Verrechnungssteuer kommt vors VolkStreit um Steuerausfälle: Wie gross ist das Millionenloch wirklich?
Am Dienstag reicht die SP das Referendum gegen die Reform der Verrechnungssteuer ein. Ein entscheidender Punkt dabei: wie viel Geld der Bund durch die Reform weniger einnimmt. Darüber sind sich die SP und der Bund nicht einig.
Es ist die grosse Frage: Wie viel Geld wird der Bund am Ende weniger an Steuern einnehmen, wenn die Reform der Verrechnungssteuer durchkommt? Darüber ist ein Streit zwischen dem Bund und der SP ausgebrochen. Die SP wirft dem Bund vor, er rechne die möglichen Ausfälle bewusst klein.
Der Auslöser sind die beiden Vorlagen zur Verrechnungssteuer und zum Eigenmietwert. Über die Reform der Verrechnungssteuer stimmen wir im Herbst ab, am Dienstag wird die SP das Referendum einreichen. Die Verrechnungssteuer, die auch Privatpersonen auf ihre Zinseinnahmen zahlen müssen, soll bei Obligationen für Firmen abgeschafft werden, was zu weniger Steuereinnahmen führen würde.
Die Eidgenössische Steuerverwaltung rechnet in der Botschaft zur Reform mit einem Zinsniveau von 1,5 Prozent, um die künftigen Steuerausfälle zu berechnen. Bei der Abschaffung des Eigenmietwerts dagegen rechnet sie zusätzlich mit einem Zinssatz von 3,5 Prozent. Diese Vorlage liegt derzeit noch im Parlament.
170 Millionen oder 800 Millionen?
Relevant ist dies, weil die Steuerausfälle bei der Verrechnungssteuer deutlich höher ausfallen, wenn die Zinsen steigen. Die Verwaltung rechnet bei heutigem Zinsniveau mit 170 Millionen Franken, die jährlich fehlen würden. Doch macht sie keine Berechnung mit höheren Zinsen. Zumindest nicht in der offiziellen Botschaft. Andere Berechnungen, die diese Zeitung publik machte, gehen von einem gesamten Ausfall von 600 bis 800 Millionen Franken aus.
Bei der Abschaffung des Eigenmietwerts hingegen weist die Steuerverwaltung selber eine Berechnung auf der Grundlage eines Zinsniveaus von 3,5 Prozent aus – zusätzlich zu Berechnungen mit einem Zins von 1,5 Prozent. Der sogenannte Eigenmietwert wird heute bei Eigenheimbesitzerinnen und Eigenheimbesitzern als Einkommen versteuert. Er entspricht ungefähr dem Betrag, den der Eigentümer erwirtschaften würde, wenn er sein Eigenheim vermietete.
«Nur das eine Szenario auszuweisen, finde ich bedenklich, das ist politische Irreführung.»
SP-Nationalrätin Samira Marti stutzte, als sie sah, wie der Bund mit unterschiedlichen Ellen misst. «Es kann nicht sein, dass Bundesrat Maurer je nach Gutdünken die Ausfälle unterschiedlich berechnen lässt», sagt Marti. «Im Minimum sollten beide Szenarien ausgewiesen werden.» Das heisst, der Bund soll ein Szenario mit einem historisch tiefen Zinsniveau von 1,5 Prozent und einem normalisierten von 3,5 Prozent ausrechnen und darlegen. «Nur das eine Szenario auszuweisen, finde ich bedenklich, das ist politische Irreführung».
Die Ausfälle bei der Verrechnungssteuer sind wiederkehrend. «Steigen die Zinsen, und es geht schon heute in diese Richtung, ist das eine finanzpolitische Zeitbombe», sagt Marti.
Futter für die Gegnerinnen und Gegner
Doch wie kommt es nun, dass die Steuerverwaltung mal mit einem Zinsniveau von 1,5, mal zusätzlich mit einem von 3,5 Prozent rechnet? Die Antwort aus der Verwaltung: Sie versuche bei ihren Schätzungen immer die aktuellsten Daten zu nutzen, die meist einige Jahre zurücklägen. Bei beiden Reformen sei das derzeit tiefe Zinsniveau massgebend, also Szenarien mit 1,5 Prozent.
Allerdings sei im Parlament gefordert worden, dass man bei der Abschaffung des Eigenmietwerts die gesetzlichen Grundlagen so anpasse, dass das neue System «unter Berücksichtigung eines langfristigen Durchschnittszinses möglichst haushaltsneutral wirkt». Dem sei die Steuerverwaltung mit der Annahme eines Zinsniveaus von 3,5 Prozent nachgekommen. Zudem sei bei der Verrechnungssteuer an mehreren Stellen in der Botschaft darauf hingewiesen worden, dass die Mindereinnahmen zunähmen, wenn das Zinsniveau steige.
Nur hat es der Bund nicht für nötig erachtet, die konkrete Berechnung publik zu machen. Entsprechend gibt das Futter für die SP, welche die Abschaffung der Verrechnungssteuer stoppen will.
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