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Deutschland gerät in Rezession
Stockt die Wirtschaft bald auch in der Schweiz?

Kommt es bei wichtigen Handelspartnern der Schweiz zu einer tieferen Rezession, so dürfte das zuerst die hiesige Industrie treffen.
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Mehr Arbeitslose und weniger Geld für die täglichen Ausgaben: Eine Rezession kann viele Menschen hart treffen und unerfreuliche Folgen haben.

Mit Deutschland ist jetzt ein grosses Nachbarland und einer der wichtigsten Handelspartner der Schweiz in die Rezession gerutscht. Von einer Rezession spricht man, wenn das Bruttoinlandprodukt eines Landes während zweier aufeinanderfolgenden Quartale geschrumpft ist. 

Die deutsche Wirtschaft habe sich insbesondere im März unerwartet schlecht entwickelt, sagt Jan-Egbert Sturm, Direktor der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF). «Das zeigt, dass nicht mehr die Energiekrise und die damit verbundenen hohen Preise für den schlechten Verlauf verantwortlich sind.» Die stark gestiegenen Energiekosten waren vor allem im Winter spürbar.

«Im März hat sich die Wirtschaft in Deutschland unerwartet schlecht entwickelt», sagt Jan-Egbert Sturm, Direktor der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich.

Stattdessen dürfte dort Chinas Einfluss zu spüren sein. «Wir rechneten mit einem stärkeren Aufschwung der chinesischen Wirtschaft, von dem auch Deutschland profitiert hätte», sagt Sturm. Zudem seien die Zahlen zum Konsum ernüchternd: «Die hohe Inflation trifft die Konsumentinnen und Konsumenten in Deutschland stärker als gedacht.» Wenn die Menschen weniger Geld ausgeben, so schwächt das die Wirtschaft.

Die Entwicklung weist zwar in Richtung einer Rezession, wie gravierend diese ausfällt, ist aber noch offen. Vorerst geht es höchstens um eine leichte Rezession. Denn die deutsche Wirtschaft ist im vergangenen Quartal nur um 0,3 Prozent geschrumpft. Diese Zahl weicht nur leicht von der KOF-Prognose von 0 Prozent ab. 

Vorläufig kein Grund für Panik in der Schweiz

Da Deutschland zu den wichtigsten Handelspartnern zählt, beeinflusst die wirtschaftliche Entwicklung des Nachbarlands die Schweiz spürbar. Doch im Gegensatz zu Deutschland seien die Zahlen zum Konsum in der Schweiz noch «robust», sagt Jan-Egbert Sturm. Die Inflation sei vergleichsweise tief. Zudem sei nicht auszuschliessen, dass sich die deutsche Wirtschaft nach dem schlechten März rasch erhole. Eine Prognose sei aber derzeit schwierig. Klar ist, dass es auf die Schweiz abfärben würde, wenn Deutschland in eine tiefere Rezession fällt. 

Ökonom Klaus Wellershoff sagt, in Deutschland würden die Konsumentenstimmung und die Entwicklung der Industrie darauf hindeuten, dass das Land auf dem Weg in eine Rezession sei. Doch er relativiert: Der Arbeitsmarkt habe sich überraschend positiv entwickelt.

Für die Schweiz gebe es keinen Grund für Alarmstimmung: «Sowohl Italien als auch Frankreich haben positiv überrascht – deshalb wird die negative Entwicklung in Deutschland weniger stark ins Gewicht fallen.» Mit anderen Worten: Andere wichtige europäische Handelspartner der Schweiz könnten den deutschen Rückgang ein Stück weit kompensieren.

Die Rezessionsängste in den USA und ihre Bedeutung

Als Handelspartner haben die USA in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Und auch dort gehen Rezessionsängste um. Laut Klaus Wellershoff droht dort die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu schrumpfen, weil die Löhne der arbeitenden Bevölkerung langsamer steigen als bisher. 

Trotz wachsendem Handel solle der direkte Einfluss der US-Wirtschaft auf die Schweiz nicht überbewertet werden, sagt Wellershoff. Die USA sind jedoch für die gesamte Weltwirtschaft von Bedeutung. Eine Schwächung würde deshalb viele Länder treffen – auch die Schweiz.

In den USA verdichteten sich die Hinweise auf eine Rezession, sagt Ökonom Klaus Wellershoff. 

Die Folgen für die Schweiz

Typischerweise trifft eine Rezession bei wichtigen Handelspartnern zuerst die Exportindustrie. Sollte sich die Situation in Deutschland und den USA verschlimmern, dürften die Folgen mit Verzögerung von einem halben bis einem Jahr in der Schweiz zu spüren sein. 

Darüber hinaus verweist Klaus Wellershoff auf Untersuchungen, die zeigen, dass sich vermehrt die Konsumentenstimmung international im Gleichschritt bewegt. Demnach ist denkbar, dass eine sinkende Nachfrage bei Konsumentinnen und Konsumenten in den USA auch in der Schweiz zum Thema wird. 

Wie eine Rezession ausgelegt werden kann

Schliesslich lassen sich die Rezessionsängste für Deutschland etwas zerstreuen, indem man die Berechnungsmethode hinterfragt. Die eingangs erwähnte gängige Methode basiert auf dem absoluten Wachstum des Bruttoinlandprodukts. Nur wenn es zwei Quartale hintereinander unter 0 Prozent liegt, ist demnach von einer Rezession die Rede.

Ob Deutschland tatsächlich in einer Rezession steckt oder nicht, ist also auch eine Frage der Berechnung. Manche Ökonomen halten stattdessen den Wachstumstrend für die aussagekräftigere Kennzahl. So hat in einem Land mit hohen Wachstumsraten wie China ein starker Rückgang selbst dann gravierende Folgen, wenn das Bruttoinlandprodukt noch mit beispielsweise 2 Prozent im Plus ist. 

In Ländern mit tiefen Wachstumsraten wäre die Grenze zur Rezession entsprechend tiefer anzusetzen. Laut Ökonom Wellershoff liegt sie für Deutschland gar bei –0,6 Prozent. Nach dieser Rechnung wäre Deutschland also derzeit gar nicht in einer Rezession.