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Zürcher Politik kritisiert Bund
Geldkürzungen für Flüchtlinge ohne Job «falsches Zeichen» und «Frechheit»

Freiwillige leiten einen Deutschkurs für ukrainische Flüchtlinge im Haus des EGW. Mehrere Personen arbeiten konzentriert in einer Lerngruppe. Foto: Beat Mathys / Tamedia AG.
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In Kürze:
  • Im Kanton Zürich liegt die Erwerbsquote von Menschen mit Status S per November 2024 bei 34,5 Prozent – und damit unter den geforderten 40 Prozent.
  • Sprachbarrieren und die Unsicherheit beim Status S erschweren die Integration von Ukrainerinnen und Ukrainern auf dem Arbeitsmarkt.
  • Ein vorgeschlagenes Malussystem vom Bund stösst auf Kritik bei Zürcher Politikerinnen und Politikern.

Das Ziel war ambitioniert: Bis Ende 2024 sollten alle Kantone eine Erwerbsquote von 40 Prozent bei Ukrainerinnen und Ukrainern mit Schutzstatus S erreichen. So forderte es der Bund. Das Ziel verfehlt haben die meisten, wie aktuelle Zahlen von Ende November 2024 zeigen, die das Staatssekretariat für Migration (SEM) diese Woche präsentiert hat.

Der Kanton Zürich liegt mit einer Quote von 34,5 Prozent zwar unter dem gewünschten Resultat, im kantonalen Vergleich steht er aber gar nicht so schlecht da. Berücksichtigt man die Entwicklung seit 2022, scheint die Integration der Ukrainerinnen und Ukrainer im Alter zwischen 18 und 64 Jahren zunehmend besser zu funktionieren: Der Anteil von 18 Prozent Ende März 2023 stieg ein Jahr später auf 27 und liegt jetzt eben bei 34,5 Prozent.

Weil das 40-Prozent-Ziel grösstenteils verfehlt wurde, will der Bundesrat prüfen, ob er beim «Programm S» ein Malussystem einführen will. Kantone, welche die Ziele nicht erfüllen, könnten dann weniger Geld erhalten. Die Prüfung läuft bis Mai.

Das «Programm S» startete im März 2022. Im vergangenen Jahr erhielten die Kantone so Bundesbeiträge von 192,5 Millionen Franken. Davon flossen 37,3 Millionen Franken an den Kanton Zürich. Dieser finanziert damit Sprachförderung, Bildungsangebote für Jugendliche zur Vorbereitung auf die Berufsbildung oder Arbeitsintegrationsprogramme.

Besser «Missbräuche beim Status S bekämpfen»

Dass der Bundesrat ein Malussystem erwägt, sorgt in Zürich für Unmut. «Das ist eine Frechheit», sagt Domenik Ledergerber, Präsident der kantonalen SVP. Es seien ja nicht die Kantone, die bestimmen könnten, wen sie aufnehmen. Vielmehr sei es der Bund, der die geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer auf die Kantone verteile und deshalb in der Verantwortung stehe.

Ledergerber ist überzeugt, dass der finanzielle Druck nichts bringen wird. «Kein Ukrainer mehr wird arbeiten, wenn der Kanton Zürich weniger Geld vom Bund erhält.»

Auch Filippo Leutenegger hält nichts von einem Malussystem. «Der Bundesrat sollte besser das ganze System überdenken», sagt der Präsident der kantonalen FDP und Zürcher Stadtrat. Statt den Kantonen mit einem Malussystem zu drohen, solle der Bund besser Ukrainer, die nicht direkt vom Krieg betroffen seien, zur Rückkehr ermutigen und Missbräuche beim Status S bekämpfen.

Kritisch gegenüber einem Malussystem ist auch die Mitte-Partei. Je grösser der Kanton, desto mehr Menschen gelte es zu integrieren und desto schwieriger werde es, für alle eine passende Stelle zu finden, sagt Co-Präsidentin Michelle Halbheer.

Selbst von seinen Parteifreunden in Zürich erhält Asylminister Beat Jans keine Unterstützung: Die SP steht einem Malussystem «äusserst skeptisch» gegenüber, wie Kantonsrätin Sibylle Marti sagt. «Statt mit einem Malussystem zu sanktionieren, sollten Bund und Kantone gemeinsam eruieren, wie die Integrationshürden abgebaut werden können.»

