Nase voll vom StauUrner Vorschlag: Mit dem Auto nur nach Voranmeldung durch den Gotthard
Der Urner Landrat ist sich über alle Parteien hinweg einig: Der Bund muss den Durchgangsverkehr drosseln – mit einer «innovativen Idee».
Der Gotthard-Kanton hat genug von verstopften Strassen. Der Landrat, das Urner Kantonsparlament, fordert den Bund auf, Lösungen gegen den Stau auf der Durchgangsachse in den Süden zu finden. Das Abstimmungsresultat für den Vorstoss ist historisch: 59 zu 0. Alle Parteien von den Grünen über SP und Mitte bis zu FDP und SVP waren sich für einmal einig.
Die brisanteste der in der Standesinitiative vorgeschlagenen Lösungen: ein Reservationssystem für den Gotthard-Strassentunnel. Nur wer sich vorab über eine Website oder eine App für ein bestimmtes Zeitfenster anmeldet, soll freie Fahrt in den Süden erhalten.
Zweite Röhre ist keine Option
Der Text des Landrats ist aber grundsätzlich offen gehalten. Auch andere Massnahmen seien zu prüfen, die den Verkehr durch den Gotthard-Strassentunnel verflüssigen könnten, heisst es darin. Eine Bedingung aber muss erfüllt sein: Die Kapazität der Strasse durch den Gotthard darf nicht erhöht werden.
Konkret heisst das, dass der Landrat die zweite Autobahnröhre nicht für den Stauabbau vorsehen will. Dieser zweite Strang wird zurzeit gebaut, ist aber nur als Ersatz während der bevorstehenden Sanierung vorgesehen. Um beide Röhren gleichzeitig für die Durchfahrt zu öffnen, muss die Verfassung geändert werden. Und dafür braucht es eine Mehrheit in einer Volksabstimmung.
Die Urner Mitte-Standesvertreterin in Bern, Heidi Z’graggen, macht sich schon länger beim Bund für eine Lösung des Stauproblems stark. Sie freut sich über das einstimmige Votum. «Damit zeigen wir deutlich, wie dringend eine Lösung des Problems für uns ist.»
Die Ständerätin spricht sich nicht ausdrücklich für eine Reservations-App aus. «Das Bundesamt für Strasse soll prüfen, welche innovativen Möglichkeiten rechtlich und technisch umsetzbar sind», sagt sie.
Wie viele Urnerinnen und Urner hat sie den Transitverkehr im letzten Jahr als besonders heftig erlebt – möglicherweise ein Corona-Nachholeffekt. «Bei einem Stau auf der Autobahn weichen viele dann auf die Kantonsstrassen aus.» Die Folge: Auch diese sind verstopft.
«Diese Ostern war der Rückstau zwar ebenfalls lang, aber der Gotthardpass hatte noch Wintersperre», sagt Z’graggen. Bei offener Passstrasse – voraussichtlich ab 18. Mai vor dem langen Auffahrt-Wochenende – verschärft sich das Problem. «Das bedeutet dann, dass der motorisierte Verkehr innerhalb des Kantons zum Erliegen kommen kann.»
Regionalbusse, Ambulanz und Feuerwehr sind davon betroffen. Aber auch der Tourismus in Andermatt leidet, weil der Ort mit dem Auto nicht mehr zuverlässig zu erreichen ist.
Versuche mit Verkehrsdrosselung
Das Bundesamt für Strassen (Astra) lässt seit kurzem bei über 5 Kilometern Stau auf der Gotthard-Autobahn zusätzlich zur Einfahrt Göschenen auch noch diejenige in Wassen sperren. Die Massnahme soll den Ausweichverkehr über die Kantonsstrasse eindämmen.
Auf der San-Bernardino-Strecke in Graubünden führt das Astra ebenfalls Versuche mit Durchfahrsperren und einer Dosierung des Verkehrs auf der Autobahn durch. Heidi Z’graggen erhofft sich davon auch Erkenntnisse für Uri. «Das Problem ist an allen Nord-Süd-Achsen virulent», sagt die Ständerätin.
Jon Pult, Nationalrat aus dem Ferien- und Transitkanton Graubünden, ist offen für die Idee aus Uri. «Wir von der SP unterstützen diese Idee, sie kursiert schon länger», sagte der Präsident der Verkehrskommission zu «20 Minuten».
Pult schwebt eine App vor, die man sich gratis auf das Handy laden kann, um sich für eine Fahrt durch den Gotthard während eines bestimmten Zeitfensters anzumelden. Ein automatisches System auf der Zufahrt könnte aufgrund der Autonummer die Fahrzeuge durchlassen – oder eben stoppen, wenn keine Anmeldung vorliegt.
«Dieses System ist für uns heute praktisch nicht umsetzbar.»
Das Astra ist aber skeptisch, was eine Durchfahrt nur auf Voranmeldung angeht: «Wir sehen in der Praxis grosse Probleme für ein solches Slot-System», sagt Astra-Sprecher Thomas Rohrbach. Das Problem: Man kann nicht garantieren, dass die Autofahrer diese Slots am Ende auch einhalten können.
Dazu kommt die Schwierigkeit, die zur Weiterfahrt Berechtigten von denjenigen ohne Anmeldung sauber zu trennen. Es sei kaum möglich, dass auf der freien Spur nur Fahrzeuge seien, die einen Slot gebucht hätten, sagt Rohrbach. Sein Fazit: «Dieses System ist für uns heute praktisch nicht umsetzbar.»
Der Astra-Sprecher sagt zudem, dass ein Reservationssystem am Gotthard zu «massivem Ausweichverkehr» führen dürfte, namentlich am San Bernardino und am Simplon. Beide Strecken weisen einen tieferen Ausbaustandard auf als die Gotthardroute. Sie gilt grösstenteils als Autobahn, also als Nationalstrasse erster Klasse. Die Alternativrouten am San Bernardino und am Simplon sind nur Autostrassen.
FDP-Landrat Ludwig Loretz, der den Antrag ins Urner Parlament eingebracht hatte, ärgert sich über die negativen Stimmen. Nun werde «vor allem Schwarzmalerei betrieben», sagte er dem «Blick». Man müsse auch die Chancen eines solchen Reservationssystems sehen und nun schrittweise schauen, was Sinn ergebe.
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