TV-Comedian mit neuer ShowNach dem Comeback: Stefan Raab, der Volks-Böhmermann
Wird er politisch? Oder blödelt er wieder nur rum? Die erste Ausgabe von Stefan Raabs neuer TV-Sendung wurde mit Spannung erwartet. Unsere Kritik.
Stefan Raab brachte einmal Busta Rhymes zum Mitmachen, während er zur Ukulele «Hier kommt die Maus» rappte. Er rutschte auf einem Wok einen Hang hinunter und stürzte sich von Sprungtürmen. Mit seinem Ehrgeiz wollte er immer seine eigene Quizshow gewinnen, später das Kanzlerduell moderieren. Stefan Raab schauten, egal, was er tat, immer Millionen zu, aus Berliner Wohnzimmern oder Berner WGs. Dann, nach den «TV Total»-Jahren zwischen 1999 und 2015 verschwand Raab fast zehn Jahre lang von der Bildfläche.
Nun ist er wieder da, mit einer eigenen Show, «Du gewinnst hier nicht die Million bei Stefan Raab», jeden Mittwoch soll sie laufen – und die Frage vor diesem ersten Mittwoch war, wer von diesen Raabs kommt dafür zurück? Einer, zwei, fünf, am Ende sogar alle von diesen Raabs? Haben sich seine Witze dem Zeitgeist angepasst? Oder sind sie weiterhin alles andere als – ein Wort, das es 2015 hier noch gar nicht gab – woke?
Spaltet oder eint Stefan Raab das Land?
Wird der Raab 2024 also, ähnlich wie Kamala Harris zu Trump, ein ideologisches Gegengewicht zu Jan Böhmermann sein? Der Volks-Böhmermann? Unser Stefan? Und was, wenn dem so wäre im Jahr 2024; ist das gut oder schlecht? Spaltet das oder eint es das deutsche Land, zu dem in diesem Fall auch die Schweiz gehört – Stichwörter: Gendern, Corona, Migration und allerhand Ideologien?
All diese Fragen drängten sich gestern Abend um 20.10 Uhr auf, die sein neuer Haussender RTL unter das Motto «Stefan Raab: Die Rückkehr der Show-Legende» stellte. Und er kehrt, wie der Nachbar vom Stock über einem, der gerade nach Feierabend den Abfall wegbringt, in vertrauter Kleidung zurück – Jeans, Hemd, T-Shirt darunter. Einer von uns, den kennen wir doch, «ich war nie weg» soll uns das sagen, der alte Treppenhaus-Stefan.
Im Studio: Standing Ovations, auf den Gesichtern der Florians und Katrins ein glücklicher Ausdruck. Erste Worte Raabs: «Eins, zwei, drei, vier» und dann gibt er den Song zum Besten, der sich gleich nach Erscheinen auf Platz eins der deutschen iTunes-Charts schob, und in der Schweiz auf Rang vier: «Pa aufs Maul».
Raab probiert nichts Neues
Apropos, seine erste Mimik: vertrautes Stefan-Raab-Breitmaulfrosch-Grinsen. Sein erster Witz: Er dreht das eigentlich liebevolle Herz-Hände-Emoji, das nicht nur in unsere digitalen Kanäle, sondern in die Gesten unseres wirklichen Lebens eingeflossen ist, um, sagt, wie man das 1998 sagte: «Das geht mir auf den Sack.» Wenn er das Emoji selbst benutzen würde, sagt er, bedeute es «Fick dich!» Spätestens damit wird klar: Für das Publikum, das mit Emojis aufgewachsen ist, ist Raab genauso wenig zurückgekommen wie fürs Feuilleton, das ihn zeitlebens immer als Metzgersohn abtat.
Und schon ist man mittendrin in Raabs Stand-up-Comedy – einfache Unterhaltung, Raab macht sich über Florian Silbereisen und Peter Maffay lustig. Schaue man sich ihn an, wisse man gar nicht «Wo fängt die Lederjacke an, wo hört die Haut auf?», auch Maffays Warze kriegt ihr Fett weg. «Lookismus» sagen die einen, «haha» die anderen – Raab steht also weiterhin für kein Gendern, keine Fremdwörter. So reagierte der «Spiegel» auf Raabs Rückkehrankündigung mit den Worten, dass Raab nur mit Alkohol zu überstehen sei. Eine Haltung, die zeigt, wie gespalten die Gesellschaft mittlerweile auch in Comedy-Fragen sein kann, hier die Leute, dort die mediale Elite.
