Omikron-WelleTaskforce bekräftigt Forderung nach einem Teil-Lockdown
Das Wissenschaftsgremium wollte, wie am Dienstag publik wurde, die Gastronomie schliessen lassen. Die Empfehlung gelte weiterhin, heisst es nun bei der Taskforce. Silvesterfeiern wären gefährdet.
Vor Omikron warnt Tanja Stadler in ihren Auftritten seit der Entdeckung der Virusvariante. Mit konkreten Forderungen an die Politik hielt sich die Präsidentin der wissenschaftlichen Covid-19-Taskforce in den fünf Wochen, in denen Omikron die Welt eroberte, zurück – zumindest öffentlich. Am Dienstag vor den Bundeshaus-Journalistinnen und -Journalisten vermied die Biosystem-Professorin einmal mehr jegliche Massnahmen-Empfehlungen.
Umso überraschender wirkte es, dass die Taskforce nur kurz nach der Pressekonferenz publik machte, dass sie bereits am 11. Dezember dem Bundesrat und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) einen Teil-Lockdown empfohlen hatte. Die entsprechenden Einschätzungen veröffentlichte sie integral als Anhang zu ihrer aktuellen epidemiologischen Lagebeurteilung, also eher beiläufig.
Die Taskforce rät zur «Schliessung aller Lokalitäten, wo keine Maske getragen werden kann».
Die Empfehlungen würden bedeuten, dass Restaurants, zumindest drinnen, keine Gäste mehr empfangen könnten. Hallenbäder müssten zutun. Denn die Taskforce rät zur «Schliessung aller Lokalitäten, wo keine Maske getragen werden kann».
Wären weitere ihrer Vorschläge umgesetzt worden, wäre auch das Weihnachtsfest für viele nicht möglich gewesen, wie es dann doch möglich war. Das Wissenschaftsgremium hielt es für notwendig, private Kontakte auf maximal zwei Haushalte zu beschränken. Ebenso sollten Schweizer Schülerinnen und Schüler zweimal pro Woche auf das Coronavirus getestet werden.
Der Bundesrat ist solchen Empfehlungen bekanntlich nicht gefolgt.
Worst Case «weniger plausibel»
Hinfällig geworden sind die wissenschaftlichen Empfehlungen damit ganz und gar nicht. Die Einschätzung gelte «generell weiterhin», schreibt die Taskforce auf Anfrage. Omikron hat sich seit den Empfehlungen vom 11. Dezember in der Schweiz stark ausgebreitet – in etwa so, wie es Stadler und die anderen 24 Expertinnen und Experten prognostiziert haben. Sie erwarten bereits in der ersten Januarhälfte in der Schweiz 20’000 und mehr Corona-Fälle pro Tag. «Daher sollte auf Szenario 1 und 2 fokussiert werden», schreibt die Taskforce weiter.
Mit der Schliessung der Gastronomie und der Beschränkung privater Kontakte auf Personen aus maximal zwei Haushalten wären auch viele Silvesterfeiern nicht mehr wie geplant möglich. Allerdings gibt es momentan keine Anzeichen, dass derartige Einschränkungen geplant sind.
Abgerückt ist die Taskforce von ihrem Szenario 3, das sie am 11. Dezember noch skizziert hatte und für das sie sogar noch einen weitreichenderen Lockdown empfahl. Dieses Worst-Case-Szenario wäre eingetreten, wenn sich herausgestellt hätte, dass eine Impfung bei Omikron wenig oder keinen Schutz vor einem schweren Krankheitsverlauf bietet. Dies scheint aber nicht der Fall zu sein. Und deshalb hält die Taskforce Szenario 3 mittlerweile für «weniger plausibel».
Teil-Lockdown-Empfehlung blieb geheim
Der Öffentlichkeit wurden die weitreichenden Forderungen des Wissenschaftsgremiums zweieinhalb Wochen vorenthalten. Gemäss Taskforce widerspricht dies nicht dem normalen Ablauf: Einschätzungen, welche einen Einfluss auf Entscheide des Bundes haben könnten, würden «gemäss Mandat immer zuerst den Behörden vorgelegt und zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht».
Auch die Kantone und Verbände dürften – wie sich aus einer Auskunft des BAG schliessen lässt – erst am Dienstag von der wissenschaftlichen Teil-Lockdown-Empfehlung erfahren haben. Sie haben also nichts davon gewusst, als sie vor rund zwei Wochen zu den vom Bundesrat angestrebten Verschärfungen Stellung nehmen konnten. Gerade Schritte wie den faktischen Beizen-Lockdown lehnten sie in der Konsultation grossmehrheitlich ab.
Die schweizweiten Massnahmen wurden eine Woche vor Heiligabend verschärft – allerdings weit weniger, als die Taskforce empfohlen hatte. Betroffen davon sind vor allem Nichtgeimpfte und Nichtgenesene, die mittlerweile von weiten Teilen des öffentlichen Lebens ausgeschlossen sind. Zudem hat der Bundesrat eine Homeoffice-Pflicht verordnet. Bei diesen Schritten decken sich die Einschränkungen mit den Empfehlungen der Taskforce.
Maulkorb-Forderung mit Nachwirkung
Die Empfehlungen der Taskforce und einzelner Mitglieder gingen bereits früher in der Pandemie mehrfach deutlich über die dann getroffenen Einschränkungen hinaus. Im Februar 2021 wollte die Wirtschaftskommission des Nationalrats das Gremium disziplinieren. Ihre Forderung nach einem Maulkorb fand aber in der grossen Parlamentskammer keine Mehrheit.
Die Taskforce hielt sich in der Folge – auch nach Fehlprognosen im Frühling und einem deutlichen Rückgang der Fallzahlen – mit konkreten Empfehlungen an die Politik eher zurück. Seit die Corona-Erkrankungen im Spätsommer wieder zunahmen, hat sie sich wieder vermehrt eingeschaltet – allerdings lange nicht mehr mit so weitreichenden Empfehlungen wie denjenigen, die sie nun bekräftigt.
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