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Umstrittene Anlage am Rhein
Sie wollen ein Windrad, jetzt stellt ihnen Axpo ein Gaskraftwerk vor die Nase

Hardwald und Auhafen Muttenz mit Tanklager Oel und Gas beim Rhein am Donnerstag, 04. August 2022 in Birsfelden. © Photo Dominik Plüss
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Warum gerade in Muttenz? Manuel Ballmer kann nicht nachvollziehen, warum die Axpo ihr Gaskraftwerk nicht in einem jener acht Nordostschweizer Kantone baut, denen der Stromkonzern gehört, zum Beispiel in Zürich oder im Aargau.

Ballmer ist Fraktionschef der Grünliberalen im Baselbieter Kantonsparlament. Seine Partei sei nicht grundsätzlich gegen Kraftwerke zur Notfallvorsorge, versichert er. Doch gegen das Neubauprojekt im Muttenzer Auhafen hätten die Grünliberalen «grosse Vorbehalte». Es fehle an Transparenz. Und: «Lässt man die Bevölkerung mitreden, reicht die Zeit sicher nicht.»

2026 muss die Nachfolgelösung stehen. Im Zug der Energiekrise im Winter 2022 hatte der Bund eine Art Notfallplan erarbeitet, sollte in der Schweiz der Strom knapp werden. Die aktuellen Verträge mit den Reservekraftwerken in Birr AG, Cornaux NE und Monthey VS laufen im Frühling 2026 aus.

Für die Zeit danach sucht der Bund nun Betreiber, wie diese Redaktion kürzlich bekannt machte. Die Anlagen sollen in Bereitschaft stehen, um etwaige Engpässe in der Stromversorgung zu überbrücken. Das Kraftwerk in Muttenz soll im Notfall Hunderttausende Haushalte weiter mit Strom beliefern.

Axpo verteidigt Entscheid

Die Axpo weist die Kritik zurück. Ein Neubau auf der «grünen Wiese» wäre «nicht in geeigneter Zeit» realisierbar, sagt Sprecher Martin Stutz. Infrage gekommen sei daher nur ein bestehender Industriestandort.

Für den Auhafen spricht aus Sicht der Axpo zweierlei: Es gibt dort Platz für eine neue Anlage. Und: Der Brennstoff kann per Schiff geliefert werden. «Die Anbindung für die Versorgung des Kraftwerks ist nirgends so gut wie an den Rheinhäfen», sagt Stutz.

Die Axpo hat nach eigenen Angaben weitere Standorte geprüft. Welche, sagt sie nicht. Den Zeitplan des Bundes will sie einhalten. «Unser Ziel ist es, das Reservekraftwerk zeitgerecht bereitzustellen», sagt Stutz.

Kanton begrüsst Projekt

Ein möglicher Stolperstein ist schon mal weggeräumt: Eine Volksabstimmung zum Projekt ist nicht vorgesehen, wie die Baselbieter Regierung bestätigt. Geplant sei aus heutiger Sicht ein ordentliches Bewilligungsverfahren, das die üblichen Einsprachemöglichkeiten beinhalte, sagt der stellvertretende Regierungssprecher Rolf Wirz.

Der Kanton begrüsst die Axpo-Pläne, sie würden der Sicherung der Energieversorgung dienen. Wichtig sei aber, dass ein Reservekraftwerk, das mit fossilen Energien betrieben werde, nur zur Abwehr einer Energiemangellage zum Einsatz komme, sagt Wirz.

Ob die Axpo den Zuschlag für das Projekt erhält, entscheidet der Bund in den nächsten Monaten. Mit der Anlage in Muttenz könnte er auf einen Schlag 330 der geplanten 400 Megawatt elektrischer Leistung aufbauen.

Neben der Axpo sind bis jetzt nur zwei weitere Bewerber bekannt, die zusammen knapp 100 Megawatt bringen. Die Westschweizer Energieversorgerin Groupe E würde ihr Reservekraftwerk in Cornaux gerne weiterhin bereitstellen, ebenso die Cimo Industrial Company Monthey SA ihre Anlage in Monthey.

