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Sommerferien im Stau
Bevölkerung will Gotthard-Gebühr – Bundesrat lehnt ab

Anton Geisser 17.05.2024 Pfingsten Pfingststau. Bild : Stau auf der Gotthard-Autobahn bei Wassen Kanton Uri *** Anton Geisser 17 05 2024 Pentecost traffic jam Picture traffic jam on the Gotthard highway near Wassen Canton Uri
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In vielen Kantonen ist Ferienbeginn, schon Mitte Woche hatte es vier Kilometer Stau am Gotthard, macht eine Stunde Wartezeit. Am Wochenende werden es noch viel mehr sein. Am meisten stören sich daran aber nicht die Urlauber, sondern die Urnerinnen und Urner. Vor allem, wenn die Autos in Dörfer wie Erstfeld oder Andermatt ausweichen und dort die Strassen verstopfen.

Für seinen Kanton sei die Situation unhaltbar geworden, sagt der Urner Nationalrat Simon Stadler (Mitte). Nicht nur in Ferien und an Feiertagen, «sondern immer öfter auch an gewöhnlichen Wochenenden». Er verlangte vom Bundesrat, Massnahmen zu prüfen, auch für die andere Nord-Süd-Strecke via San Bernardino. Einen Vorschlag machte der Urner Landrat, er schlug ein Slot-System vor, bei dem man sich für die Durchfahrt des Tunnels vorgängig anmelden müsste. Eine weitere Möglichkeit wäre eine «dynamische Maut», eine Tunnelgebühr, die neben Stadler im Parlament auch Corina Gredig (Grünliberale) sowie Matthias Jauslin (FDP) fordern. 

«Tessin wäre abgeschnitten»

Der Bundesrat hat beide Varianten inzwischen geprüft – und lehnt beide ab. In seinem Bericht zum Vorstoss von Simon Stadler schreibt er: Ein Slotmanagement möge theoretisch funktionieren, in der Praxis hingegen sei es «untauglich». Alleine die Bereitstellung grosser Flächen für die nötigen Warteräume im sensiblen Alpengebiet wäre eine grosse Hürde.

Der Bundesrat will auch keine Maut: Eine Gebühr für die Durchfahrt am Gotthard und am San Bernardino würde den Verkehr zwar tatsächlich beruhigen, jedoch das Tessin in einem «nicht tolerierbaren Mass ausgrenzen». Der Südkanton wäre nicht mehr frei zugänglich, was für den Tourismus gravierend wäre, aber ebenso für den nationalen Zusammenhalt. Eine Maut wäre nach Ansicht des Bundesrats ausserdem verfassungswidrig, weil sie dem Grundsatz der gebührenfreien Strassenbenutzung widersprechen würde. Und schliesslich ist es für die Landesregierung nicht nachvollziehbar, weshalb an den Alpenübergängen eine Gebühr eingeführt werden soll, aber nicht auf Strassen und in Tunnels im Mittelland mit ebenso grossem Verkehrsaufkommen.

Am Gotthard-Nordportal gibt es laut Bundesratsbericht an 125 Tagen im Jahr Stau von mehr als drei Kilometern. Am Südportal ist die Belastung kleiner, ebenso auf der San-Bernardino-Route. Das Verkehrsaufkommen am Gotthard betrug 2022 im Schnitt 18’621 Fahrzeuge pro Tag, während der Sommersaison waren es 26’158. Überdurchschnittlich hoch ist der Anteil an Fahrzeugen mit ausländischen Kennzeichen, im Schnitt 30 Prozent, am reiseintensiven Tagen bis zu 80 Prozent.

simon stadler

Nationalrat Simon Stadler versteht die ablehnende Haltung des Bundesrats nicht. Wer über den Mont Blanc oder über den Brenner in den Süden gelange, bezahle ebenfalls Gebühren. «Nur bei uns fährt halb Europa gratis durch die Tunnels, wir sind die Dummen, weil wir nichts dafür verlangen.» Am Brenner beispielsweise kostet die Durchfahrt 11 Euro, daneben gibt es in Österreich wie in der Schweiz eine Vignettenpflicht. Mit 15 Millionen Autos, die den Brenner 2023 passiert haben, betrugen die Einnahmen rund 165 Millionen Euro. Die Einnahmen mit einer Gotthard-Gebühr könnten sich im ähnlichen Bereich bewegen. Die Initianten im Parlament machen dazu keine Angaben. Sie wollen ein flexibles System, bei dem sich der Preis am jeweiligen Verkehrsaufkommen orientiert und auch gegen null tendieren kann, wenn es wenig Verkehr hat.

Ende August berät nun die nationalrätliche Verkehrskommission den Bundesratsbericht. Stadler überlegt sich, eine dynamische Maut auch in der Kommission zu thematisieren. Die bisherigen Massnahmen wie einstweilige Sperrung von Autobahn-Einfahrten oder vorübergehende Temporeduktionen hätten zu wenig gebracht. 

Eine Mehrheit im Parlament wäre jedenfalls möglich. Neben SP und Grünen, die eine Strassengebühr grundsätzlich befürworten, sind auch grosse Teile von Mitte und FDP dafür. Die SVP lehnt Strassengebühren ab. Es gibt allerdings Ausnahmen. Etwa der Tessiner SP-Nationalrat und Ingenieur Bruno Storni, der gegen eine Gotthard-Gebühr ist. Sie würde das Tessin einseitig benachteiligen, sagt er. Lieber wäre ihm ein schweizweit geltendes Roadpricing. Auf der anderen Seite ist der Tessiner SVP-Ständerat und Ex-Parteipräsident Marco Chiesa für eine Gotthard-Maut, entgegen seiner Partei. Er hat sie gar selber in einem Vorstoss gefordert.

Eine repräsentative Umfrage von «20 Minuten» und Tamedia vom Sommer 2023 zeigt: 69 Prozent der Bevölkerung befürworten eine Gebühr für die Gotthard-Durchfahrt, Zustimmung kommt aus allen politischen Lagern. Auch die SVP-Wählerschaft ist mit 58 Prozent dafür.