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Sweet Home
Wohntrends aus Paris zwischen Nostalgie und Futurismus

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In der ersten Septemberwoche fand wieder die renommierte Dekomesse «Maison et Objet» in Paris statt. Es geht dabei nicht um die grossen Designneuheiten, diese werden jeweils an der Mailänder Möbelmesse vorgestellt, sondern um die kleinen Dinge, die das Zuhause persönlich machen. Von überall reisen Shopbesitzerinnen und -besitzer an, um einzukaufen. Die Messe ist überschaubar und so gestaltet, dass die Besucherinnen und Besucher inspiriert werden. Trendinszenierungen und Veranstaltungen gehören immer dazu und sind jeweils Highlights.

In dieser Saison ging es um die Zukunft, und das in Verbindung mit der Vergangenheit. Dabei dachte ich ganz fest an die fabulösen Feierlichkeiten der Olympischen Spiele, die nicht nur Paris, sondern die ganze Welt verzauberten. Die Magie lag noch in der Luft, denn die Paralympics fanden zeitgleich mit der Messe statt.

So war denn auch der Ballon mit dem olympischen Feuer eine Art Symbol für die Trends, die gerade in der Luft liegen. Wie ein kleiner Planet guckte er aus dem Park heraus und zeigte, dass sich in Paris Futurismus und Nostalgie ganz wunderbar treffen können. Alle Fotos: Marianne Kohler Nizamuddin

Meinen Besuch beginne ich jeweils einen Tag zuvor, denn ich möchte mich erst einmal ganz privat und in Ruhe mit der wunderschönen Stadt, die ich über alles liebe, treffen. Mein Weg führte mich in die Opéra Garnier, über die ich vor einer Weile eine spannende Dokumentation auf Arte gesehen habe. Irgendwie scheint hier alles zusammenzukommen, die glanzvolle Vergangenheit, eine neue Zukunft und ein Blick zu den Sternen.

Die Stars der Oper sind nicht nur die Künstler, die Musik schrieben, spielten, tanzten oder sangen, sondern auch der visionäre Architekt Charles Garnier (1825–1898) und seine Gruppe von Künstlern und Kunsthandwerkern, mit denen er dieses Prunkstück erschaffen hat. Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall. Die Räume, die Details und das Kunsthandwerk sind atemberaubend schön.

Und genau da geht es in Sachen «neue Pariser Wohntrends» los, denn das alte, traditionelle Kunsthandwerk steht wieder im Zentrum. Ein kleines Juwel entdeckte ich in «meinem» Quartier, dem 9. Arrondissement, in dem ich jeweils wohne und mit dem mich eine lange Vergangenheit und Liebe verbindet. Eine kleine schmucke Galerie, in der die Schaufenster mit bunten Gläsern noch mehr farbiges Glas und charmante bunte Stoffe zeigten, strahlte mir entgegen.

In der «La Galerie de Pierre Marie», einem ehemaligen Antiquitätengeschäft, zeigt der Künstler und Designer seine dekorativen Kreationen und das Kunsthandwerk seiner Partner und Manufakturen. Im Zentrum stehen Glasmalerei, Wandteppiche, Teppiche, Leuchten, Möbel und Textilien.

Die momentane Ausstellung heisst «Lemuriforme» und findet in Kooperation mit Les Manufactures Emblem statt, einem Unternehmen, das seltene dekorative Techniken und das Know-how des französischen Kunsthandwerks zusammenführt. Sie dauert noch bis zum 31. Oktober 2024.

Gewidmet ist die Ausstellung «Lemuriforme» dem Lemuren, der seinen Namen, der auf Lateinisch «Geist» bedeutet, dem Naturforscher Carl von Linné verdankt. Er wacht in dem zauberhaften Raum als riesengrosses Wandbild und schützt die Schätze von Pierre Marie. Dazu gehört dieser Schrank, dessen Keramiken, die ihn bedecken, in der Cloisonné-Technik von der Manufaktur Émaux de Longwy in Lothringen ausgeführt wurden.

Die Holzfurnierarbeiten sind von Craman Lagarde  und mit sogenannten Lichtspiegeln geschaffen worden. Ein Zeichen dafür, dass man die Spuren einer uralten und delikaten Tradition entdeckt und in den Arbeiten die Geister vieler Handwerker sieht, die sich für die Bewahrung und Pflege eines tief verwurzelten Erbes einsetzen. Folgen Sie @pierremariepm auf Instagram.