Die ersten fünfzehn Minuten offenbaren, Raab probiert nichts Neues – ausser, dass er das Nippel-Pult aus den 90ern, mit dem er Videos abfeuerte, nun Meme-Pad nennt, tragbar. Wir sehen Raab also dabei zu, wie er «TV Total» aus den 90ern macht, er gibt sich auch keine Mühe, das zu verschleiern – und zeigt allen ein: Herz-Hände-Emoji!
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Derb geht es weiter, Raab kommentiert Random-Videoschnipsel aus Netz und Fernsehen und fragt die Zuschauenden, die gerade einen Ausschnitt aus einem ZDF-Fernsehgottesdienst sahen, den seine Männer-Studioband mit einer Melodie unterlegte, welche das denn sei. Raab sagt, man solle den Namen des Songs unter einen seiner Instagram-Posts und unter dem von Kai Pflaume kommentieren.
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«Arschficksong», ein Song von Sido, ist dort nun Aberhunderte Male zu lesen. «Ist ja nicht richtig Fernsehen, sondern Streaming», sagt Raab dann in der Sendung, und auch: «Ich bin jetzt Influencer.» Denn das Fernsehpublikum kriegt davon erst mal überhaupt nichts mit. Die Show läuft ausschliesslich nicht-linear, zu sehen nur mit RTL±-Abo. Aber ist das 2024 nicht egal? Video-Clips gehen eh viral.
Zweiter Showteil: Hier präsentiert Raab eine Mischung aus «Wer wird Millionär» und aus «Schlag den Raab», erst müssen Quizfragen beantwortet und dann Spiele gegen Raab gewonnen werden: Tennisbälle auf Bürostühle schmeissen, Maschendrahtzäune durchschneiden, Reifen wechseln – Männerspiele. RTL schreibt, testosterontriefend, «Der Raabinator is back!». Frauen gibt es in der ersten Raab-Show nach knapp zehn Jahren nämlich eh keine.
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Ist das eine politische Aussage nach dem Motto «Frauenquote? Herz-Hände-Emoji!»? Wenn man weiss, wie kritisch jede TV-Sekunde heutzutage überprüft wird, dann ist es wahrscheinlich eine. Aber Raab gibt uns damit auch eine Frage mit auf den Weg: Müssen wir den männergewordenen Onkel-auf-Facebook-Humor als Gesellschaft nicht gelassen ertragen können? Gibt es nicht vielleicht sogar Wichtigeres: Armut etwa?
Schon ein kleiner Raab-Satz ist heute politisch
Armut? Wieso denn nun Armut? Raab schafft es 95 Minuten lang, Politisches zu umschiffen. Nur einmal rutscht ihm ein Satz raus. Sein Männerspiel-Gegner Oliver, eine Servicekraft, die nicht zu den Besserverdienenden gehört, müsste bei einem Millionengewinn die Hälfte davon an die Steuerkasse abführen. Mit so einem Sound gewinnt man Wahlen oder ein Publikum, das Volk also. Interessant wird die neue Raab-Show erst werden, wenn er künftig Videoschnipsel zu politischen Themen kommentieren wird. Wird er sich das trauen?
Vielleicht ist die Antwort nicht so wichtig, denn nicht nur die Menschen auf X fanden die erste Show richtig gut, sondern auch die deutsche «Bild», die sich regelmässig gegen das Gendern, die Grünen, offene Grenzen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den dafür stehenden Böhmermann ausspricht. Die Zeitung fragte sich nach der Sendung, ob die neue Raab-Show Spass gemacht habe. «Absolut», gibt sie sich, in bester Raab-Manier, einfach selbst zur Antwort. Die Volkszeitung ist glücklich.
Transparenz-Hinweis: Der Autor dieser Zeilen hat früher die journalistischen Inhalte der Jan-Böhmermann-Show «Neo Magazin Royale» verantwortet.
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