Vorzeitige Auflösung der FesthypothekStatt Kunden mit einem Penalty zu strafen, müssten Banken einen Bonus zahlen
Gemäss Marktzinsen müssten Kreditgeber jetzt bei einer vorzeitigen Auflösung Geld zurückzahlen, statt eine Strafgebühr zu verrechnen. Doch viele Institute weigern sich.
Ein Penalty ist eine Strafe. Die gibt es unter anderem bei gröberen Regelverstössen in verschiedenen Sportarten wie etwa im Fussball. Dass umgangssprachlich auch bei Festhypotheken von einem Penalty die Rede ist, kommt nicht von Ungefähr: Bankkundinnen und -kunden, die ihn kassieren, müssen teuer dafür bezahlen.
Bei Hypotheken wird der Penalty zum Thema, wenn eine Kundin oder ein Kunde den Vertrag vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit auflösen will. Ein typischer Grund für eine vorzeitige Auflösung ist eine Scheidung: Ein Paar, das getrennte Wege geht, will das gemeinsame Wohneigentum verkaufen und danach die flüssigen Mittel aufteilen. Weitere Gründe sind etwa ein berufsbedingter Umzug, eine schwere Krankheit oder ein Todesfall.
Wenn eine Kundin oder ein Kunde den Hypothekarvertrag vorzeitig beendet, hat die Bank Anspruch auf entgangene Einnahmen. Diese Entschädigung – also der Penalty – ist unbestritten. Fachleute sprechen auch von einer Vorfälligkeitsentschädigung.
Die Berechnung ist nachvollziehbar: Wenn eine Kundin oder ein Kunde eine Festhypothek vor Vertragsende auflöst, prüft die Bank, zu welcher Rendite sie das Geld für die restliche Laufzeit anlegen kann. Fällt die Rendite tiefer aus als mit dem bisherigen Hypothekarvertrag, darf die Bank die Differenz der Kundschaft belasten. Der Penalty verhindert also, dass die vorzeitige Vertragsauflösung für die Bank zum Verlustgeschäft wird.
Es geht um bedeutende Beträge
Aufgrund der sinkenden Zinssätze war ein Ausstieg aus einer Festhypothek in den vergangenen Jahren lange Zeit eine kostspielige Angelegenheit. So gab es Verträge über längere Laufzeiten, für die Zinssätze von zwei, drei oder vier Prozent vereinbart waren. Am Markt erhielt eine Bank hingegen kaum noch null Prozent Rendite. Bei einer vorzeitigen Auflösung mussten Kundinnen und Kunden so rasch einmal mehrere Zehntausend Franken hinblättern.
Doch jetzt hat sich die Ausgangslage grundlegend geändert. Der Grund dafür ist der starke Anstieg der Zinssätze in den vergangenen Monaten. Viele Festhypotheken basieren aber immer noch auf den günstigen Konditionen der vergangenen Jahre. Zinssätze von rund einem Prozent sind keine Seltenheit. Wenn Banken das Geld am Markt anlegen, können sie jetzt eine deutlich bessere Rendite erzielen.
Raiffeisenbank gibt Zusatzgewinn nicht weiter
Auch unter umgekehrten Vorzeichen geht es um bedeutende Beträge. Das zeigt ein aktuelles Beispiel einer Festhypothek von rund einer halben Million Franken, das dieser Redaktion vorliegt. Zuständig ist eine grössere Raiffeisenbank. Im Vertrag ist ein Kreditzinssatz von gut einem Prozent vereinbart. Die Privatperson möchte den Vertrag bei einer Restlaufzeit von sechs Jahren vorzeitig auflösen. Die Bank könnte einen zusätzlichen Ertrag von knapp 17’000 Franken erzielen, wenn sie den Vertrag beendet und das Geld anderweitig anlegt.
Doch die Raiffeisenbank liess die verdutzte Privatperson wissen, dass sie von den Zusatzeinnahmen nichts erhält. Mit anderen Worten: Wenn die Raiffeisenbank mit der vorzeitigen Vertragsauflösung zusätzliche Einnahmen erzielt, gehen Kundinnen und Kunden leer aus. Entgangene Gewinne der Raiffeisenbank gehen jedoch voll zu deren Lasten.
