Streit um 5GAngst vor Strahlen: Es steht 2:1 für die Antennengegner
Anwohner gehen gegen die Aufrüstung bestehender Sendeanlagen bis vors Bundesgericht. Die Urteile dürften wegweisend sein – Telecomanbieter rechnen bereits mit Verzögerungen.
- Mobilfunkgegner feierten zuletzt mehrere Gerichtsurteile gegen den Telecomanbieter Swisscom.
- Die Urteile haben Signalcharakter.
- Eine Baubewilligung ist nun auch bei Antennenaufrüstungen auf 5G erforderlich.
- Mobilfunkanbieter befürchten Verzögerungen durch Mehraufwand bei Baugesuchen.
Der Streit zwischen Antennengegnern und Telecomanbietern beschäftigte zuletzt mehrmals das höchste Gericht des Landes. Drei wegweisende Urteile haben die Richterinnen und Richter in dieser Sache im letzten Jahr gefällt. Vereinfacht ausgedrückt steht es 2:1 für die Antennengegner, denn die Urteile haben Signalwirkung für alle Mobilfunkanbieter.
In allen drei Fällen wollte die Swisscom bestehende Sendeanlagen auf den schnelleren 5G-Mobilfunkstandard aufrüsten. Dreimal kam es dagegen zu Beschwerden vor dem Bundesgericht, um die Urteile der Vorinstanzen zuungunsten von Anwohnern oder der Swisscom anzufechten.
Knackpunkt sind sogenannte adaptive Antennen, welche eine unkomplizierte Aufrüstung auf 5G ermöglichen. Diese sind im Gegensatz zu herkömmlichen Antennen in der Lage, die Signale gezielt nur in Richtung der einzelnen Smartphones zu senden. Dazu strahlen sie zeitweise stärker als die vorgegebene Sendeleistung. Unter dem Strich brauchen adaptive Antennen aber weniger Strahlung.
Deshalb dürfen die Mobilfunkanbieter bei diesen speziellen Anlagen einen sogenannten Korrekturfaktor auf die bewilligte Sendeleistung anwenden. Dies soll sicherstellen, dass adaptive Antennen nicht strenger beurteilt werden als konventionelle Sendeanlagen. Derzeit stehen in der Schweiz über 10’000 5G-Antennen.
Fall 1: 5G-Antenne auf Klinikdach
Im jüngsten Urteil vom Dezember 2024 hält das Bundesgericht nun fest, dass der Einsatz von adaptiven Antennen mit einem Korrekturfaktor rechtmässig ist. Solche Antennen führen demnach weder zu einem Überschreiten der vorgeschriebenen Grenzwerte, noch sind sie ein Hindernis, um schädliche Einwirkungen auf die Umwelt frühzeitig einzudämmen.
Die Swisscom wollte auf dem Dach der Universitätsklinik Balgrist in Zürich eine bereits vorhandene Sendeanlage mit adaptiven Antennen ausstatten. Ein Anwohner ging gerichtlich gegen die erteilte Baubewilligung durch die Bausektion der Stadt Zürich vor und gelangte bis vor das Bundesgericht.
Fall 2: 5G-Antenne beim Altersheim
Hingegen urteilte das oberste Gericht im Oktober 2024, dass die Strahlenbelastung durch den Korrekturfaktor bei der Eingabe eines Baugesuchs ausreichend und mit konkreten Angaben dokumentiert werden muss.
Das hat zur Folge, dass viele der eingereichten Baugesuche nicht zulässig sein dürften, weil die alten Unterlagen den neuen Bestimmungen nicht mehr gerecht werden.
In diesem Fall wollte der Schweizer Marktführer in Winterthur auf dem Grundstück eines Altersheims eine Antennenanlage auf 5G aufrüsten. Dagegen wehrten sich zwei Personen. Sie schöpften den Rechtsweg bis zum Bundesgericht aus.
Fall 3: Swisscom gegen die Gemeinde Wil
Bereits im April 2024 kamen die Bundesrichter zum Schluss, dass zwingend eine Baubewilligung nötig ist, wenn eine Sendeanlage auf 5G aufgerüstet werden soll. Hier geht es um eine Auseinandersetzung zwischen Wil im Kanton St. Gallen und der Swisscom.
Die Gemeinde verlangte ein ordentliches Baugesuch für adaptive Antennen. Die Swisscom wiederum vertrat die Meinung, die auf 5G aufgerüsteten Antennen stellten keine Änderung der Sendeanlagen dar. Deshalb sei kein Baugesuch einzureichen. Diesen Standpunkt wollte das Unternehmen in Lausanne vergeblich durchsetzen.
Die Strahlengegner fühlen sich bestärkt: «Aufgrund inkorrekter Baueingaben und ‹durchgewinkter› Baubewilligungen im Bagatellverfahren sind zurzeit rund 3900 Mobilfunkantennen illegal in Betrieb», teilt der Verein «Schutz vor Strahlung» mit.
Davon seien rund 300’000 Personen im unmittelbaren Sendeumkreis dieser Anlagen betroffen. Swisscom, Sunrise und Salt müssten nun angepasste Baugesuche einreichen, um den bestehenden Betrieb mit adaptiven Antennen nachträglich gesetzeskonform zu machen.
Antennengegner sehen Netzbetreiber in der Pflicht
Der Verein fordert die Mobilfunkanbieter auf, die Sendeleistung einzelner Antennen auf das gesetzeskonforme Niveau herunterzufahren oder unbewilligt umgebaute Antennen sofort abzuschalten. Von den Kantonen und zuständigen Behörden verlangen die Strahlengegner, rasch neue rechtssichere Empfehlungen zu veröffentlichen.
Der Schweizerische Verband der Telekommunikation (Asut) beurteilt die zwei jüngsten Urteile aus Lausanne anders. Der Entscheid zur Antenne auf dem Dach des Spitals führe «zu einer Stärkung der Rechtssicherheit beim Ausbau der Mobilfunknetze», sagt Asut-Geschäftsführer Christian Grasser. Er spricht im Namen von Swisscom, Sunrise und Salt.
Das Urteil zum Vorgehen in Winterthur wiederum betreffe einen Spezialfall, der in der Praxis selten auftrete. «Dieser Entscheid wird daher zu keinen nennenswerten Verzögerungen beim Ausbau der Mobilfunknetze führen», so Grasser.
Mobilfunkanbieter warnen vor verzögertem 5G-Ausbau
Kopfzerbrechen bereitet der Branche vielmehr das Urteil vom April 2024, das die Notwendigkeit von Baugesuchen für adaptive Antennen festlegt. Laut Grasser entsteht dadurch bei den Mobilfunkbetreibern und bei den zuständigen Bewilligungsbehörden ein grosser administrativer Mehraufwand.
Schlimmstenfalls seien Tausende Mobilfunkstandorte davon betroffen. Dies komme zu den rund 3000 Mobilfunkanlagen hinzu, welche bereits in Verfahren blockiert seien.
Dass es Bedarf für die Antennen gibt, zeigt sich daran, dass im Moment in der Schweiz schätzungsweise 5,5 Millionen 5G-fähige Smartphones im Umlauf sind. Gemäss Bundesamt für Kommunikation (Bakom) sind 92 Prozent der Landesfläche und 100 Prozent der Bevölkerung mit dem schnellen Mobilfunkstandard abgedeckt.
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