Die beiden weisshaarigen Kultermittler Leitmayr (links) und Batic sowie ihr Assistent Kalli wachsen in «Schau mich an» zu einem engen Team zusammen.
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Die News, dass das Münchner Kultteam Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) 2026 nach genau 100 Fällen und 35 Jahren den Dienst quittieren wird, hat Anfang Jahr den «Tatort»-Kosmos erschüttert. Ob der Assistent Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer), der seit 2014 mitermittelt, dann bleibt, ist noch offen. In der neuen Episode läuft er jedenfalls zu grosser Form auf und bekommt im Finale, nach einem Jahrzehnt Zusammenarbeit, von den Kommissaren endlich das «Du» angeboten.

Die zwei alten Herren (samt wackligem Rauhhaardackel) sind froh, dass der junge Schnaufer seinen Alleingang überlebt hat, und wir sind es auch: Da wurde in der letzten halben Stunden noch mal kräftig an der Spannungskurbel gedreht, mit Fokus auf Kalli. Die Hauptstory von «Schau mich an» dreht sich freilich um einen jungen Mann, der sich Dahmer nennt (nach dem amerikanischen Serienmörder), erst grausam Hundebabys tötet und später zur Folter und Ermordung junger Frauen übergeht: Er ist ein Aufmerksamkeitsjunkie, Produkt und Symbol unserer selbstdarstellungsbesessenen Zeit, und filmt seine Untaten – und die Internet-User reagieren auf die blutrünstigen Filme mit Tausenden von Likes.

Auch Jugendliche ziehen sich «den Dreck» ungehindert rein, berichtet Kalli seinen Grufti-Vorgesetzten. Die schrankenlose, ungesunde Zugänglichkeit von solchem Videomaterial ist ein Leitmotiv des Films, das mit der Zeit allerdings etwas in den Hintergrund gerät.

Regisseur und Drehbuchautor Christoph Stark hat den Kantengang versucht, von der voyeuristischen Lust zu erzählen, ohne sie zu bedienen. Insgesamt ist ihm das gelungen. Immer wieder zeigt der geradezu sachlich gehaltene Film genau so viel Gewalt, dass die Grenze des Nocherträglichen geschrammt, die Brutalität aber nur im Kopf des TV-Publikums bis ins Letzte ausgesponnen wird. Das «Tatort»-Team hat diese Linie im engen Kontakt mit dem Jugendschutz gezogen, dennoch wird der Film in der Isarstadt bezeichnenderweise als der «härteste München-Tatort aller Zeiten» beworben.

«Jemand schaut auf dich, während du etwas Unvorstellbares, ganz Unbegreifliches tust», erklärt die Tierschützerin dem Ermittlungsassistenten Kalli.

Das sadistische Verhalten vor der Kamera sei wie «der umgekehrte Blick durchs Schlüsselloch», erklärt eine der Tierschützerinnen, die einst auf den Welpenmörder Jagd gemacht hatten. «Jemand schaut auf dich, während du etwas ganz Unbegreifliches tust. Das ist ein sehr intimer, verletzlicher Moment für den Täter, aber auch für den, der zusieht.»

Der Typ mit der Maske hat den Hass von Tierschützern auf der ganzen Welt auf sich gezogen wie seinerzeit Luka Magnotta: Auf diesen echten Fall stützt sich Autor Stark für die Entwicklung seiner Dahmer-Figur. Starks Tierschützer hatten den Dahmer-Epigonen früher in Wien aufgespürt, nun hat der dortige Oberstleutnant Eisner (Harald Krassnitzer) in München einen Gastauftritt per Zoom. Denn der Gewalttäter ist abgetaucht, und nur die zerstückelte Frauenleiche in einem Münchner Abwasserkanal gibt einen Hinweis.

«Schau mich an» ist streckenweise ziemlich schrecklich zum Anschauen. Auch sind nicht alle Wendungen und Finten dieser Täter- und Voyeurismusstudie wirklich glaubwürdig. Aber egal: Die Münchner verstehen ihr Handwerk, verspotten im Nebenbei nonchalant gar ihre eigene Schauspielzunft – und als Zuschauer bleibt man dran bis zum Schluss.