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Besuch im Verteilzentrum
Statt in der Küche stehen sie jetzt am Fliessband

Manuela und Jürg Portner helfen in der stressigsten Zeit des Jahres im Verteilzentrum von Interdiscount und Microspot aus. Dabei leiten sie sonst ein Hotel.
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Eigentlich haben Manuela und Jürg Portner in ihrem Alltag mit Päckli-Packen und Onlineversand gar nichts zu tun. Doch seit Mitte Oktober stehen die beiden im Verteilzentrum von Interdiscount und Microspot und tun genau das. Er kommt eigentlich aus der IT, sie arbeitete 15 Jahre in einer Confiserie, aber seit 19 Jahren sind beide gemeinsam in der Hotellerie tätig. Im Winter suchen sie jeweils den beruflichen Ausgleich. Statt Frühstück bereiten oder Gäste betreuen, heisst es ab acht Uhr morgens: Barcode scannen, Produkte verpacken, etikettieren und ab aufs Förderband. Diese Abläufe wiederholen sie bis zum Schichtende um 17 Uhr. Bis Ende Januar läuft das so.

Temporär Angestellte, wie die Portners, arbeiten während des Weihnachtsgeschäfts so einige bei der Coop-Tochter in Jegenstorf BE. Sie allen stellen sicher, dass jeder noch vor Weihnachten seine Bestellungen nach Hause geliefert bekommt. In diesem Jahr haben die Onlinehändler die Aushilfen für einen längeren Zeitraum angestellt als in den Vorjahren. Denn Weihnachten findet 2020 gleich zweimal statt. Zumindest was das Bestellvolumen betrifft, denn der Lockdown brachte dem Onlinegeschäft Rekordumsätze. Das Institut für Marketing-Management der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften schätzt, dass die Verkäufe über elektronische Vertriebskanäle in diesem Jahr von über 10 Milliarden Franken im 2019 auf über 16 Milliarden ansteigen werden.

Viele Onlineshops stellen dieses Jahr mehr temporäre Mitarbeiter für das Weihnachtsgeschäft an. Bei der Migros-Tochter Digitec Galaxus arbeiten temporär 500 Personen, bei Brack sind es 240, und bei Interdiscount und Microspot arbeiten neben den 200 Festangestellten aktuell 100 temporär Angestellte im Wareneingang, Warenausgang und dem Postversand. Die Anzahl Packstationen wurde erhöht. Statt der sonst 40 stehen 60 im Einsatz.

«Wir verzeichnen drei- bis viermal so viele Pakete wie sonst.»

Georg Weinhofer, Leiter Logistik, Service und Marktplatz

«Das Wochenvolumen wurde im Lockdown zum Tagesvolumen», erinnert sich Georg Weinhofer. Der Leiter der Bereiche Logistik, Service und Marktplatz dreht regelmässig eine Runde durch die verschiedenen Hallen und Lager, in denen es brummt wie in einem Bienenstock. Im Wareneingang türmen sich verpackte Produkte in allen Grössen, elektrisch betriebene Gabelstapler fahren Kühlschränke oder Waschmaschinen fast lautlos durch die Hallen. Pakete stehen in den Gängen und warten, bis im Abholbereich wieder Platz ist. Die Post und andere Lieferdienste wie Notime, Quickpac oder DHL kämen zwar mehrmals am Tag, aber das Weihnachtsgeschäft gleiche dem während des Lockdown, sagt Weinhofer: «Wir verzeichnen drei- bis viermal so viele Pakete wie sonst, die unsere Lager verlassen.»

«Das Wochenvolumen wurde im Lockdown zum Tagesvolumen», erinnert sich Georg Weinhofer, Leiter der Bereiche Logistik, Service, Marktplatz und Mitglied der Divisionsleitung von Interdiscount und Microspot.
Bestellte Ware wartet auf den nächsten Abfertigungsschritt. Vor Weihnachten verlassen in diesem Jahr drei- bis viermal so viele Pakete wie sonst das Lager.