Politisch stark umstritten

Unklar ist, wie die Bevölkerung in Muttenz auf das Projekt reagiert. Die Gemeinde hatte sich in der Vergangenheit erfolgreich bis vor Bundesgericht gegen ein Gaskombikraftwerk auf ihrem Gebiet gewehrt. Zudem hat das Stimmvolk im letzten Sommer ein 200-Meter-Windrad gutgeheissen.

Darauf verweisen nun die Baselbieter Grünen: «Muttenz will die Energiewende schaffen», sagt Fraktionschef Stephan Ackermann. Dies gelte es zu respektieren. Für das Areal im Auhafen ist allerdings der Kanton zuständig.

Bürgerliche Politiker begrüssen die Pläne der Axpo. «Wir stehen zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Aber die Versorgungssicherheit muss jederzeit gewährleistet bleiben», sagt FDP-Kantonsparlamentarier Balz Stückelberger. Deshalb brauche es die effizienten und schnell einsetzbaren Kraftwerke.

Wie klimaschädlich ist die Anlage?

Die Gemeinde Muttenz ihrerseits sieht die Ausgangslage verändert: Es gehe jetzt um ein Kraftwerk für die Versorgungssicherheit der Schweiz. Ein kurzzeitiger Betrieb von Reservekraftwerken müsse bis auf absehbare Zeit in Kauf genommen werden, nötigenfalls auch mit fossilen Brennstoffen.

Die Axpo will das Werk CO₂-neutral betreiben. Der Grünliberale Ballmer setzt dahinter jedoch ein Fragezeichen. Er befürchtet, dass die Anlage letztlich statt mit Gas mit noch klimaschädlicherem Öl betrieben wird. Fakt ist: In absehbarer Zeit wird der benötigte synthetische Treibstoff ein knappes und teures Gut bleiben. Die Axpo selber räumt ein, «in der Anfangsphase» auf fossile Brennstoffe zurückgreifen zu müssen.

Berechnungen zeigen: Würde ein 500-Megawatt-Gaskraftwerk während des Winters insgesamt 16 Tage lang mit Volllast arbeiten, würden rund 0,1 Millionen Tonnen CO₂ ausgestossen. Zum Vergleich: Der CO₂-Ausstoss der Schweiz beträgt pro Jahr rund 37 Millionen Tonnen.

Weiterer Rechtsstreit droht

Ist das verhältnismässig? Nein, finden Klimaschützer. Der Klimastreik ruft darum zum Widerstand auf. «Wir werden nun auf die lokale Bevölkerung in Muttenz zugehen», sagt Sprecher Jonas Kampuš. «Die Axpo sollte ihr Projekt in Muttenz umgehend zurückziehen.» An der Axpo beteiligte Kantone wie Zürich hätten strikte Klimaziele verabschiedet, auch habe sich die Schweizer Bevölkerung im letzten Juni klar zum Pariser Klimaabkommen bekannt. «Dieses gilt auch für die Axpo.»

Rund 50 Personen Demonstrieren bei einem Klimastreik gegen ein geplantes Oel und Gaskraftwerk am Samstag, 8. Oktober 2022 in Birr im Kanton Aargau. (KEYSTONE/Urs Flueeler).

Die Bevölkerung einbeziehen will auch die SVP. Sie hält das Reservekraftwerk für nötig, weil es helfe, einen Blackout zu verhindern – und damit Folgekosten von mehreren Milliarden Franken pro Tag. «Ob der Standort der richtige ist, soll aber die betroffene Bevölkerung entscheiden», sagt Kantonsparlamentarier Andi Trüssel.

Die Frage der Mitsprache dürfte also politisch noch zu reden geben. Sicher ist: Der Klimastreik will die fossilen Projekte rechtlich bekämpfen. Nach Birr dürfte damit auch Muttenz zum Fall für die Gerichte werden.