Zugang zu Sterbehilfe für alleDem Zürcher Regierungsrat geht die Sterbehilfe-Initiative zu weit
Die Initiative von Dignitas und Exit will Sterbehilfe auf private Heime sowie Spitäler und Gefängnisse ausdehnen. Die Regierung ist dagegen, präsentiert aber einen Gegenvorschlag.

Der Zürcher Regierungsrat positioniert sich zur Sterbehilfe. Er lehnt die Volksinitiative «Selbstbestimmung am Lebensende auch in Alters- und Pflegeheimen» ab und legt einen Gegenvorschlag vor, wie er am Freitag mitteilt. Die Initianten wollen mit der Volksinitiative die geltende Sterbehilfe im Kanton Zürich ausdehnen.
Seit Juli 2023 können Bewohnende von Alters- und Pflegeheimen auf eigene Kosten Sterbehilfe beanspruchen. Voraussetzung ist, dass die Institution von einer Zürcher Gemeinde betrieben oder beauftragt ist. Die Initiative will nun aber, dass die Praxis künftig auch in privaten Heimen, Spitälern, Hausarztpraxen, Tageskliniken, psychiatrischen und ambulanten Einrichtungen und Strafanstalten möglich wird.
Irreführender Titel
Aus Sicht von Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (SVP) ist der Titel der Initiative irreführend. «Es geht den Initiantinnen und Initianten um weit mehr als um die Ausdehnung auf die privaten Heime», sagt sie. Deshalb habe der Regierungsrat den Gegenvorschlag erarbeitet, der auch Sterbehilfe in privaten Heimen dulde. «Damit kommen wir dem Hauptanliegen des Initiativkomitees entgegen», sagt Rickli.

So würden rund achtzig Institutionen ohne Leistungsvereinbarung mit einer Gemeinde, also private Heime, dazu verpflichtet, Freitodbegleitungen zu erlauben. Gut zwanzig von ihnen dürfte das unter Druck setzen. Sie sind aus religiösen Gründen gegen Sterbehilfe in den eigenen Räumlichkeiten. Rickli ist sich bewusst, dass Sterbehilfe auch in anderen Institutionen ein «sensibles Thema» ist. Dennoch vertritt sie eine klare Haltung gegen die Ausdehnung über die privaten Heime hinaus.
Gegen kurativen und schützenden Auftrag
Sterbehilfe in Spitälern, psychiatrischen Einrichtungen sowie Strafanstalten widerspricht aus ihrer Sicht dem Grundauftrag dieser Institutionen. Ihr Zweck sei in erster Linie die Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit, nicht die Verkürzung des Lebens.
Das Initiativkomitee stellt sich auf den Standpunkt, dass es sehr wohl Patientinnen und Patienten gebe, die vor dem Lebensende in Spitalpflege seien und deshalb auch in dieser Umgebung mit assistiertem Suizid aus dem Leben scheiden möchten.
Dem hält Rickli entgegen, dass dies nur eine Minderheit der Patientinnen und Patienten betreffe und deshalb der kurative Charakter von Spitälern überwiege. Menschen in Spitalpflege am Lebensende könnten zudem eine Palliativbehandlung in Anspruch nehmen. Sie zielt auf Symptombehandlung und Schmerzlinderung ab, verkürzt aber das Leben nicht aktiv.
Psychiatrische Einrichtungen sowie Strafanstalten haben eine Schutzpflicht von Leben und Gesundheit. Aus Sicht von Rickli verletzt die Sterbehilfe diese. Und Justizvollzugseinrichtungen seien erst recht keine Institutionen, in denen sich mehrheitlich Personen am Lebensende aufhielten.
Darüber hinaus hätte eine Ausdehnung der Sterbehilfe auch einen bürokratischen und logistischen Aufwand zur Folge. So müssten im Fall der Annahme alle 3500 Arztpraxen im Kanton einen Raum für Sterbehilfe anbieten, was viel Bürokratie und hohe Kosten zur Folge hätte.
Reaktion auf knappen Entscheid
Die Initiative haben die Sterbehilfeorganisationen Exit und Dignitas lanciert. Sie wurde Ende 2023 mit knapp 13’000 Unterschriften eingereicht. Im Initiativkomitee sitzen Politikerinnen und Politiker aller Couleur, aber auch prominente Personen wie Theater-Unternehmer Viktor Giaccobo.
Exit und Dignitas reagierten mit dem Volksbegehren auf den knappen Kantonsratsentscheid zur Änderung des Gesundheitsgesetzes zur Sterbehilfe im Oktober 2022. Damals hatte der Rat mit 81 zu 80 Stimmen bei einer Enthaltung einem Einzelantrag zugestimmt, die Regelung nur für Heime mit einem Leistungsauftrag der Gemeinde festzusetzen.
Die Freidenker der Regionalgruppe Zürich sind mit dem Entscheid des Regierungsrates zwar einverstanden, dennoch ziehen sie die Initiative vor. Die Ausnahme der Ausdehnung für Spitäler und den Justizvollzug sei nicht nötig.
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