Die Vollkommenheit, mit der Pierre Marie altes Kunsthandwerk mit zeitgenössischen Kreationen verbindet, ist eine hohe Messlatte und wird natürlich auf der Messe, die sich vor allem kommerziellen Produkten widmet, pragmatischer umgesetzt.

Aber das Kunsthandwerk spielt auch hier eine sehr gross Rolle und nimmt in den Hallen einen wichtigen Platz ein. Man greift an der «Maison et Objet» gleich doppelt nach den Sternen: Einerseits besinnt man sich zurück auf die Manufakturen. Anderseits möchte man neue Stars entdecken, die mit ihrer Handwerkskunst und neuen Produkten herausleuchten.

Die Trendshow «Terra Cosmos», die von dem Stilberater François Delclaux zusammengestellt wurde, will die Zukunft des Einzelhandels darstellen. Nach dem Motto «Es lohnt sich in die Sterne zu schauen, um eine bessere Sicht auf die Erde zu bekommen» führt er in drei Destinationen: auf den Mars, den Neptun und den Mond.

Alle drei Planeten bieten eine Bühne für die Präsentation von schönen und begehrenswerten Dingen. Solche Trendshows helfen den Einkäuferinnen und Einkäufern, sich in der Masse von Angeboten zurechtzufinden. Alles ist mit Liebe und Können selektioniert und vereinfacht es, besondere Dinge zu entdecken.

Wunderschön sind die Terracotta-Gefässe von Lisa Maïofiss, die von einer anderen Welt erzählen, die riesigen Kristallvasen von Mineral Series oder die interessanten Objekte der Galerie Sana Moreau, die sich auf ukrainisches Kunsthandwerk spezialisiert hat.

Lebendiger zeigte sich die Inszenierung der Zukunft der Gastfreundschaft. Sie stand als Raum im grossen Raum in einer der Messehallen. Abgegrenzt von langen, transparenten, farbigen Voile-Vorhangbahnen. Wie ein übergrosses Patchwork, mit Steppstichen bestickt, bewegten sich die Stoffe sanft im Luftstrom der vorbeigehenden Besucher.

Im Raum fand man so ziemlich alles: interessante Möbel und Objekte, ein Café, in dem man essen, trinken und Pause machen konnte, ein Schlafzimmer, ein Bad, eine Garderobe, aber vor allem Inspiration und eine riesengrosse Portion Sinnlichkeit. Kreiert hat diese Welt der belgische Tausendsassa Lionel Jadot mit einer Gruppe von Künstlerinnen und Kunsthandwerkern.

Weit weg von Keramikplättchen und gängigen Mustern zeigte sich das Bad. Jadots Designstudio ist nämlich eher so was wie eine Zauberwerkstatt. Lesen Sie dazu den inspirierenden Artikel des «Surface»-Magazins. Mich persönlich erinnern die Kreationen an Filmsets wie etwa von «Mad Max» oder «Blade Runner».

«Blade Runner» wurde übrigens teilweise in einer Siedlung von Ricardo Bofill, die er in den 1980er-Jahren in den Pariser  Suburbs baute, gedreht. Die Moderne und deren Bezug zur Vergangenheit war schon immer ein wichtiges Thema in Paris.

Und doch hat die brachiale Schönheit der Welt des Lionel Jadot auch weiche, feine, subtile Seiten. Nicht zuletzt dank Roxane Lahidji. Die Designerin hat sich auf die Entwicklung und Anwendung von ökologischen Materialien spezialisiert und schafft mit geringen Kosten und Rohstoffen luxuriös aussehende Objekte und Oberflächen.

Ein wunderschönes Beispiel ist das Kopfende des Bettes, welches auch im Raum der Zukunft der Gastfreundschaft steht und aus marmoriertem Salz ist. Das Foto ist ihrem Instagram-Profil @roxanelahidji entnommen.

Und weil man da schon mal ins Träumen kommt von Salzbetten, Meeren und einer besseren Welt, kehren wir nochmals zurück auf den Mond und zur Trendausstellung «Terra Cosmos».

Denn auch hier gab es einige ganz wunderbare Dinge zu entdecken wie etwa die Objekte aus versteinertem Holz von Xyleia, die zarten Glaskaraffen von Tuttoattaccato, für die süssen Träume einen kleinen Astronauten von Donkey Products und für die eigenen neuen Ideen das Notizbuch in Trance Lila von Nuuna.