SRF-«Rundschau» bei den Reichen«Wir schwimmen nicht im Geld, die Leute verstehen das immer falsch», sagt der Multimillionär
Warum sind Reiche Reizfiguren? Und sollten sie mehr Steuern bezahlen, um der Gesellschaft etwas zurückzugeben? Ein Einblick in die Welt der Schweizer Multimillionäre.

- Die «Rundschau» widmete den Reichen in der Schweiz eine Sondersendung.
- Die 2-Milliarden-Erbin Karin Stüber findet Vermögenskonzentration gerechtfertigt.
- Selfmade-Millionär Tobias Reichmuth geniesst Luxus mit Indoorpool und Kryo-Kältekammer.
- UBS-Chef Sergio Ermotti erwägt bei Annahme der Juso-Steuerinitiative einen Wegzug aus der Schweiz.
Wenn Reiche über Geld reden, ihr Vermögen zur Schau stellen und darüber reflektieren, ob sie ihren Reichtum verdient haben, dann wird es interessant. Vor allem, weil das eher selten passiert – in der Schweiz spricht man ja nicht so gern über Geld. Die «Rundschau» von SRF hat solche Reiche vor die Kamera geholt – «Feindbild oder Glücksfall fürs Land» lautete der Titel der Sendung. Wobei: Reich ist relativ.
Das zeigte sich gleich zu Beginn, als es um eine Oldtimer-Auktion in Gstaad ging. «Nein, ich würde mich nicht als reich bezeichnen», sagte unter anderem der Ex-Fussballprofi, TV-Experte und Medienunternehmer Günter Netzer, der mit Schwiegersohn Baschi die Oldtimer inspizierte. Zur Einordnung wurde sein geschätztes Vermögen eingeblendet: 33 Millionen.

Fast 400’000 Millionäre in der Schweiz
Um den Reichtum in der Schweiz fassbar zu machen, wurden in der Sendung immer wieder Prozent-, Lohn- und Vermögenszahlen genannt. Die vielen Zahlen machten es aber nicht einfach, den Überblick zu behalten. Man findet die Angaben jedoch im Onlineartikel zur Sendung. Zum Beispiel, dass fast 400’000 Steuerpflichtige in der Schweiz Millionäre sind oder dass die 10 Prozent der Bestverdienenden 53 Prozent der Einkommenssteuer zahlen, was im Jahr 2020 31,6 Milliarden Franken ausmachte.
Plastischer wurde es bei den drei Reichen, die sich von SRF begleiten liessen. Eine von ihnen ist Karin Stüber – 2-Milliarden-Erbin und VR-Präsidentin der Merbag Holding, zu der unter anderem die Mercedes-Benz Automobil AG gehört. Bei ihr daheim sah es überraschend durchschnittlich aus, spontan hätte man wohl auf die Wohnung einer Schweizer Mittelstandsfamilie getippt (wenn man das imposante Haus an der Zürcher Goldküste und die Orgel im Wert von einer Drittelmillion ausgeblendet hätte). Die Mittfünfzigerin zeigte sich dankbar, in eine vermögende Familie geboren worden zu sein, und nahm das SRF-Kamerateam in die Zürcher Tonhalle mit, die sie mit Millionenbeiträgen unterstützt.

Sie findet es gerechtfertigt, dass Vermögen an gewissen Orten konzentriert werden, weil das Investitionen möglich mache, und zeigte sich gelassen, als einer ihrer angestellten Automechatroniker mit leuchtenden Augen sagte, er fände es super, wenn er und seine Freundin zusammen 10’000 Franken verdienen würden. Gegen die Ungerechtigkeit im Leben könne man nicht viel machen, sagte Stüber. Wie eine Reizfigur wirkte sie trotzdem nicht.
Longevity-Spa und «spottbilliges» Totenkopf-WC
Im Zuhause von Tobias Reichmuth, dem 46-jährigen Selfmade-Millionär («biologisch gesehen aber erst 38»), sah es deutlich luxuriöser aus, mit seinem Indoorpool, seinem Longevity-Spa und seiner Kryo-Kältekammer. Das WC in Form eines silbernen Totenkopfs sei aber «spottbillig» gewesen, «250 Stutz». Geschätztes Vermögen: 150 Millionen Franken.

Im Geld schwimmen würden er und andere Reiche aber nicht, das verstünden immer alle falsch. Er sei nur zu 2 Prozent liquid, mehr komme aus dem Bancomaten nicht heraus (also schätzungsweise 3 Millionen). Kürzlich ist er auf seiner Jacht mitsamt Freundin, 9-köpfiger Crew und Laufband für den Hund von Kroatien aus zu einer 18-monatigen Weltreise aufgebrochen, um den Schlüssel zur Langlebigkeit zu finden.
Das Konzept Neid verstehe er überhaupt nicht. «Wer auch gern eine Jacht hätte: Do something about it!» Er sieht seinen Beitrag an die Gesellschaft darin, dass er mit seinen Unternehmen Jobs schafft.
Ermotti würde bei Juso-Steuer einen Wegzug prüfen
Schliesslich traf die «Rundschau» Sergio Ermotti beim Fussballfeld, auf dem sein Club FC Collina d’Oro spielt, und scheute sich auch beim UBS-CEO nicht, unbequeme Fragen zu stellen. Ob er seinen Reichtum (geschätztes Vermögen: 200 Millionen) verdient habe («Ja»), ob er auch die Hälfte seines Vermögens spende («Nein», aber er tue seinen Teil), was er im Fall einer Annahme der Juso-Initiative «Für eine soziale Klimapolitik – steuerlich gerecht finanziert» machen würde. Diese verlangt, dass Nachlässe und Schenkungen von mehr als 50 Millionen Franken zu 50 Prozent besteuert werden müssen. «Ich und meine Familie müssten die Frage des Wegzugs sicherlich prüfen.»

Die «Rundschau» schaffte einen interessanten Einblick in die Welt von Multimillionären, die ihren Reichtum recht unterschiedlich beurteilen. Am Ende bleiben mehrere Erkenntnisse: Reiche können Reizfiguren sein, auch weil sie immer reicher werden und mit viel Geld auch viel bestimmen können. Aber: Sie geben auch etwas davon an die Gesellschaft ab, ob sie wollen (Mäzenatentum) oder nicht (Steuern). Allzu sehr reizen (mehr Steuern) lassen sie sich nicht (Schlupflöcher/Steuerflucht) und, wie die Ökonomin Isabel Martinez sagte: «Eine volle Staatskasse macht per se noch nicht, dass es den Leuten im Land besser geht.»
Was denken Sie? Sollten Reiche stärker zur Kasse gebeten werden, um die Schere zwischen Arm und Reich zu verkleinern? Diskutieren Sie mit.
Fehler gefunden?Jetzt melden.