Die Raiffeisengruppe bestätigt den Sachverhalt gegenüber dieser Redaktion. Die Praxis begründet sie wie folgt: «In den Hypothekarkreditverträgen von Raiffeisen ist die Vorfälligkeitsentschädigung eindeutig als Leistungspflicht der Schuldnerin oder des Schuldners an die Bank vereinbart. Eine Umkehr dieser Leistungspflicht ist vertraglich nicht vorgesehen.»
Es geht auch kundenfreundlicher
Dass es auch kundenfreundlicher geht, beweisen andere Banken. So hält die Credit Suisse in ihren bisherigen Vertragsbestimmungen fest, dass es je nach Marktumfeld zu einer «Erhöhung oder Verminderung» kommen könne. Ein allfälliger Überschuss zugunsten des Kreditnehmers werde mit einer Bearbeitungsgebühr in Form einer anteilsmässigen Pauschale verrechnet.
Bei der UBS ist «ein Differenzbetrag zugunsten des Kreditnehmers» möglich. Die Grossbank erwähnt zudem eine Bearbeitungsgebühr von 300 Franken. Und auch die Zürcher Kantonalbank sieht vor, dass «die Vorfälligkeitsentschädigung je nach Marktsituation zu Gunsten oder zu Lasten des Kunden ausfallen» kann. Die einmalige Bearbeitungsgebühr beziffert sie auf 100 bis 150 Franken.
Wie eine Umfrage unter einer Auswahl grösserer Banken zeigt, handhaben das jedoch viele Finanzinstitute anders. Wie die Raiffeisengruppe lehnen auch folgende Banken eine Rückerstattung von zusätzlichen Zinserträgen ab: Migrosbank, Postfinance, Bank Cler, Berner Kantonalbank und Aargauer Kantonalbank. Trotzdem verrechnen sie eine Bearbeitungsgebühr zwischen 100 und 500 Franken, wobei diese erfahrungsgemäss oft verhandelbar ist.
Angesprochen auf die Fairness und die Gründe dieser Praxis, antworten die Banken oft nur kurz und ausweichend. Eine etwas ausführlichere Stellungnahme liefert die Aargauer Kantonalbank. Da die Kundin oder der Kunde den Vertrag vorzeitig auflösen wolle, «erachten wir es nicht als gerechtfertigt, sie oder ihn dafür zu belohnen», teilt sie mit.
Aus Notsituation Profit schlagen
Der unabhängige Berater und Finanzcoach Benedikt Hilfiker widerspricht: «Das ist nicht fair.» Dies umso mehr, weil die Betroffenen die Hypothek kaum je freiwillig vor Vertragsende auflösen würden. Den Ausschlag gebe stattdessen meist eine Notsituation.
Der Abzug einer Bearbeitungsgebühr sei zwar durchaus gerechtfertigt und nachvollziehbar, meint Hilfiker. Dass aber manche Banken mit einer vorzeitigen Vertragsauflösung auch noch dicke Gewinne einstreichen, hält er für nicht statthaft.
«Interessenten sind durchaus bereit, etwas mehr für eine Liegenschaft zu bezahlen, wenn die Hypothek weniger kostet.»
Kundinnen und Kunden, die sich an dieser Praxis stören, haben drei Möglichkeiten. Erstens können sie versuchen zu verhandeln. Wenn das nichts bringt, können sie zweitens im schlimmsten Fall die Bank wechseln. Als dritte Variante können sie schliesslich ihre günstige Festhypothek als Verhandlungsmasse in den Liegenschaftsverkauf einbringen.
Denn eine Käuferin oder ein Käufer übernimmt lieber eine günstige Festhypothek, als eine neue zu höheren Zinssätzen abzuschliessen. «Interessenten sind durchaus bereit, etwas mehr für eine Liegenschaft zu bezahlen, wenn die Hypothek weniger kostet», sagt Hilfiker.
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