Nächster ÖffnungsschrittSteht die Homeoffice-Pflicht vor dem Aus?
Die Kantone fordern vehement die Abschaffung der verordneten Heimarbeit. Sie folgen damit den Arbeitgebern. Das letzte Wort hat aber der Bundesrat.
Zum Ärger der Arbeitgeber will der Bundesrat an der Homeoffice-Pflicht auch noch im Sommer festhalten. Ab dem 28. Juni soll es zwar im Privatleben, in Beizen und Fitnessclubs weitgehende Lockerungen geben. Aber eine Rückkehr an den Arbeitsplatz ist nicht vorgesehen – ausser in Betrieben mit einem aufwendigen Testkonzept.
Dagegen machen nun die Kantone mobil. In ihren Stellungnahmen zum jüngsten Öffnungsschritt des Bundesrats werden sie deutlich: Der Kanton Aargau fordert, «die Homeoffice-Pflicht – ohne an Auflagen gekoppelt zu sein – per 28. Juni 2021 aufzuheben». Die Pflicht soll in eine Empfehlung umgewandelt werden. Dabei soll den Betrieben auch empfohlen werden, Schutzmassnahmen zu ergreifen wie Abstand und regelmässige Tests. Der Kanton Zürich schliesst sich dem an und verlangt zudem, dass die verordnete Heimarbeit für geimpfte und genesene Mitarbeitende «vorbehaltlos aufgegeben» wird.
«Arbeitgeber sind willens und in der Lage, gemeinsam mit den Arbeitnehmenden das erforderliche und angemessene Mass an Homeoffice zu definieren.»
Die Ostschweizer Kantone St. Gallen, Thurgau, Appenzell Ausser- und Innerrhoden ergänzen in einer gemeinsamen Stellungnahme, die Arbeitgeber seien selbst «willens und in der Lage», gemeinsam mit ihren Angestellten «das erforderliche und angemessene Mass» an Homeoffice zu definieren.
Gegen die Homeoffice-Pflicht hatten die Arbeitgeber schon aufbegehrt, als der Bundesrat vor einer Woche die geplanten Lockerungen bekannt gemacht hatte. «Der Entscheid, an der Pflicht festzuhalten, ist nicht nachvollziehbar und realitätsfern», sagte Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands.
Gewehrt hatten sich auch grösseren Betriebe, die im Arbeitgeberverband zusammengeschlossen sind. Verbandsdirektor Roland A. Müller sagte, die für eine Aufhebung der Pflicht geforderten regelmässigen Tests seien «aufwendig in der Durchführung und angesichts der Impffortschritte unverhältnismässig». Bigler und Müller sind sich einig, dass wegen der Testerei faktisch nach wie vor eine Homeoffice-Pflicht herrschen würde.
Schon länger für die bedingungslose Aufhebung der Homeoffice-Pflicht weibelt die Zürcher FDP-Regierungsrätin Carmen Walker Späh: «Die Homeoffice-Pflicht schadet der Wirtschaft enorm», sagte die Zürcher Wirtschaftsministerin in einem Interview mit der NZZ. Sie machte auch Schwierigkeiten bei der Umsetzung geltend: «Wir können die Leute ja nicht unter Zwang nach Hause transportieren.»
Deutschland ist beim Homeoffice schon einen Schritt weiter: Die Bundesregierung hat am Donnerstag angekündigt, dass Arbeitgeber ab Juli kein Homeoffice mehr anbieten müssen. Dieser Teil des Infektionsschutzgesetzes – besser bekannt als «Bundesnotbremse» – werde damit Juni auslaufen, sagte Kanzleramtschef Helge Braun in einem Interview. Das war eine Überraschung: Erst vor gut einer Woche hatte Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) der «Bild» gesagt: «Ich halte es für absolut richtig, wie vereinbart die Pflicht zum Homeoffice beizubehalten.» Denn das Virus sei noch nicht besiegt.
Nicht zur Homeoffice-Pflicht geäussert hat sich in ihrer Stellungnahme die Berner Regierung. Sie übt aber Kritik an der Komplexität der Vorschriften, die gemäss den Plänen des Bundesrats eher zu- als abnimmt. Der Regierungsrat schreibt, die unterschiedlichen Vorgaben je nach Bereich und Veranstaltungsart seien «herausfordernd» und «unübersichtlich».
In diese Kerbe schlägt auch der Kanton Zürich. Er schreibt, das Testkonzept des Bundes, «das bereits heute kaum mehr verständlich ist, wird noch weiter verkompliziert». In ihrer gemeinsamen Stellungnahme schreiben die Gesundheitsdirektoren der Kantone, die Bestimmungen seien zu kompliziert: «Für die Bevölkerung und die betroffenen Branchen ist die Befolgung von zahlreichen unterschiedlichen Vorgaben in Bezug auf Gruppengrössen, Quadratmeterzahlen, Kapazitätsbeschränkungen oder Schutzvorkehrungen zunehmend schwierig.» Der Bundesrat müsse prüfen, ob «Vereinfachungen möglich sind».
Der Bundesrat will nun die Stellungnahmen auswerten und am kommenden Mittwoch über sein fünftes Lockerungspaket entscheiden, das dann am 28. Juni in Kraft tritt.
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