Während er durch die Lager- und Abfertigungshallen schreitet, erzählt er, was die Leute gerade so bestellen. Es sind vor allem Produkte fürs Homeoffice, Haushalts- und Wohnartikel, Konsolen sowie Spielwaren. Er grüsst hier und da einen Mitarbeitenden und erklärt, dass hier insgesamt 30’000 Artikel gelagert werden. Ein Drittel davon sind Grossartikel wie Kühlschränke oder Flachbildschirme.

Wie auf kleinen Autobahnen rattern Plastikbehälter, gefüllt mit Nintendo-Spielen, iPhones oder Drucker-Tonern, auf Laufbändern durch die Halle, in der sich die sogenannten Pickstationen befinden. Dort, am Ende dieser Laufbänder, sitzen die Menschen, die sicherstellen, dass jede Kundin auch bekommt, was sie bestellt hat. Wie in einem Lokführerstand sitzen sie erhöht über dem Boden, tippen auf Monitore und verteilen die Ware von einer Box in die andere. Von dort geht die Reise weiter in die Versandhalle, wo die Portners arbeiten.

Maschine statt Mensch

Die Arbeitsabläufe wiederholen sich. Doch langweilig werde es dennoch nicht, sagen die beiden. Den Alltag und die Routine gebe es in jedem Beruf. Seit 19 Jahren nun besitzen und leiten Manuela und Jürg Portner ein Gästehaus im französischen Burgund. Erfolgreich, wie sie sagen. Doch wie so viele Hotelbetriebe litten auch sie unter der Covid-Krise, mussten während Wochen schliessen und Umsatzeinbussen hinnehmen. Doch sie hatten auch Glück: Als sie im Juni wieder Gäste empfangen durften, war das Haus voll. Wie jedes Jahr schliessen sie über die Wintermonate ihr Gästehaus, um die Zeit bei der Familie in der Schweiz zu verbringen.

Um die Bestellflut abzuarbeiten, werden die Portners und die anderen Mitarbeitenden seit Ende Oktober von einer neuen, vollautomatischen Verpackungsmaschine unterstützt. Sie wird von drei Personen bedient und misst die Grösse der Artikel, erstellt die passende Kartonschachtel und verpackt das Produkt. 600 Pakete in der Stunde schafft sie und spart dazu noch Verpackungsmasse. Ein Mitarbeitender kommt im Vergleich auf rund 45 Pakete pro Stunde. An einem Spitzentag verlassen bis zu 30'000 Sendungen das Logistikzentrum.

Im Schnitt verpackt eine Mitarbeiterin 45 Pakete pro Stunde. Die Maschine schaffte mehr: 600 laufen stündlich vom Band.

Im Untergeschoss ist das Shuttlelager. Hier sind ausschliesslich Roboter im Einsatz. Auf 21 Ebenen verteilt, sausen 126 Shuttle-Roboter der Marke Stingray blitzschnell zwischen den Regalen hin und her. Um die 3000 Ein- und Auslagerungen schaffen sie pro Stunde. Das heisst: Sie holen den eingelagerten Behälter mit der bestellten Ware aus dem Regal oder stellen leere wieder zurück.

Viele Abläufe werden im Verteilzentrum vollautomatisch abgewickelt. So wird jeder Artikel im System erfasst: in welcher Kiste und in welchem Lager er liegt und wo er dort zu finden ist. Doch die Technik ist vor Störungen nicht gefeit. Während des Black Friday gab es einen kurzen Systemausfall. Doch Techniker vor Ort waren zur Stelle, um Probleme zu beheben. Trotz neuester Technik braucht es die Mitarbeitenden eben doch.

Gut für das Ehepaar Portner, das schon das siebte Jahr in Folge im Verteilzentrum aushilft. Aber dieses Jahr sei einfach anders: «Die Paketmenge ist definitiv höher als sonst», sagt Manuela Portner. Trotz der strengen Tage ist sich das Ehepaar einig: Im nächsten Jahr wollen sie wiederkommen.