Ähnlich sieht das die Zürcher Regierungsrätin und Justizdirektorin Jacqueline Fehr (SP): «Ein Malussystem wäre ein falsches Zeichen an die Kantone, Gemeinden, Organisationen sowie Arbeitgebenden, die in den letzten knapp drei Jahren Enormes geleistet haben für die Integration der rund 12’000 Geflüchteten aus der Ukraine.»

Unsicherheit durch Status S

Ausserdem braucht Integration auf dem Arbeitsmarkt Zeit. Das zeigt eine Betrachtung des SEM unter den Personen zwischen 18 und 50 Jahren, die den Status S zwischen März und Juni 2022 relativ früh erhalten haben: Schweizweit sind knapp 42 Prozent von ihnen erwerbstätig. Im Kanton Zürich sind es mit 49,3 Prozent sogar fast die Hälfte.

Der Arbeitsmarkt in der Schweiz sei zudem sehr unterschiedlich, sagt Hans Rupp, Chef vom Amt für Arbeit im Kanton Zürich. Im Welschland beispielsweise sei die Sprachbarriere höher.

Im kantonalen Vergleich müssen mit über 10’800 arbeitsfähigen und arbeitstätigen Personen im Kanton Zürich die meisten Ukrainerinnen im Arbeitsmarkt integriert werden. In Anbetracht dieser Zahl sei eine Quote von 34,5 Prozent ein Erfolg, sagt Rupp.

Eine der grössten Hürden bei der Integration sei der Status S, der auf eine Rückkehr der Menschen ausgerichtet ist. Bei Arbeitgebenden herrsche deswegen eine grosse Unsicherheit, in diese neuen Arbeitskräfte zu investieren.

Rupp will nun zusammen mit Unternehmen und Verbänden Gespräche führen, um aufzuzeigen, welchen Mehrwert diese Menschen auf dem Arbeitsmarkt liefern können. «Wir sehen, dass sich die Sprachkenntnisse deutlich verbessert haben und die Hemmschwelle für eine Anstellung nicht mehr so hoch ist wie direkt nach Kriegsbeginn», sagt er.

Gute Ausbildung ist für Geflüchtete oft ein Hindernis

Die Geflüchteten kommen nur langsam in der Schweiz an: «Eineinhalb Jahre nach Kriegsbeginn haben wir gesehen, dass junge Menschen im Ausbildungsalter und Mütter zunehmend realisieren, dass eine Rückkehr in die Ukraine ungewiss ist und sie sich darauf einstellen, länger in der Schweiz zu bleiben», sagt Nina Gilgen, Integrationsdelegierte und Leiterin der Fachstelle Integration im Kanton Zürich.

Im letzten Jahr hätten zudem vermehrt Personen ihre Eltern aus der Ukraine in die sichere Schweiz geholt, was auch dabei helfe, die Kinderbetreuung besser zu organisieren. Diese stelle nach wie vor eine Hürde für Mütter bei der Stellensuche dar.

Auch die teils gute Ausbildung der Geflüchteten habe die Integration in den Arbeitsmarkt nicht beschleunigt, sagt Gilgen. «Trotz guter Ausbildung können die Personen oft nicht in ihrem Beruf arbeiten, weil ihre Diplome nicht anerkannt werden», sagt sie.

Einzusehen, dass sie wahrscheinlich in einer anderen Branche oder einem tiefer qualifizierten Job arbeiten müssen, sei oft demotivierend. Hier investiere der Kanton viel in Beratung, Sprachkurse und in die Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt, sagt Gilgen. Aktuelle Zahlen zeigen, dass die meisten Personen im Kanton Zürich in Informatik- oder Planungsberufen und im Gastgewerbe tätig sind.

Die Integration der Ukrainerinnen und Ukrainer im Kanton Zürich gelingt besser als in anderen Kantonen. Das liegt laut Gilgen auch daran, dass der Regierungsrat kurz nach Kriegsbeginn entschieden hat, Personen mit Schutzstatus S genauso wie andere Geflüchtete zu fördern.

Dieser verbindliche Integrationsauftrag gemeinsam mit der Zusicherung finanzieller Mittel sei für die Städte und Gemeinden im Kanton Zürich entscheidend gewesen, um rasch mit der Integrationsförderung zu beginnen: So konnten Sprach-, Bildungs- und Arbeitsintegrationsangebote dank grosser Anstrengungen in kurzer Zeit sehr stark ausgebaut werden.